Die unendliche Vielfalt der Lautsprecher
Unser Autor Roland Schmenner genoss es, sich auf der Münchener Messe von Membranen und Gehäusekonzepten anblasen zu lassen. Auf seinen Streifzügen durch die Hallen und Räume das MOC konnte er natürlich auch viele Kuriositäten entdecken. Teil zwei unserer großen Messenachlese: High End München 2022 Lautsprecher
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Teil 2 (Lautsprecher)
High End 2022 in München Lautsprecher – mit Sicherheit dürfte es der Teil der Messe sein, der mit der größten Variabilität in Sachen Konzeption und Design aufwartet und ohne den keine Veranstaaltung dieser Art zum Klingen gebracht wird. Auch wenn wir einer Vielzahl an analogen Laufwerken, digitalen Wandlern und unterschiedlichen Verstärkerideen begegnen – der primäre akustische Eindruck wird doch immer von den Schallwandlern bestimmt. So auch auf der Münchener HIGH END 2022, deren Vielfalt wir versucht haben, in einige griffige Untergruppen zu sortieren.
High End 2022 in München Lautsprecher Bildergalerie
Alles so schön bunt hier
Was wäre die HIGH END ohne ihre Kuriositäten: optische oder technische Extravaganzen, die unbedingte Aufmerksamkeit generieren. Nicht umsonst fand man diese Lautsprecher häufig in den unteren Hallen, wo sie in der Regel ohne Hörmöglichkeit dargeboten wurden. Seien es die aktiven Systeme von Aku aus Griechenland, die „Barbapapas“ von Vivid Audio oder die süßen Riesen-Bonbons von Sveda. Ein Gang durch dieses bunte Kuriositätenkabinett lohnte zu jeder Zeit.
Make me Horny
Viele Besucher kommen ja nach München, um endlich mal Anlagen und vor allem Lautsprecher zu goutieren, die im heimischen Wohnzimmer oft nur schwer Platz finden. Große Aufmerksamkeit erzielen dabei immer wieder die präsentierten Hornsysteme. Auffallend war dieses Jahr, dass viele Hörner so gar nicht „horny“ klangen, sondern auch diffizile musikalische Zwischentöne reproduzierten, so bei Cessaro und Avantgarde, während bei Viva Audio ein Dreiwege-Horn mit zusätzlicher Passivmembran im Bass den Raum mit herrlich warmem Sound flutete. Gleiches gilt für Voxativ aus Berlin, deren dreiteiliges Modulkonzept mit geschmeidiger Dreidimensionalität punkten konnte. Einstein Audio überraschte mit einem Prototyp von beträchtlicher Größe; ein Vierwege-System mit 18-Zoll-Bass und Horn, das mit einem knackigen und transparenten Mittenbereich überzeugte.
Lautsprecher, neu gedacht
Eine ganz besondere Überraschung konnten wir bei Monitor Audio entdecken. Die Concept 50, das neue Flaggschiff der Briten, sollte einen würdigen Ankerpunkt zum Jubiläum der Lautsprecherspezialisten setzen und das ist mehr als gelungen: Die wuchtige Kunststeinskulptur klingt nicht nur herausragend, sie ist auch so extravagant gestaltet, dass man den Umstehenden zuerst erklären muss, dass es sich um einen Schallwandler handelt: Zwei Säulen bilden unabhängige Bassvolumen, während Tweeter und ein “Aluminiumgürtel” aus sechs 1″-Membranen Mitten und Höhen beisteuern. Unsere Bilder können nur andeuten, wie das in Natura wirkt – die Concept 50 muss man einfach selber erleben …
Aus Alt mach Neu
Es gibt legendäre Lautsprecher, die nicht mehr produziert werden, entweder weil die Hersteller in ihrer ursprünglichen Form nicht existent sind oder weil sie vom Output neuer Produkte überrollt wurden. Gleich drei dieser Lautsprecher feierten als Remake ihre Premiere in München. FinkTeam hat die Epos ES14N aktuellen Hörgewohnheiten und Designansprüchen angepasst. Vor allem Blues- und Krautrock wusste bei den Vorführungen zu gefallen.
Bei IAD gab es die von Mastermind Peter Comeau überarbeitete Mission 770 zu hören, jene Lautsprecherlegende, die für viele heutige Highender vor langen Jahren die Einstiegsdroge war. Mit jedem Ton war sofort die altbekannte Magie der 770 zu vernehmen, die aber unaufdringlich etwas stärker auf Transparenz zugeschnitten war als das Original.
Audio Physic hatte eine Neuauflage ihres Klassikers „Spark“ im Programm, eine Dreiwege-Kompaktbox, der man dieses Konzept gegenüber den am Markt sonst üblichen Zweiwege-Kompakten sofort anhörte. Auf einer eigenen Pressekonferenz stellten die Briloner ihr neues Flaggschiff Medeos (eigentlich mit einem griechischen “Omega”) vor. Die mannshohe Riesin sprengt nicht nur die gewohnten Audio Physic-Dimensionen, die führt auch viele neue Technolien ein, die wir wohl bald auch in den kleineren Modellen der Sauerländer finden werden. Darunter etwa die Fortsetzung des sickenlosen Mitteltöners, dessen Zentrierung und Aufhängung nach vorn gewandert sind: Die praktisch massefreie Folienmembran wird von einem filigranen Gebilde aus dem 3D-Drucker getragen und spielte in der Vorführung schmelzig-fein. Wir sind schon gespannt, in welchen Modellen der Treiber auftaucht. Eine Medeos zu Gehör zu bekommen dürfte derweil ein exklusives Vergnügen bleiben. Der Koloss ist auf 10 Exemplare limitiert, eins davon wurde auf der Messe von Alan Parsons signiert.
Die gute alte Zeit
Auch wenn heute kaum ein Hörer wirklich den originalen Sound der Sixties oder Seventies wiederhaben möchte, gibt es im optischen Bereich doch eine große Sehnsucht danach. Fyne Audio wusste dies geschickt mit der neuen Vintage-Reihe zu bedienen, die den Hörer bei durchaus moderner audiophiler Abstimmung und einem Wirkungsgrad von 96 Dezibel optisch auf eine Zeitreise mitnahm. Etwas anders gestaltete sich dies bei Oswalds Mill Audio, deren für das Guggenheim New York entwickelter „Museum Speaker“ uns nicht nur optisch, sondern auch klanglich in das goldene Zeitalter der amerikanischen Stereofonie katapultierte. Ein optisch wie musikalisch genialer Trip.
Danish Dynamite
Gemessen an der Einwohnerzahl dürfte Dänemark das Land mit der größten Dichte an High-End-Manufakturen weltweit sein. Auch in München war das Nachbarland mit auffälligen Neuheiten präsent. Audiovector, frisch mit dem FIDELITY AWARD für die R6 Arreté ausgezeichnet, stellte die vollmundig tönende QR 7 vor, die auf vielfachen Händlerwunsch gefertigt wurde und mit knapp unter 6000 Euro in einem erfreulichen Preisrahmen bleibt.
Am anderen Ender der Preisfahne winkt dagegen die DALI Kore, ein Lautsprecher, der das Nonplusultra der Ingenieurskunst aus Nørager präsentierte. Ob mit Folk oder Techno, die Kore zeigte sich bei der Pressekonferenz als Allroundtalent.
Eine Überraschung erwartete die Zuhörer bei Raidho. Betrat man den Raum, wenn die kleine Kompaktbox X-1T spielte, dachte man unwillkürlich, dass die Musik von der direkt danebenstehenden Klangsäule D5.1 reproduziert würde. Chapeau – selten hat man eine dermaßen kleine Box so erwachsen und vollmundig erlebt. Gänzlich andere Wege beschritt man bei Dynaudio. Bei der neuen Focus-Serie kann man kaum noch von einem Lautsprecher reden, vielmehr ist es eine mit Elektronik und Wandler bestückte „Kompaktanlage“, die mit einfacher Bedienung und ausgewogenem Klang ihr Publikum finden wird.
Alles andere als alltäglich
Wie auf jeder Messe blieben auch diesmal einige Produkte positiv in Erinnerung, die auf ihre je eigene Art eine überraschende Konstruktion jenseits des Mainstreams präsentierten. So etwa die auf einem Rollengestell ruhende Klangskulptur „Aurora“ des zypriotischen Herstellers Aries Cerat. Ein hybrides Open-Baffle-Konzept mit vier Zwölfzoll-Woofern und einem Dipol-Horntweeter.
Liest sich technisch wild, wirkte optisch mehr als gewagt und klang doch beruhigend stimmig. Die aus einem massiven Steingehäuse bestehenden Aktivlautsprecher von Lyravox sind bereits ein bekannter Hingucker auf der HIGH END. Äußerst überzeugend war diesmal die Bassergänzung des Midfield-Monitors „Karlsson“ zu einem ausgewachsenen „Karlsson Tower“, der bewies, dass ein technisch hochentwickeltes Konzept alles andere als steif und technisch klingen kann – Beethoven mit Alfred Brendel war selten authentischer zu vernehmen.
Ein Luxusprodukt der ganz besonderen Sorte war das Kooperationsprojekt von Steinway und Lyngdorf. Instrumentale Klangschönheit und technisch ausgefuchste Raumkorrektur sorgten hier für ein audiophiles Erlebnis, das in einem hochwertigen Ambiente Begrenzungen und Einschränkungen des Hörraums hinter sich lässt.
Infos zur Messe: www.highendsociety.de
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