Harbeth Super HL5 Plus XD – Gereift
Harbeth pflegt die Evolution, nicht die Revolution. Wie recht sie damit haben, zeigt die neue Super HL5 Plus XD.
In aller Kürze
Die Harbeth ist ein No-Nonsense-Lautsprecher, der einfach gut spielt. Er offenbart gnadenlos die Qualität der angeschlossenen Geräte, klingt aber nie „falsch“. Außerdem so wunderbar zeitlos, dass er immer modern bleiben wird. Preis: ab 5950 Euro.
Gut, bei dem Namen dieses Lautsprechers hätte man bei Harbeth noch ein wenig in sich gehen können, denn ein so schlüssiges Produkt muss doch nicht wirklich so sperrig betitelt daherkommen. Selbst Freunde der ehrwürdigen BBC-Monitore kommen bei der Aneinanderreihung von Kürzeln für die verschiedenen Evolutionsstufen durcheinander. Erklärbar ist dieses Konstrukt allerdings schon, basiert die aktuell erhältliche Version doch auf einem Lautsprecher, der 1977 das Studiolicht der Welt erblickte. Damals war es noch der „HL Monitor“, der mit lediglich zwei Wegen agierte. Diverse Generationen später kam 1999 der Superhochtöner mit dazu, woraufhin die Box in „Super HL5“ umbenannt wurde. Dann kam das „Plus“ und jetzt das „XD“.
„XD“ steht für „Extended Definition“, wie üblich wurde im Detail gefeilt, grundsätzliche Änderungen des Prinzips kommen beim „sturen Schotten“ (Zitat Bernd Hömke) Alan Shaw nicht in Frage. Dann müsste es schon ein komplett neues Modell werden. Wer Shaw und seine Arbeitsweise kennt, wird auch den Schritt zur XD erklären können. In Shaws Entwicklungslabor, einer akustisch optimierten Scheune, steht der jeweils zu verbessernde Lautsprecher immer auf einem drehbaren, mittels Laser präzise ausgerichteten Stativ. Vor diesem das Messmikrofon, im Innern Leere, denn die Weiche steht an des Meisters Seite beim Messequipment. Und zwar so aufgebaut, dass sich durch simples Stecken einzelne Bauteile in Sekundenschnelle tauschen und im direkten Anschluss hören und messen lassen. So eine Konstruktion ist ansonsten noch von FinkTeam bekannt, viele andere Entwickler hören aber nur „fertige“, vollständig zusammengebaute Lautsprecher. So lässt es sich natürlich bestens am Detail feilen, an kleinsten Stellschrauben drehen, bis der Klang wirklich stimmt. Denn das Gedächtnis für neue Klänge währt nur wenige Augenblicke. Wer also etwas in einem neuen Lautsprecher umlötet und nach einer Stunde den Vergleich hört, ist zwangsläufig seiner Fantasie ausgesetzt, vertraut nicht wirklichem Wissen.
Diese Detailversessenheit verdient höchsten Respekt, ist Shaws Weg doch weit dorniger und mühsamer, als einfach nur ein neueres, hipperes, vielleicht besseres, auf jeden Fall aber anderes Chassis einzusetzen. Für den Kunden jedenfalls ist diese Evolution der deutlich gesündere Weg. Denn bei einem neuen Modell reicht es, einmal gründlich zu hören, um für sich entscheiden zu können, ob dieser Schritt das entsprechende Geld wert ist. Der einmal für gut befundene Grundcharakter wird allerdings nicht immer wieder in Frage gestellt.
Das zeigte sich vor Jahren schon bei der Entwicklung eines neuen Materials für die Tiefmitteltöner. Nachdem der legendäre B 110 aus der LS 3/5 nicht mehr erhältlich war, suchten alle Hersteller dieser Ikone ihr Glück bei den bekannten Zulieferern, zumeist wurden es Modelle mit Polypropylenmembran. Das Material war Shaw allerdings zu weich, der Klang zu undifferenziert. Also wurde selbst geforscht und entwickelt, bis schließlich ein sehr hartes, leichtes und steifes Material zur Verfügung stand: „Radial“. Dem Vernehmen nach verstecken sich in der Mischung sogar kleine hohle Glaskügelchen. Die mit dieser Membran gebauten Treiber fertigt Harbeth bis zum heutigen Tag in Handarbeit selbst, was eine plausible Erklärung für die mittlerweile durchaus selbstbewusste Preisentwicklung liefert. Sämtliche Lautsprecher werden in Lindfield nicht nur entwickelt, sondern auch gebaut.
Was genau bei der neuen XD-Weiche gemacht wurde, lässt sich natürlich nicht nachvollziehen, und Mr. Shaw schweigt vorzugsweise. So können wir also nur vermuten, dass das Phasenverhalten verbessert und mit den Übergangsfrequenzen gespielt wurde. Das ist zumindest meine Vermutung. Bei der XD-Version der kleinen P3 ESR soll dem Vernehmen nach die Übergangsfrequenz bis knapp unter vier Kilohertz hochgerutscht sein. Das klappt mit dem deutlich größeren Treiber der Super HL5 Plus XD natürlich nicht. Wäre man dort aber in die gleiche Richtung marschiert, könnte das den definierten, noch aufgeräumteren Stimmbereich erklären.
Womit wir schon beim Hören angekommen wären. Wer „BBC-Monitor“ sagt, muss fast zwangsweise „Stimmen“ sagen, und so wandert zuerst eine wundervolle Aufnahme von Gustav Mahlers Lied von der Erde auf den Plattenteller (Christa Ludwig, René Kollo, Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan, DGG). Die Harbeths stellen René Kollo im ersten Satz, „Trinklied vom Jammer der Erde“, deutlich vor das Orchester, binden ihn dabei allerdings mehr in den Gesamtklang ein als viele andere Lautsprecher, die dazu neigen, solistische Informationen ungebührlich weit nach vorne zu schieben. Gleichzeitig vollbringen sie allerdings das Kunststück, seine Stimme so mühelos definiert und mit so exzellenter Sprachverständlichkeit zu übertragen, dass man gar nicht genau hinhorchen muss, um alles zu verstehen. Jede wichtige Information ist einfach da, ohne zugunsten dieser Klarstellung das Bild zu verzerren. Wunderbar auch die vielen kleinen Details in den Mittelstimmen, die bei Mahler so oft die scheinbar offensichtliche Aussage der führenden Stimmen des Orchesters konterkarieren.
Im „Einsamen Herbst“ singt dann Christa Ludwig. Ihr wunderbar „burgunderroter“ Mezzo ist so unverkennbar wie süchtig machend. Wie herrlich ist es doch, wenn Sänger nicht nur Talent, sondern auch noch ein Verständnis für die zu singenden Inhalte haben. Schnell merkt man, was sie meinte, als sie jungen Sängern riet, dass Karrieren mit dem Kopf und nicht mit der Stimme gemacht würden. Zu schreiben, dass die Harbeths ihre einzigartige Stimme wunderbar präzise darstellen würden, könnte Sie auf den Holzweg technokratischer Klangerzeugung führen. Nein, die Stimme ist da, es ist eindeutig Christa Ludwig, und man lauscht ihrem Vortrag, nicht den Lautsprechern …
Beim Konzert für Orchester von Béla Bartók (Sir Georg Solti, LPO, Decca) kommt eine weitere Qualität der Super HL5 Plus XD zum Tragen, mit der uns schon die kleine P3 ESR begeisterte: Wenn Wechsel vom ganzen Orchester zu einsamen Soli kommen (Anfang erster Satz, Streicher und Flöte) werden diese Solisten oft auch dank der etwas veränderten Mischung größer dargestellt. Es wirkt letztlich also so, als würde man beim Blick auf das Orchester ständig rein- und rauszoomen. Bei der Harbeth bleibt die Perspektive erhalten, was zuerst etwas verwundert, erwartet man doch aus guter (oder schlechter?) Gewohnheit einen größeren Solisten zwischen den Boxen. Kompliment.
Aus traurigem Anlass wandern in wilder Folge CDs und LPs von Chick Corea auf und in die Laufwerke. Verblüffend, wie locker die Britin hier feine rhythmische Strukturen aufdröselt und feinsten Informationen folgt. Allgemein gelten solche Anforderungen nicht als die Kernkompetenzen der BBC-Derivate, die mit weicheren Membranen und schwingenden Gehäusen eher dem natürlichen Klang denn der akustischen Lupe auf der Spur sind. Hier aber werden auch feinste Timing-Änderungen von Steve Gadd mühelos hörbar, die klangliche Vielfalt seiner unnachahmlichen Gracenotes auf der Snare sowieso. Erwähnenswert ist auch noch, dass die Super HL5 für einen so großen, mit komplexer Weiche ausgestatteten Lautsprecher erstaunlich gut am Gas hängt. Gerne würde ich sie mal an einer kleinen, feinen Röhre von Audio Note hören.
Und bevor jetzt ein falscher Eindruck entsteht: Ja, man kann mit der Harbeth auch andere Musik als Klassik oder Jazz hören. Selbst sehr extrem abgemischte, rein elektronische Produktionen funktionieren hier gut, allerdings nehmen sich die britischen Schlichtheiten prinzipiell so sehr zurück, dass der Effekt etwas zu kurz kommt, was man bei dieser Musik vermissen mag. Waren jedoch hörbar Menschen und analoge Instrumente am Start, gibt es weit und breit nur Anderes, kaum aber Besseres.
Info
Lautsprecher Harbeth Super HL5 Plus XD
Konzept: 3-Wege-Standlautsprecher, Bassreflex
Bestückung: 200-cm-Tiefmitteltöner mit Harbeth-„Radial“-Polymerkonus und -Korb; Hochtöner 25-mm-Aluminiumkalotte, Ferrofluid-gekühlt; Superhochtöner mit akustischer Streulinse und Neodym-Magnet, 20-mm-Titankalotte
Frequenzbereich: 40 Hz bis 24 kHz
Empfindlichkeit: 87 dB (1 W/1 m)
Empfohlene Verstärkerleistung: 25 bis 150 W
Nennimpedanz: 8 Ω
Terminal: Bi-Wiring
Ausführungen: Kirsche, Walnuss, Palisander
Maße (B/H/T): 64/32/30 cm
Gewicht: 17 kg
Garantiezeit: 4 Jahre
Preis: um 5950 € (Kirsche, Walnuss), um 6100 € (Palisander)
Kontakt
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HiFi-Vertrieb Bernd Hömke
Ofeld 15
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