Messenachlese 8/20: Transrotor, KEF, Hegel, Arcam, Marantz, Audia Flight
Und sie dreht sich doch!
Wenn eine Analog-Legende wie Jochen Räke sich die Zeit zum ausführlichen Interview nimmt, dann geht ein solches Gespräch ganz schnell über das Geplänkel um neue Produkte hinaus. Zumal bei Transrotor die Innovationszyklen nicht annähernd so hektisch wie bei den Mitbewerbern ausfallen.
Dafür fällt es auch bei kaum einem anderen Plattenspieler-Hersteller so leicht, einen optisch, klanglich und preislich haargenau auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmten Plattenspieler zu konfigurieren. Jochen Räke kommt aus dem klassischen Maschinenbau, in seinen jungen Jahren durfte sich der heute 77-Jährige mit Landmaschinen und Maschinen zur Holzbearbeitung auseinander setzen. Und wollte als „begeisterter Amateurfunker“ doch eigentlich lieber etwas „in Richtung Fernsehtechnik“ machen, wie er heute mit einem rückschauenden Augenzwinkern erzählt. Dass Räke für Dr. Oetker eine automatische Petersilien-Pflückmaschine entwickelte, gehört schon beinahe zu den skurrilen Treppenwitzen der Audio-Historie. Dass er nicht das väterliche Landmaschinen-Geschäft übernahm, sollte sich als sehr kluge Entscheidung herausstellen, denn während jene Branche unaufhaltsam den Bach hinunter ging, gab es eigentlich immer einen Markt für hochwertige Audio-Geräte im Allgemeinen und professionell aufgebaute Plattenspieler im Speziellen. Jochen Räke fing mit selbst gebauten beziehungsweise optimierten Lautsprechern an, weil er keine Lust hatte, sich ständig mit Rückläufern und zornigen Kunden herum zu ärgern, die mit den von ihm seinerzeit gelieferten britischen Billig-Schallwandlern nicht zufrieden waren.
Aus den ursprünglich ebenfalls aus England importierten Transcriptor-Plattenspielern wurden relativ bald, Anfang der 1970er Jahre, die ersten Modelle, die den Namen Transrotor trugen. 1976 kam die erste Eigenentwicklung mit Elektromotoren von Papst. Stolz ist Jochen Räke darauf, dass es auch für 40 Jahre alte Transrotor-Plattenspieler noch nagelneue Motoren gibt, die im Rahmen eines umfangreichen Überholungsprogramms eingebaut werden können. „Es rechnet sich, in den guten Ruf zu investieren“, meint Räke dazu. Dazu gehört auch, dass Transrotor-Plattenspieler komplett im Haus zusammengebaut werden: „Fertigungstoleranzen haben bei uns keine Chance, wir wollen besser als der Wettbewerb sein“, sagt Jochen Räke trocken. Tradition hat bei Transrotor die Zusammenarbeit mit den britischen Analogexperten von SME, mit deren anerkannt guten Tonarmen auch die meisten Transrotor-Plattenspieler ausgestattet sind.In diesem Jahr haben die Briten ein neues Modell vorgestellt, dessen Prototyp auf der Messe zu sehen war. Der Aufkauf der Reibradantrieb-Pioniere von Garrard soll laut Jochen Räke in eine SME-Zweitmarke münden. Was gut war, kommt offensichtlich auch zuverlässig wieder.
Die Peripherie für den reichhaltigen Plattenspieler-Segen sollte man so wenig aus den Augen verlieren wie den ebenfalls sehr spannenden Digitalbereich. Bei den Lautsprechermachern KEF, deren deutscher Vertrieb GP Acoustics seit einiger Zeit auch den Vertrieb der fulminanten Hegel-Elektronik innehat, wurde die wunderbare Blade mit dem nagelneuen Hegel-Vollverstärker H590 vorgeführt.
Der soll laut Frank Eschholz (GPAE) ab November 2018 lieferbar sein und stellt einen jener Ausnahmeverstärker dar, die auch mit problematischen Lautsprecherkonstruktionen zurecht kommen. „Die meisten in der Firma haben inzwischen selbst Hegel-Verstärker zu Hause“, lächelt Frank Eschholz. Und weil nicht jeder Kunde zu den vergleichsweise hochpreisigen Hegel-Kreationen greift, hat man bei GP Acoustics bezahlbare Alternativen parat, beispielsweise zwei neue Vollverstärker von Arcam mit App-Steuerung, die es bald nicht nur für das Apple-iOs, sondern auch für Android-Betriebssysteme geben soll, um einen möglichst bequemen Zugang zu Tidal, Spotify und Co. zu ermöglichen. Auch ein neuer Arcam SACD-Player ist in der Pipeline.
Stichwort SACD: Nicht verpassen sollte man die Gelegenheiten, bei denen Marantz-Mastermind Ken Ishiwata seine exzeptionellen Schöpfungen vorführt.
Der sympathische Japaner ist ein dezidierter Showman, der nicht nur extrem extravagante Outfits trägt, sondern sein eigenes 40-jähriges Firmenjubiläum mit einer Verstärker-CD-Player-Kombination feiert, die er schlicht „KI Ruby“ getauft hat. Geräte, die klanglich so nah an der Flaggschiff-10er-Linie rangieren, dass es für die Firmenumsätze wohl von positivem Effekt ist, wenn sie nur als limitierte Edition angeboten werden. Im letzten Jahr wurde die Denon-Marantz-Group ja wie berichtet von der Sound United LLC (Muttergesellschaft der Marken Polk Audio, Definitive Technology und Polk BOOM) übernommen. Die Polk-Boxen, mit denen Ken Ishiwata seine Rubys vorführte, wussten mich allerdings (noch) nicht zu überzeugen. Dafür stimmte die Musikauswahl – wahrscheinlich, weil Ishiwata-san selbst Musiker ist und essenzielle Dinge erfahrungsgemäß nicht dem Marketing überlässt. So entsprach er etwa sofort der Bitte, die feine Ruby-Kombi auch mit analoger Quelle hören zu dürfen und spielte feinen Bigband-Jazz von Schallplatte, was auf Anhieb überzeugend wirkte und für die im Verstärker integrierte Phonostufe spricht. Die beiden Rubys stehen übrigens auch für einen (leicht zu übersehenden) Trend zu tatsächlich bezahlbaren High-End-Komponenten, die klanglich deutlich näher als noch vor ein paar Jahren an den Topline-Produkten orientiert sind und damit den Einstieg in der Welt schönstes Hobby erleichtern. Angesichts dessen, dass auf der Messe an den Besuchertagen wieder mehr junges Publikum unterwegs war, ein wichtiger Schritt zur Sicherung einer klangvollen Zukunft. Dass Preziosen wie die Rubys auch das Verlangen nach Geräten befriedigen, die nicht jeder daheim stehen hat, ist ein angenehmer Nebeneffekt. Chefentwickler Rainer Finck deutete übrigens an, dass die Rubys ab Herbst lieferbar sein werden – und dass man als Interessent schnell sein muss, weil sie in Deutschland genauso wie weltweit wohl nur in sehr geringer Stückzahl angeboten werden.
Auch die Verstärker von Audia Flight findet man nicht an jeder Ecke. In einem Seitengang eines der beiden großen Messe-Atrien tönte die italienische Elektronik so gut, dass ein Teil des FIDELITY-Teams deutlich länger als geplant sitzen blieb. Vorgeführt wurde von Schallplatte, im Mittelpunkt standen die gewaltigen Audia-Flight-Monoblöcke Strumento No. 8, die ein Pärchen großer Standboxen des hierzulande kaum bekannten, wie Audia Flight in Italien beheimateten Lautsprecherherstellers Albedo befeuerten. In einem babylonischen Sprachengewirr aus Italienisch und Englisch fanden wir heraus, dass Albedo wohl ein vergleichsweise umfangreiches Schallwandler-Portfolio hat. Wenn der Rest genau so gut wie die beiden Vorführboxen klingt (woran ich nicht wirklich zweifle), dann gibt es einen neuen Geheimtipp für musikalische Feingeister – und nicht nur für Opernfans, obwohl ich Anna Netrebkos „La Traviata“ (Deutsche Grammophon) kaum je so lebensnah hören durfte. Das zweite Highlight bei Audia Flight war leider nicht angeschlossen, weshalb ich mir über das Klangpotenzial auch noch kein Urteil erlauben kann: der nagelneue FLS-20 SACD-Player. Schön, dass die Italiener ein Herz für die Freunde der HiRes-Silberscheiben haben. Noch schöner, dass der Player nicht in der Überflieger-Topklasse namens „Strumento“ erscheint, sondern in der darunter angesiedelten, erfahrungsgemäß kaum weniger anspruchsvoll entwickelten FLS-Linie. Angesichts der Meriten, die sich die Verstärker aus dem Hause Audia Flight in der FIDELITY-Redaktion erworben haben, bin ich auf diesen Silberscheibendreher extrem gespannt.
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