Frank Zappa – Apostrophe (’)
1969 hatte Frank Zappa seine Band, die Mothers of Invention, erstmals aufgelöst. Seitdem arbeitete er im Studio mit wechselnden Musikern und ausgewählten Gästen.
Im Lauf der Jahre entwickelte er sich zum absoluten Studio-Freak, der nicht nur scheinbar jeden Ton, der unter seiner Leitung gespielt wurde, festgehalten und dokumentiert hat, sondern auch Konversationen und Geräusche aufzeichnete, um sie wiederzuverwerten. Zappa arbeitete viel mit Multitrack und Overdubbing, übernahm zum Beispiel Live-Spuren aus einem Konzertmitschnitt und hat sie dann im Studio ergänzt. Zu seinen Lebzeiten veröffentlichte er 62 Alben. Aber noch heute erscheinen unbekannte Juwelen aus Zappas gewaltigem Musik- und Klangarchiv. Auch die Aufnahmen für Apostrophe (’) hat Zappa quasi zusammengestückelt.
Das Gros der Songs entstand 1972 (Seite 2) und 1973 (Seite 1) zusammen mit den Musikern seiner damaligen Live-Formationen. Insgesamt hört man auf dem Album fünf verschiedene Bassisten (Zappa mitgerechnet) und vier verschiedene Schlagzeuger, außerdem vier Bläser, zwei Geiger und zehn verschiedene vokale Begleitstimmen (darunter angeblich auch Tina Turner).
Das Album Apostrophe (’) gilt als Zappas „absolutes Meisterstück“. Es sei „erschreckend abstrakt, schwindelerregend schlau und extrem albern“, so der Zappa-Exeget Ben Watson, der sogar eine tiefenpsychologische Analyse der Songtexte geliefert hat – mit Rekurs auf Shakespeare, Freud, Platon und Adorno. Auch ohne Zappas Sexual- und Fäkal-Wortspiele immer zu verstehen, kann man an den Lyrics aber Freude haben. Seine satirische Kritik an Religion, Esoterik und Rassismus hat zündenden Biss. Zappas pointierter Sprechgesang wird dabei durch instrumentale Breaks, Bläserriffs, Chorstimmen, Motivzitate oder Refrains ständig kommentiert und illustriert – das hat etwas von einer rasanten musikalischen Hörspiel-Collage. Neben Zappas verzwirbelt virtuoser Gitarre glänzen besonders die jazzig-bluesigen Zutaten des Keyboarders George Duke, die komplex komponierten Einwürfe der Marimbaspielerin Ruth Underwood und die jazzrockig nervösen Beiträge der Schlagzeuger.
Trotz der knappen Spiellänge von unter 33 Minuten war Apostrophe (’) Zappas erfolgreichstes Album und erreichte Platz 10 in den amerikanischen Billboard-Charts. Die Auskopplung Don’t Eat The Yellow Snow war seine erste Single in den Top 100.
Aufnahme: 1969 bis 1974
Veröffentlichung: März 1974
Label: DiscReet
Produktion: Frank Zappa
Titel
Seite A
- Don’t Eat The Yellow Snow 2:06
- Nanook Rubs It 4:38
- St. Alphonzo’s Pancake Breakfast 1:50
- Father O’Blivion 2:18
- Cosmik Debris 4:16
Seite B
- Excentrifugal Forz 1:31
- Apostrophe 5:52
- Uncle Remus 2:44
- Stink Foot 6:37
Musiker
Frank Zappa – Gesang, Gitarre u. a.
George Duke – Piano, E-Piano, Synthesizer
Ruth Underwood – Percussion (v. a. Marimba)
Tom Fowler – Bass
Ralph Humphrey – Schlagzeug
Ainsley Dunbar – Schlagzeug
u.v.a. & Background-Sängerinnen und -Sänger
- Die ersten vier Songs bilden eine groteske kleine „Suite“ von rund 11 Minuten Länge mit einer schrägen, sprunghaften „Story“. Die Stile, Tempi und Metren wechseln rasch und häufig, die musikalische Ereignisdichte ist hoch. In „St. Alfonzo’s Pancake Breakfast“, einer skurrilen Song-Miniatur, hat Zappa außerdem sein Stück „Rollo“ mit verarbeitet.
- Die Single-Auskopplung Don’t Eat The Yellow Snow (3:34) ist tatsächlich ein Zusammenschnitt aus den ersten drei Songs (0:46/2:40 /0:08).
- „Cosmik Debris“, die B-Seite der Single, hat ein langsames, bluesiges Feeling (ähnlich wie „Nanook Rubs It“ und „Stink Foot“) und eine rockende Coda (ab 3:02). Zappa spricht hier mit Grabesstimme und spielt ein tolles Gitarrensolo (2:00 bis 2:40).
- Das Titelstück „Apostrophe“ ist die große Ausnahme auf diesem Album: eine jazzrockige Instrumentalnummer mit einer ganz anderen Besetzung. Zappa jammt zusammen mit Jack Bruce (Bass), Jim Gordon (Drums) und Tony Duran (zweite Gitarre). Das Thema ist kurz, der Sound eine Hommage an Cream. Zappa ist der Hauptsolist (1:20 bis 3:22), aber Bruce hat das erste Solo am Fuzz-Bass. Beide haben später eher abfällig übereinander gesprochen – Bruce wollte sich an die Aufnahme gar nicht mehr erinnern.
- „Uncle Remus“ mit seinen Jazz- und Gospel-Anklängen stammt vom Keyboarder George Duke. Zappa gefiel das Stück so gut, dass er dazu einen Text schrieb – es ist eine Art Statusbericht zum Thema Rassismus in den USA 1974: „Have you seen us, Uncle Remus?“
- Das längste Stück des Albums ist „Stink Foot“, geprägt vom bluesigen E-Piano und den knödeligen Gitarren-Einsprengseln. Zappa spielt hier auch ein längeres Solo (2:17 bis 3:52) mit interessanten Doppelkanal-Effekten.
- Studio-Überreste der Produktion erschienen 2016 unter dem Albumtitel The Crux Of The Biscuit. Der Titel bezieht sich auf eine Schlüsselstelle in den Songtexten: „It should be easy to see / The crux of the biscuit is the apostrophe“ (aus: „Stink Foot“).
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