Alte Freunde
Wenn sich alte Freunde einen Herzenswunsch erfüllen, kann das Ergebnis nur besonders sein: PS Audio Aspen FR30.
In aller Kürze
Mit der PS Audio Aspen FR30 ist den Entwicklern um Paul McGowan eine erstaunliche Balance zwischen studiotauglicher Präzision und höchst genussvollem Musikhören gelungen. Der Lautsprecher spielt in puncto Ausgewogenheit und Detailfreude auf einem Niveau, das man selbst in dieser Preisklasse nur selten antrifft.
Ein Lautsprecher? Von PS Audio? Das sind doch die mit Netzfiltern und Verstärkern, oder nicht? So ähnlich habe ich das in letzter Zeit öfter gehört, wenn ich erzählte, dass ich mich in Kürze der Aspen FR30, dem neuen Lautsprecher von PS Audio, widmen würde. Auf den ersten Blick und bei der aktuellen Firmengeschichte auch auf den zweiten stimmt das wohl und man mag zu diesen Schlüssen kommen. Gräbt man aber tiefer (oder ist älter), merkt man schnell, dass Paul McGowan, Gründer und Mastermind von PS Audio, in Sachen Lautsprecher nun wirklich kein unbeschriebenes Blatt ist. Wer kennt noch Genesis Audio? Eben!
McGowans alter Freund aus diesen Zeiten, der amerikanische Lautsprecher-Guru Arnie Nudell, dem die Hifi-Welt unter anderem die Infinity Kappa in diversen Inkarnationen und Größen verdankt, äußerte vor ein paar Jahren den Wunsch, noch einmal das Thema Lautsprecher in Angriff zu nehmen. Seine alten Geschöpfe gefielen Nudell zwar immer noch, allerdings träumte er davon, wie viel weiter er mit seinen Ideen bei den Möglichkeiten heutiger Entwicklung und Materialforschung kommen könnte. Nudell hatte die Ideen, Paul McGowan eine High-End-Schmiede – und so bekam der Gedanke Flügel. Es ist ein Drama, dass Arnie Nudell die Fertigstellung seiner Aspen FR30 nicht mehr erlebte, er starb vor wenigen Jahren und konnte seinen letzten Lautsprecher nicht mehr vollenden.
Gesucht und gefunden …
Paul McGowan wollte Nudells Vermächtnis nicht halbfertig im Labor einstauben lassen, machte sich auf die Suche und fand in Chris Brunhaver einen Lautsprecherfanatiker, der, gerade einmal Mitte der Dreißiger, nicht nur über profundes Wissen verfügt, sondern in seiner prinzipiellen Sicht auf Lautsprecher eine verblüffend große Schnittmenge zu Arnie Nudell zeigt. Wer alt genug ist und die ebenso begehrenswerten wie unerreichbaren Genesis-Lautsprecher kennt, wundert sich nicht über die Treiberbestückung, wohl aber über die grundsätzliche Form des Lautsprechers.
Traditionell waren diese Boxen unten immer massiver als oben, wohin sie sich oftmals verjüngten. Bei der Aspen FR30 sieht es genau gegenteilig aus: Auf einem vergleichsweise filigranen Fuß ruht der Lautsprecherkörper, der an seiner Unterseite schlank abgerundet daherkommt, nach oben hin allerdings massiv bleibt. Eine solche Formensprache darf man bei Arnie Nudell, dessen Kreationen bisweilen Surfbrettern ähnelten, getrost als revolutionär bezeichnen. Bei den Treibern ist die Überraschung indes klein: Mittel- und Hochton werden von Bändchen versorgt, auf der Rückseite sorgt ein fein justierbarer weiterer Hochtöner für Atmosphäre.
Zu Gast bei HiFi2die4
FIDELITY-Kollege Carsten Barnbeck und ich konnten uns bei der Vorbereitung auf die neue FR30 von PS Audio entspannt zurücklehnen, denn wir hörten diesen Superlautsprecher im angemessenen PS-Audio-Ambiente beim deutschen Vertrieb HiFi 2 die 4. Dessen Chef Jürgen Sachweh hatte sich im Vorfeld dieses besonderen Hörtests, bei dem für uns unter anderem ganz viel Klassik-Genuss auf dem Programm stand, mit einigen Fachleuten um die möglichst perfekte Positionierung der FR30 im Raum bemüht, was bei einem Lautsprecher, der schon ab 28 Hertz die Luft kräftig in Bewegung setzt, nie und nimmer ein einfaches Unterfangen darstellt. Hier kann es bei Aufstellungs-Nachlässigkeiten unangenehm wummern und knallen, ehe das Optimum gefunden ist. Wir erleben das Dilemma oft genug in unseren Hörräumen und waren daher froh, dass uns hier einige knifflige Arbeit abgenommen wurde. Dass wir bei HiFi 2 die 4 wie lange vermisste Familienmitglieder begrüßt und mit ausgesucht guten Hörbeispielen verwöhnt wurden, machte das Ausnahme-Erlebnis komplett.
Von Topgeräten der anderen Marken des Vertriebsportfolios – PS Audio (Verstärker), MSB Technology (Wandler und Streamer) und Kronos (Analoglaufwerk) – erstklassig versorgt, konnten die PS Audio Aspen FR 30 ungestört zeigen, wozu sie in der Lage sind. Und das ist in der Tat beeindruckend und toppt in der Preisklasse dieser Schallwandler und auch weit darüber hinaus so ziemlich alles, was uns bisher untergekommen ist. Auf Anhieb hätten Carsten Barnbeck und ich die Aspen FR30 bei etwa dem Doppelten des aufgerufenen Preises verortet. Denn dieser Lautsprecher spielt in der Liga der absoluten Superboxen, in der die (Höhen-)Luft schon dünn wird.
Entspannen mit der FR30
Zuerst fiel uns beiden die unglaublich entspannte Gangart auf. Wobei diese Formulierung nichts mit Langsamkeit zu tun hat. Jeder Impuls, ob laut, leise, hoch oder tief, wurde mit exakt gleicher Mühelosigkeit in den Raum gestellt. Hier wird die Handschrift Arnie Nudells überdeutlich, dessen letzte Werke unbändige Kraft mit höchster Differenzierungskunst in Einklang brachten: Die späten Reference Standards ließen sich mit Musik fast jeden Genres „füttern“ und stellten sie stets überzeugend und völlig souverän in den Raum. Exemplarisch gut gelingt der Aspen FR30 etwa die Differenzierung in der Höhe: Bei Mozarts Entführung aus dem Serail (HMF, René Jacobs, Akademie für Alte Musik) hört man die Stimmen der Sänger deutlich über dem Orchester, das sich weit im Teldex Studio in Berlin ausbreitet. Dabei fällt auch die Trennung zwischen Stimmen und Ensemble erstaunlich leicht, obwohl nichts klingt, als sei es mit dem Skalpell filetiert worden.
Dieses Kunststück funktioniert auch mit ausufernden Orchestermassen wie in Gustav Mahlers Achter Symphonie (San Francisco Symphony Orchestra, Michael Tilson Thomas), die von der Aspen FR30 in Breite und Tiefe sorgsam gestaffelt werden, ohne auseinander zu fallen. Die frappante Räumlichkeit geht zu keiner Zeit auf Kosten der tonalen Homogenität.
Die FR30 braucht Power
Zudem ist die Aspen FR30 wie praktisch jede Nudell-Erfindung ungemein standfest und belastungsfähig. Eine ausreichend kraftvolle Endstufe vorausgesetzt, knallt sie harte, laute Impulse, wie sie unter anderem im Independent-Pop der Band „London Grammar“ vorkommen, dermaßen ansatzlos und wuchtig in den Raum, dass selbst derjenige zusammenzuckt, der diese Musik wirklich gut kennt. Keine Schwammigkeit, kein Zeichen von Überforderung. Eine PA-Box für große Säle könnte es auch nicht besser.
Mit Sängerinnen geht die Aspen FR30 maximal behutsam um: Das Debut-Purcell-Recital „The Cares of Lovers“ (Linn Records) der jungen britischen Sopranistin Rowan Pierce strotzt förmlich vor Klangfarben und delikaten Phrasierungs-Details und lässt mehr als ahnen, warum Pierce inzwischen als legitime Nachfolgerin der Barock-Spezialistin Emma Kirkby gehandelt wird. Damit präsentierte sich die Aspen FR30 als einer der wirklich ganz seltenen Lautsprecher ohne Vorlieben.
In dem Raum, den uns der deutsche Vertrieb für die Hörsitzung vorbereitet hatte, verkniff sich die Aspen FR30 eine Platzierung der Schallereignisse auf dem Millimeterpapier. Ich vermute, dass der hintere Hochtöner eine kleine Aura um jedes Schallereignis bildet und es so nicht weniger körperhaft, gleichzeitig aber deutlich genussvoller präsentiert.
Am Anfang war ein Tweeter
Arnie Nudell wollte es eben noch einmal wissen und Paul McGowan ist ebenfalls nicht dafür bekannt, Althergebrachtes aus den Regalen zu fischen. So blieb bei der Entwicklung der Aspen FR30 kein Stein auf dem anderen, bereits bestehende Lautsprecherkonzepte wurden hinterfragt und neu gedacht. Konkret bedeutet das in diesem Fall, dass sämtliche Treiber von Grund auf neu und selbst entwickelt wurden, lediglich die Serienproduktion gab man letztlich in kompetente Hände.
Mit dem Hochtöner fing alles an. Denn hier merkten die Entwickler sehr schnell, dass ihnen der Markt nichts bot, womit Schnelligkeit, Kompressionsarmut und Verfärbungsarmut in gleichem Maße vereint werden konnten. Letztlich suchten sie die Schnelligkeit eines Elektrostaten, verbunden mit der griffigen Dynamik einer Kalotte. Nicht dass ich diesen Wunsch noch nie zuvor gehört hätte … Für Arnie Nudell lag der Weg dorthin in einem Bändchen, wie er es schon in den späten Neunzigern in der Infinity Reference Standard eingesetzt hatte, das er nun allerdings dank neuer Folien und besserer Magnete sowie präziserer Fertigungsmethoden auf die Spitze treiben konnte. Nach gleichen Vorgaben wurde ein in der Diagonalen zehn Zoll messender Mitteltöner geschaffen, der die gleichen Qualitäten in tiefere Frequenzbereiche ziehen soll.
Neuer Bass
Das Problem einer solchen Konstruktion ist immer der Tiefton. So schön die luftigen, schwerelosen und unfassbar schnellen Höhen und Mitten auch wirken mögen – was bringt das alles, wenn der Tiefton hinterher humpelt und das Klangbild entgleisen lässt? In der Regel wird versucht, der Problematik mittels eines aktiven Basses Herr zu werden, hier entschied man sich allerdings für einen anderen Ansatz. Da die einzelnen Treiber nicht Zeit mit zu viel Hub verschwenden sollen, sitzen vier ebenfalls neu entwickelte und mit kapitalen Antrieben ausgestattete Tieftöner in jeder Box.
Zwanzig Zentimeter Durchmesser stellte sich den Entwicklern als guter Kompromiss aus ausreichend wenig Membrangewicht und genügend bewegter Luft dar. Allein der Antrieb eines jeden Chassis bringt über sechs Kilogramm auf die Waage. Womit klar ist, dass Kompromisse nicht unbedingt der Weg von Nudell, Brunhaver und McGowan waren und sind. Um ihnen ein ausreichendes Maß an Federsteife in den Rücken zu stellen und das unkontrollierte Ausschwingen der Membranen so weit als möglich zu reduzieren, entschied man sich für ein geschlossenes Gehäuse mit Passivmembranen. Ohne die wäre es vielleicht noch eine Spur knackiger geworden, allerdings hätte man auf diesem Altar einen guten Teil der angestrebten Bandbreite und damit des homogenen Klangeindrucks geopfert.
Ein Konzept in bester Tradition
Das auf dem eleganten Aluminiumfuß ruhende Gehäuse besteht aus Holzwerkstoffen, die in zehn Schichten aufwendig lackiert werden – die Oberflächen sind schlichtweg perfekt. Der Gehäuseteil für Mittel- und Hochton wurde separat ausgeführt, was laut Vertrieb Transport und Aufbau erleichtert. Wobei wir immer noch von einem Lautsprecher reden, der pro Stück knappe 105 Kilogramm wiegt. Die Teilung des Gehäuses macht die Handhabung nicht leichter, sondern überhaupt erst möglich.
Im Rücken der Box findet sich ein Bi-Wiring-Terminal; erstklassig gefertigte, sehr stabile Brücken werden mitgeliefert, damit auch einem Betrieb mit nur einem Lautsprecherkabel pro Stereokanal nichts im Wege steht. Oben sitzt besagter rückwärtige Hochtöner, der für Atmosphäre und Weite des Raumes zuständig ist. Unter ihm sitzen zwei kleine Regler, um ihn an die jeweiligen Bedürfnisse (klangliche Signatur des Raumes und Wandabstand) anzupassen.
Mit der PS Audio Aspen FR30 ist den Entwicklern um Paul McGowan eine erstaunliche Balance zwischen studiotauglicher Präzision und höchst genussvollem Musikhören gelungen. Die alten Freunde haben noch einmal losgelegt – und es tatsächlich allen gezeigt. So entwickelt man neue Konzepte, ohne das Erbe der Vergangenheit zu vernachlässigen.
Technische Daten
Konzept: passiver Standlautsprecher mit zweiteiligem geschlossenem Gehäuse
Bestückung: 2 x 2,5″-Flachmembran (Hochtöner und Ambient-Tweeter), 10″-Flachmembran (Mitteltöner), 4 x 8″-Aluminiummembran (Tieftöner), 4 x 8″-Bassradiatoren
Übergangsfrequenzen: 400 Hz, 2500 Hz
Empfindlichkeit (2,83 V/1 m): 88 dB
Nennimpedanz: 4 Ω
Empfohlene Verstärkerleistung: 100 bis 600 W
Frequenzbereich (−6 dB): 28 Hz bis 20 kHz
Ausführungen: Pearl White, Sable Black
Maße (B/H/T): 41/153/66 cm (inkl. Standfuß)
Gewicht: 104,5 kg
Garantiezeit: 5 Jahre (bei Registrierung)
Paarpreis: um 41 990 Euro
Kontakt
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