Gidon Kremer, Kremerata Baltica – Mieczyslaw Weinberg: Werke
Das große Verdienst Gidon Kremers ist es, unermüdlich für vergessene Komponisten Osteuropas einzutreten: aktuell eine Doppel-CD mit Werken Mieczyslaw Weinbergs, die Kremer mit seiner Kremerata Baltica eingespielt hat. Weinberg, geboren 1919 in Warschau, führte ein von Verfolgung, Flucht und Existenzangst geprägtes Leben. Die Familie wurde während des Holocausts ermordet; er floh als einziger Überlebender über Minsk nach Moskau, um dort weiterhin antisemitischen Attacken, diesmal durch Stalin, ausgesetzt zu sein. Dies erklärt auch die Ambivalenz seiner Werke, die gerade in der Zeit der 50er Jahre sich dem volkstümlichen Geist des verordneten sozialistischen Realismus anpassen, dabei aber mit einer stets unergründlichen Melancholie alles Optimistische im Sinne der herrschenden Ideologie subtil verweigern. Nach dem Tod Stalins und einer Beruhigung seiner Lebensumstände betritt Weinberg experimentellere musikalische Wege. Insbesondere in seiner Zehnten Sinfonie von 1968 schlägt er den Bogen über Zwölftonreihen und tonal nicht mehr verortbare Streicherglissandi bis hin zu clusterähnlichen Klangballungen. Hier befreit sich die zuvor zwanghaft unter Verschluss gehaltene kompositorische Kraft Weinbergs geradezu explosionsartig. Höhepunkt ist die über zwanzigminütige Solosonate für Violine, die Weinberg 1979 in Erinnerung an seinen Vater komponiert hat. Auf ein einziges Instrument wird hier ein biographisches Schicksal übertragen und so intensiv zum Ausdruck gebracht, dass es einem schier den Atem verschlägt.