Heco BellaDonna – Die Schöne und der Tramp
“I’ve travelled many roads
And not all of them were good
The foolish ones taught more to me
Than the wise ones ever could” (Calvin Russell)
In aller Kürze
Eine „Kompakte“, die mancher Standbox das Leben schwer macht: Hecos BellaDonna reicht bis in den tiefsten Keller und offenbart gleichzeitig höchste Sphären. Dazwischen liegt pure Musik.
Schräg von oben beleuchtet ein trüber Scheinwerfer einen alten, durchgetretenen Teppich. Auf dem Teppich ein dreibeiniger Hocker. Wahrscheinlich Red Oak, eventuell auch Hard Maple. So genau hört man das nicht. Dem Mann darauf scheint es egal. Noch sitzt er nur da und wartet. Dann greift die Hand nach einer abgegriffenen, verschlissenen Gitarre. Langsam hebt sich der Kopf. Unter einem staubigen Hut wird ein Gesicht erkennbar, voller Narben und von dem Leben am Rand der Gesellschaft gezeichnet. Die linke Hand greift den Akkord, die Rechte in die Saiten.
Der Mann erzählt von Wegen, von guten Zeiten und schlechten Entscheidungen. Seine Stimme das akustische Pendant zur Kraterlandschaft der Physiognomie. Die Gitarre singt dazu von Weite, von Freiheit. Es erscheint ein zweiter Mann. Ebenfalls mit Gitarre, doch seine hängt ihm um die schmalen Schultern. Auch er trägt einen schmalkrempigen Hut, so verlebt wie die gesamte Person. Er tritt nach vorne, der Scheinwerfer folgt ihm, und zusammen verharren sie mittig im Raum. Als er den Kopf hebt, sieht man wieder den Mann auf dem Hocker. Beide sind eins.
Sie greifen in die Saiten. Der stehende Calvin steigt in den Rhythmus des sitzenden Russell ein, übernimmt die Führung und kontrapunktiert mit beherztem wie behändigem Spiel sein sitzendes Ebenbild, das den Beat schrammelt und mit einer Stimme so stachelig wie eine Wüstenkaktee den einzigen Fehler seines Lebens betrauert. Der trüben Beleuchtung zum Trotz entstehen Bilder voller Rot- und Erdtöne, transparent und plastisch, fast physisch präsent. Bilder von verlassenen Ecken, von staubigen Kreuzungen. Bilder von Kreuzungen, an denen sich das Leben gabelt. Wohin würde ich gehen?
Nein, keine Sorge. Sie sind nicht versehentlich im Förderkreis minderqualifizierter Romanautoren gelandet. Sie befinden sich weiterhin inmitten ihres Lieblingsmagazins für anspruchsvolles Hören. Da der Hersteller die technischen wie physischen Eigenschaften der BellaDonna höchst informativ und ausgiebig in einer Pressemitteilung beleuchtet habt (sehen Sie einfach hier unter www.fidelity-online.de nach), wählen wir hier die Abkürzung und fassen die wichtigsten Daten kurz zusammen. Mit bleibt derweil ausgiebig Zeit, mich eingehender mit ihren musikalischen Fähigkeiten zu verlustieren.
• Für höchstmögliche Präzision entschied sich der Hersteller für ein reines Zweiwege-Konzept mit einer Trennfrequenz von 2600 Hz.
• Der 20 cm-Woofer besitzt 225 cm2 Membranfläche aus langfaserigem, mit Wollfäden verstärktem Kraftpapier. Das ermöglicht neben tiefen und voluminösen Bässen eine saubere, ausdrucksstarke Mittenwiedergabe.
• Der mithilfe eines Klippel-Systems verfeinerte Basstreiber verfügt über eine große Antriebsspule mit 32 mm Durchmesser. Damit reicht seine lineare Basswiedergabe bis 34 Hz hinunter, insgesamt (−6 dB) kommt die Box auf 28 Hz.
• Der 30-mm-Hochtöner aus Seide wurde völlig neu entwickelt. Er sitzt im Zentrum einer Waveguide-Einfassung, die Heco als „Fluktus-Schallwand“ bezeichnet.
• Man spricht normalerweise ja nicht über das Gewicht einer Dame. Bei der BellaDonna spielt es aber eine wichtige Rolle: 17,8 kg bringt jedes der massiven Kompaktgehäuse auf die Waage. Die innen versteiften 25-mm-Wände sind sprichwörtlich tot und lassen Resonanzen keine Chance.
• Die rückseitige Bassreflexöffnung und das Anschlussterminal erlauben eine dezente Anpassung an den Hörergeschmack und den Raum. Mit der Verringerung des Wandabstands kann man den Bass merklich verstärken. Ein alternativer Hochtonanschluss hebt die Höhenpräsenz um 2 dB an. Mit etwas Fingerspitzengefühl kann man der ansonsten extrem linearen Abstimmung der BellaDonna einen Hauch von Loudness-Charme spendieren.
Also springen wir eine Woche zurück und fangen von vorne an.
Angekündigt wurde mir seitens unserer zauberhaften Fachkraft für Testobjektbeschaffung ein Paar Schallquellen der Gattung Kompakt- respektive Regallautsprecher aus dem Hause Heco. Die schnieke Ambient-Serie (finden Sie hier auf www.fidelity-online.de) war für mich dort der Einstieg, die von uns heiß und innig geliebte Heco Direkt Einklang dann der Aufstieg in audiophile Sphären.
Mit der BellaDonna zielt Heco klanglich wie preislich eindeutig in Richtung High End. Auf den Fotos wirkte alles noch nett, kompakt und gar nicht mal so ausladend. Dass „kompakt“ nicht zwingend „handlich“ bedeutet, wird mir klar, als kurz darauf eine Europalette mit zwei unhandlichen Kisten im Gesamtgewicht von siebzig Kilo, Palette nicht mitgerechnet, bei mir eintrifft. Für die Satelliten der Ambient brauchte ich einen Bohrhammer, für die BellaDonna jetzt die Sackkarre. Aufgrund der Abmessungen erfolgt das „Unboxing“ direkt im Flur. Karton Nummer eins enthält dann auch eindeutig Lautsprecher, doch Kompakboxen hatte ich irgendwie kleiner in Erinnerung.
Mit einer Tiefe von knapp einem halben Meter findet sich ein passendes Bücherregal wohl höchstens in der Schulbibliothek von Hogwarts oder einer ähnlich altehrwürdigen Fakultät. Praktischerweise enthält Paket Nummer zwei die zur Box passenden Ständer, welche unvermeidbar im Preis von fünftausend Euro enthalten sind. Unpraktischerweise summiert sich das Gewicht einer spielfertig verschraubten Belladonna samt Ständern dann auf gut fünfunddreißig Kilogramm. Warum also „Regalbox“? Ein kurzer Anruf bei Heco endet in einem sehr aufschlussreichen einstündigen Gespräch (Danke an Martin Groß für die Geduld und Zeit) und bringt Licht ins Dunkel.
Auf die Frage, in welche Kategorie er selbst die BellaDonna einordnet, antwortet Groß ohne nachzudenken sofort „Zweiwege!“, wozu ja auch kühlschrankgroße Exemplare wie eine Focal Diablo Utopia und ähnliche Schallmöbel gehören. So weit, so passend. Mit der Einordnung in Klassen wie „Kompakt“ oder „Regal“ tut man sich auch bei Heco selbst schwer. Ziel war es nicht, noch einen Lautsprecher zu bauen, der anonym im Regal verschwindet. Präsent sollte das Flaggschiff werden, edel in Material, Optik und Verarbeitung. Das Zweiwege-Prinzip war das Einzige, das am Anfang der Entwicklung als gesetzt galt. Alles Weitere war ein langwieriger, manchmal steiniger Weg. Und ähnlich wie der Tramp am Anfang des Textes erzählt, wurde auch manch falscher Weg gegangen. Allein für den Tiefmitteltöner wurden acht Prototypen entworfen, gebaut, gehört, wieder verworfen und überdacht, bis es klanglich passte. Auch der Materialmix für das sogenannte Kraftpapier sollte für jedes Chassis neu bestimmt werden – hier kommt es auf die perfekte Synergie aus nordischen Nadelhölzern, Wollfäden und diversen Bindemitteln an. Was auch den je nach Modell unterschiedlichen Schimmer der Papiermembranen erklärt.
Doch bevor man bei Heco darangeht, unnötig Geld in den Bau von Prototypen zu versenken, werden die grundlegenden Parameter selbstredend im Vorfeld am Computer simuliert. So wurde am Computer sichtbar, dass sich ein starrer Phaseplug ungünstig auf bestimmte Bereiche des Verzerrungsspektrums auswirkt.
Mir der neuen, an einen konventionellen Phaseplug erinnernden Form soll weniger eine Phasenkorrektur erzielt, sondern vielmehr die Stabilität der extrem leichten Membran erhöht werden. Auch wenn der Hochtöner optisch ein alter Bekannter zu sein scheint, handelt es sich hier um eine komplette Neuentwicklung. Kurz umrissen soll hier das Zusammenspiel aus neuem Material für die Kalotte, einer speziellen Beschichtung der Sicke und der bewährten Fluxus-Schallführung für ein möglichst breites und gleichförmiges Abstrahlverhalten sorgen. Mittels einer Kabelbrücke lässt sich der Pegel noch ein wenig erhöhen, was dem seidig agierenden Hochtöner noch ein wenig mehr Kontur und Strahlkraft verleiht. Ein kleiner Handgriff mit deutlicher Wirkung, der aus einer Tannhäuser-Aufnahme erst eine Wonne, dann eine Wucht macht. Um diese Durchschlagskraft zu erzielen, benötigt die BellaDonna nicht einmal große Kaliber als Verstärker. Der Wirkungsgrad liegt um die 91 Dezibel, was die ebenso stabil wie feingeistig spielende Box für Besitzer von Röhrenverstärkern ebenso interessant macht wie für Eigner stabiler Transistoramps.
So wie die BellaDonna selbst kann ich auch die Gruppe „Heilung“ nicht in eine Schublade stecken. Wo die Heco lediglich zu groß für ein Schubfach ist, treiben sich Heilung in Sphären rum, in denen es noch nicht mal Möbel gab. Nur Knochen, Felle, Holz und Stein. Heilung fertigt daraus eigene Instrumente, die sich an historischen Vorbildern orientieren.
Inwieweit das historisch korrekt gelingt, mögen Musikethnologen klären, eine tiefe Wirkung auf die Psyche kann ich definitiv attestieren. Wo andere Lautsprecher den Trommeln Körper verleihen, lässt die Heco nicht nur die Größe der Trommel erkennen, sie verrät auch detaillierte Informationen über die Größe und Gewicht des verwendeten Tieres und dessen Habitat. Eine Stunde Heilung mit den BellaDonna bringt dem Kopf genauso viel Linderung wie zwei Stunden Radfahren oder vier Monate auf der Couch eines Seelenklempners.
Nach dieser heilsamen Erfahrung relativiert sich auch die physische Größe der Box wieder. Zwar mag die BellaDonna die unhandlichste Regalbox überhaupt sein. Als Zweiwege-Lautsprecher spielt sie dank ihres frappierend tief reichenden und autoritär geführten Fundaments, einer je nach Gusto wählbaren Abstimmung für den Präsenzbereich und einer äußerst realistisch scheinenden Bühnenausleuchtung auch ausgewachsene Exemplare ihrer Gattung an die Wand.
Info
Lautsprecher Heco BellaDonna
Konzept: 2-Wege-Bassreflex-Kompaktlautsprecher inklusive passender Ständer
Chassis: 20-cm-Papier-Tiefmitteltöner, 30-mm-Hochtöner mit Seidenkalotte
Frequenzbereich: 38 Hz bis 32 kHz
Empfohlene Verstärkerleistung: 50 bis 170 W
Ausführungen: Iced Silver, Sunrise Cherry
Maße (B/H/T): 109/28/47 cm
Gewicht: 35 kg
Garantiezeit: 5 Jahre (bei Registrierung)
Paarpreis: um 5000 €
Kontakt
Magnat Audio-Produkte GmbH
Lise-Meitner-Straße 9
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