Fyne Audio Vintage Five
Rund ein Vierteljahrhundert hat Dr. Paul Mills Lautsprecher für Tannoy entwickelt, seit einigen Jahren übt er diesen Job bei Fyne Audio aus. Die schottische Marke kann die Wurzeln ihres Entwicklers weder optisch noch technisch verhehlen. Der jüngste Spross der Vintage-Serie und die erste Kompaktbox der Reihe ist die Fyne Audio Vintage Five.
In aller Kürze:
Die in Schottland entwickelte und hergestellte Fyne Audio Vintage Five ermöglicht ein tiefes Eintauchen in die jeweilige Aufnahme und punktet mit intelligenten Detaillösungen.
Die den Chassisradius beschreibende Zahl Fünf im Namen weckt darüber hinaus Erinnerungen an beste britische Monitorlautsprecher, auch wenn Fyne Audio selbstverständlich einen koaxial aufgebauten Treiber einsetzt. Gehört die kleine Schottin also eher ins Studio oder doch ins Wohnzimmer?
— Volumen und Abmessungen zeigen es schon an: Besonders groß muss und sollte der Hörraum für die Vintage Five nicht sein. Gut sechs Kilogramm Lebendgewicht pro Lautsprecher sind im Gegenzug absolut rückenfreundlich. Ich habe das kompakte Paar auf Ständern in Ohrhöhe positioniert und leicht auf den Hörplatz eingewinkelt. Im Boden der Box befindet sich übrigens auch ein Gewinde für die Montage auf einem entsprechenden Ständer.
Das Gehäuse aus gebogenem Birkenmultiplex wird mit Walnussfurnier veredelt. Die magnetische Frontbespannung gibt dem Lautsprecher eine etwas modernere Anmutung, wenn man es denn möchte. Dahinter verbirgt sich der „IsoFlare“ genannte Koaxialtreiber. Der fünf Zoll große Tiefmitteltöner hat eine faserverstärkte Papiermembran mit unsymmetrisch strukturierter Sicke. Die soll Verfärbungen verhindern und Bewegungsenergie aufnehmen und hat auch einen Namen bekommen: FyneFlute-Technologie. Der in der Mitte der Membran angeordnete Hochtöner ist mit einer Titankalotte bestückt, die durch einen belüfteten Neodym-Magneten angetrieben wird. Dessen untere Resonanzfrequenz liegt unterhalb der Trennfrequenz von 1,9 Kilohertz. Bis über den menschlichen Hörbereich hinaus bricht die Membran nicht auf und bleibt so ausgewogen. Gehalten werden beide Treiber von einem stabilen Aluminiumdruckguss-Chassis. Der leicht nach hinten versetzte Hochtöner schickt seine Signale durch einen Waveguide, der ebenfalls auf eine gleichmäßige Frequenzwiedergabe ausgelegt ist.
Wie schon bei Tannoy ist auch jede Weiche der Vintage-Serie einmal bei unter minus 150 Grad tiefgefroren worden, also kryogenisiert. Dadurch sollen kleinste Materialspannungen in den Bauteilen, den Lötstellen und in der versilberten Kupferverkabelung minimiert werden. Einen Vergleich zu einer nicht kryogenisierten Weiche habe ich in diesem Falle allerdings nicht. Alle Bauteile der Weiche sind Punkt-zu-Punkt-verdrahtet und auf einer vibrationshemmenden Plattform angebracht. Der Hochtöner wird dabei sanft mit einem Hochpass 1. Ordnung ausgeblendet, der Tieftöner wird nach oben hin mit 12 Dezibel/Oktave (2. Ordnung) etwas steilflankiger abgegrenzt. Das lässt insgesamt auf eine hohe Phasengenauigkeit schließen.
„Brothers In Arms“ steigt erst so richtig nach dem langen, flächigen Intro mit sanfter Hi-Hat und dann dem gesamten Schlagzeug ein. Ein Dire-Straits-Stück, das ich immer wieder gerne für erste Hörerfahrungen mit Lautsprechern heranziehe. Mark Knopflers Stimme klingt ausgewogen, natürlich und wird stabil in der Stereomitte platziert. Dabei steht sie ein Stück weit hinter dem vorderen Bühnenrand und ist gleichzeitig gut an dieser Position verortbar. Ich höre in gehobener Zimmerlautstärke. Der Bass spielt definiert auf. Ich kann die auf den Stahlsaiten von John Illsley gespielten Töne klar identifizieren. Nichts wird künstlich aufgedickt oder schwammig durchgewunken. Spüre ich die physische Energie des aufgenommenen Bassverstärkers im Hörsessel? Natürlich nicht! Aus etwa 17 Litern Gehäusevolumen können keine Bassgewitter kommen – das erwartet aber auch keiner. Trotzdem klingt die Vintage Five durchaus komplett. Das ändert sich ein wenig bei abnehmender Lautstärke, da ist das Adjektiv „schlank“ durchaus passend. Die Details im Hochtonbereich sind allerdings auch dann noch auffallend gut nachzuvollziehen. Knopflers Röhrenamp ist mit einem leichten Raum versehen, und auch das Grundrauschen des Gitarrenverstärkers kann ich hören. Diese subtilen Informationen sorgen für ein sehr transparentes Klangbild und eine subjektiv dreidimensionale Darstellung der Aufnahme.
Die 87 Dezibel Wirkungsgrad der kleinen Schottin machen den Betrieb an einer guten Röhre möglich, in meinen Hörsitzungen habe ich aber auch mit einer kraftvollen Transistorendstufe gearbeitet. Der Unterschied ist hier vor allem im Bassbereich zu hören. Mit der Röhre ist er tatsächlich ein wenig fülliger in den unteren Mitten und damit mächtiger in der subjektiven Wahrnehmung des Bassbereichs. Definierter, exakter und auch knackiger kommt der Tiefton jedoch an einer Transistorendstufe. Beides geht und ist Geschmackssache. Interessant ist dabei, wie genau die Vintage Five die Charakteristika der angeschlossenen Verstärker zeigt!
Wesentlich mehr „Wumms“ als die klassische Dire-Straits-Platte hat der Franzose Kavinski auf sein 2022er Album Reborn gebannt. Die Exaktheit, mit der die Fyne Audio die impulsiven elektronischen Basslinien nachzeichnet, hat klare Studioqualität. Ich könnte mir durchaus vorstellen, auf den Fünfern ein Stück abzumischen. „Renegade“ läuft. Der grundsätzlich andere Klangcharakter dieser Aufnahme im Vergleich zu den Dire Straits kommt nun voll zur Geltung. Ich kann den leicht warmen, elektronischen Charakter gut heraushören. Das liegt vor allem auch an der guten und klaren Darstellung von Stimmen. Immer einen Tick hinter der Verbindungslinie zwischen beiden Lautsprechern schält sich das vokale Geschehen aus dem instrumentalen Fundament heraus, egal wie komplex es sein mag.
Ich möchte einmal den wohlgeformten und haptisch hochwertigen Presence-Regler an der Vorderseite antesten. Hier können Sie den Frequenzbereich zwischen 2,5 und 5 Kilohertz um maximal 3 Dezibel anheben oder absenken. Vollständig analog versteht sich. Dadurch ist eine Anpassung an unterschiedliche Raumakustikverhältnisse ein Stück weit umsetzbar. Hörbar werden die Änderungen vor allem bei akustischen Instrumenten und kleinen Besetzungen. Ein sinnvolles Feature. Ein weiteres Feature ist die Erdungsbuchse am Lautsprecherterminal. Ich verbinde sie mit der Masseklemme des Verstärkers. Gitarrist und Sänger John Mayer darf einmal mehr „Wild Blue“ intonieren. Diese klanglich eher warm gemischte Platte überzeugt über die Vintage Five mit den bereits angesprochenen Vorzügen bei Stimme und auch Gitarre. Jetzt verbinde ich die Erdungskabel. Die tonale Balance rutscht ein wenig weiter runter, will sagen, der Bassbereich profitiert davon. Die Akkuratesse bleibt, das Fundament wirkt aber noch eine Spur stabiler. Gleichzeitig wird die vorher sehr weit aufgespannte Bühne ein wenig kompakter und orientiert sich mehr in Richtung Mitte des Stereobildes. Für meinen Geschmack ist das die komplettere Variante. Es handelt sich aber nach wie vor um Nuancen.
Wenn ich den Lautsprecher im Raum ein wenig alternativ positioniere, ändert das übrigens so gut wie nichts an der Basswiedergabe. Das liegt meines Erachtens am smarten Bassreflexsystem, das sich das Team um Dr. Paul Mills hat einfallen lassen. Der Name „BassTrax“ beschreibt ein aus dem Gehäuse nach unten und dann rundum abstrahlendes System, das eine möglichst homogene Verteilung der Bassenergie im Raum ermöglichen soll. Da die Bodenplatte und damit der Abstand zur eigentlichen Reflexöffnung fix ist und kein Rohr nach vorne oder hinten „bläst“, ist die Vintage Five recht aufstellungsunkritisch, was den Tieftonbereich angeht. Auf der Basisplatte befindet sich zusätzlich ein nach oben gezogener Konus (Traktrix-Form), der die Tieftonenergie ohne problematische Reflexionen nach außen ableitet. Funktioniert!
Abschließend darf Coleman Hawkins sein Saxofon im Van Gelder Studio herausholen. Die Balance zwischen Hauptinstrument, Gitarre, Klavier, Bass und Schlagzeug ist perfekt. Vor allem die Becken sind so eine Paradedisziplin der kompakten Schotten. Die strahlen, ohne zu blenden – und nochmals kann die räumliche Staffelung überzeugen. Im Stück „I’ll Never Be The Same“ darf gut zur Hälfte Kenny Burrell an der Gitarre das Zepter übernehmen, bevor Ronnell Bright das Klavier beschwingt in den musikalischen Dialog einbringt. Zeit zum entspannten Hören und Entdecken!
Die Fyne Audio Vintage Five ist ein handwerklich hochwertig gemachter Kompaktlautsprecher mit offener und räumlicher Wiedergabe, die in Richtung eines klassischen Monitorlautsprechers tendiert. Mit kleinen, pfiffigen Details (Erdungsklemme, asymmetrische Sicke, Traktrix-Element in der Bassreflexeinheit) bleibt die Fyne Audio Vintage Five ihren Genen treu und bringt trotzdem eine Menge Eigenständigkeit mit.
Info
Lautsprecher Fyne Audio Vintage Five
Konzept: kompakter 2-Wege-Koaxiallautsprecher mit 360°-Bassreflexsystem
Wirkungsgrad: 87 dB (2,83 V @ 1 m)
Impedanz: 8 Ω
Frequenzgang (−6 dB im Raum): 46 Hz bis 38 kHz
Besonderheiten: IsoFlare-Koaxialtreiber, Presence-Regler, BassTrax-Reflexsystem mit Traktrix-Konus als Diffusor, Erdungsklemme am Lautsprecherterminal, kryogenisierte Weiche
Eingänge: je ein Paar Lautsprecheranschlüsse
Ausführung: Walnuss-Echtholzfurnier auf Birkenmultiplexgehäuse
Maße (B/H/T): 22/35/26 cm
Gewicht: 6,2 kg
Paarpreis: um 4500 €
Kontakt
TAD Audiovertrieb
Rosenheimer Straße 33
83229 Aschau im Chiemgau
Telefon +49 8052 9573273
hifi@tad-audiovertrieb.de
Mitspieler
Plattenspieler: Elac Miracord 70 mit AT-PTG33/II, Rega Planar 3
Phonovorverstärker: Luxman E-250
CD-Player/Wandler: Luxman D-N150, Audiolab 8200 CDQ
Vorverstärker: Audiolab 8200 CDQ
Vollverstärker: Luxman SQ-N150
Endverstärker: Audiolab 8200 P
Lautsprecher: Klipsch Heresy IV
Kabel: Ecosse, Tara Labs, HMS, Furutech, Supra