Giada Bucci – geniale Grenzgänge
Warum das Jazzprojekt „Blue di Giada“ von Giada Bucci ein Muss für audiophile Musikfreunde ist.
Zu Glück bin ich des Italienischen leidlich mächtig. Sonst wäre ich nie auf die Meranerin Giada Bucci und ihr sommerlich swingendes Album Nude (Alman Music) gestoßen. Und da wäre mir etwas sehr Feines entgangen. Obwohl ich vergleichsweise viel Zeit meines Lebens im Gebiet zwischen Brenner und Gardasee verbringe, hatte ich die Opernsängerin, die seit ihrer Studienzeit mit dem Jazz flirtet, bis dato nicht auf dem Schirm. Für einen Opern- und Jazzfan eigentlich unverzeihlich.
Die Erleuchtung kam durch eines jener auch hierzulande oft ungefragt in den Postkasten gestopften Eventmagazine, das im Foyer meines Hotels herumlag. Dort las ich eine italienischsprachige Rezension zu Nude, die recht euphorisch ausgefallen war – und beschloss, mir den Silberling zu besorgen. Was gar nicht so einfach war, denn Giada Bucci setzt auf Direktvertrieb per Internet. Die Bestellung via Webshop (www.ibs.it/nude-cd-blue-di-giada/e/8056479411542) glückte gleichwohl für wohlfeile 12,50 Euro plus Versand, und die in nobler Papphülle verpackte CD war eher daheim als ich.
Den Kollegen eines US-amerikanischen High-End-Magazins gefiel diese Scheibe auch klanglich so gut, dass sie sie zur „CD des Monats“ machten und um ein paar Tracks gekürzt ihrer Printausgabe beigaben. Ein nachvollziehbarer Schritt: Auch bei mir dient Nude mittlerweile als Test-CD, um Auflösungsvermögen und Natürlichkeit der Stimmwiedergabe auf die Probe zu stellen.
Die Südtiroler Sopranistin Giada Bucci studierte am Konservatorium von Vicenza und widmete sich anschließend intensiv dem Belcanto, wobei sie auch bei Startenor Luciano Pavarotti „in die Schule“ ging. Vokale Präsenz und Präzision sind auch die wichtigsten Stützpfeiler, auf denen die ebenso dichten wie intelligenten Arrangements des Nude-Albums stehen. Eine Produktion, mit der Giada Bucci, die sich daheim in Italien für Frauenrechte stark macht, in bewusst ungewöhnlicher Weise auf große Frauenpersönlichkeiten der Opernliteratur aufmerksam machen will.
Da wird aus Puccinis tragischer Diva Floria Tosca eine laszive Clubkatze mit gefährlichen Krallen; selbst Henry Purcells „Music for a While“ übersetzen Giada Bucci und ihr ebenso vielköpfiges wie inspiriertes Ensemble in ein gelassenes, aber nie beliebiges Jazz-Stück mit zwingender Basslinie und überraschenden Synkopen. Selbst durch Madame Butterfly weht bei diesem klugen Konzept ein Hauch von Buena Vista Social Club.
Und weil Giada Bucci sich nicht scheut, zwischendurch dem Jazz-Korsett zu entkommen und sinntragende Schnipsel der ursprünglichen Opernarien im Original einzuschieben, wobei ihr die gesunde Substanz ihres wandlungsfähigen Mezzosoprans zugute kommt, darf man hier durchaus von Traditionspflege der etwas anderen Art sprechen. Kitschfrei, fernab von jeder Tümelei und vor allem ohne den Pathos-Überschuss, der es selbst zeitlosen Opernmelodien in der Gegenwart schwer macht, ein Publikum zu finden. Nude spricht sie alle an, die eingefleischten Opernfans, sofern sie noch nicht im Dogma erstarrt sind, die Jazzfreunde, die hier eingängig ohrwurmige Miniaturen im besten Jobim-Stil serviert bekommen, und sogar die Clubgänger und Chill-out-Lounge-Gäste.
Nicht zuletzt verführt Nude mit einer Klangqualität, nach der man selbst bei den großen Jazzlabels lange suchen kann. Besser als auf dieser CD kann man Giada Bucci und ihre Band eigentlich nur im Club genießen. Nicht die schlechteste Ausrede für einen Trip nach Meran …