Die guten alten schlechten Zeiten – Finstere Songs von Georg Kreisler bringen wieder Licht in’s Dunkel
„Der Frühling, der Frühling, der Frühling ist da, gemma Taub’n vagift’n im Park“ war die bekannteste Textzeile auf den 1971 erschienen Everblacks von Georg Kreisler (1922–2011).
Die Rechtsanwälte des ebenfalls beißend ironischen US-Liedermachers Tom Lehrer behaupteten, der Wiener Sänger und Pianist habe seinen größten Kleinkunsttheater-Hit von dem Lehrer-Song „Poisoning Pigeons In The Park“ abgekupfert. Kreisler selbst hielt es in seiner Autobiografie für „möglich, dass wir unabhängig voneinander auf dieselbe Idee kamen“.
Ein weiterer schwarzer Immergrün war das mit Gift und Galle geschriebene Heimatlied über die Hochöfen und stinkenden Schlote in „Gelsenkirchen“. Einige Stadtmütter und -väter der Perle im Ruhrpott haben verlangt, dass diese Unverschämtheit im gebührenfinanzierten Rundfunk nicht mehr gesendet werden darf. Heute gilt der Kreisler-Song neben dem Bergmannschor-Oldie „Glückauf, der Steiger kommt“ und dem Schalke-Vereinslied „Blau und Weiß, wie lieb’ ich dich“ als eine Nationalhymne von Gelsenkirchen.
Außerdem ließ Georg Kreisler auf den Everblacks in seinem Chanson über den „Musikkritiker“ einen Vertreter dieser Berufsgruppe prahlen: „Es gehört zu meinen Pflichten, Schönes zu vernichten.“ Kreisler selbst gab nur wenig Anlass, seine Werke zu vernichten. Seine Lieder sind nicht schön. Sie sind nur zeitlos böse.
„Lasst uns von der Vergangenheit für die Gegenwart profitieren!“, forderte Georg Kreisler im Covertext seines 1972 erschienenen Albums Everblacks 2. Es wurde veröffentlicht von Preiser Records, der seinerzeit aktivsten Produktionsstätte für deutschsprachige Kabarett- und Satire-Tonträger. Nun profitiert das Wiener Plattenlabel von der Vergangenheit, indem es die im Schallarchiv lagernden Analogbänder des Lieder- und Niedermachers zum zweiten Mal für eine CD-Veröffentlichung mastern lässt. Die übrigen Kreisler-LPs will Preiser ebenfalls remastern.
Der Original-Begleittext zu den Everblacks 2 wurde für das CD-Booklet übernommen und klingt erschreckend aktuell. Zum Beispiel Kreislers Kommentar zum Vietnamkrieg und über den damals noch zukünftigen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Außerdem erinnert sein 1972 entstandener Text daran, dass er nach Auftritten mit Zuschauern diskutierte – eine Kabarettisten-Serviceleitung, die von den vollbeschäftigten Lachmuskelkitzlern heute kaum noch erbracht wird, weil sie nachts mit ihren Tournee-Bussen über die Autobahn brettern, wo sie sich zu neuen Sketchen über Dieselmotoren und andere Umweltschädlinge inspirieren lassen.
Kreisler bedauerte, dass die Ergebnisse der Nachbereitungsarbeit mit den Zuhörern auf seiner Platte „aus Platzmangel wegbleiben, aber man kann sie zu Hause ohne weiteres nachholen“. Dieser Mann verwechselte sein Publikum auf keinen Fall mit einer Applausmaschine oder einem Jubelchor.