Looking for the English FIDELITY Magazine? Just click here!
Focus - The Hamburger Concerto

Focus – Hamburger Concerto

Longtrack, 1974

Focus – Hamburger Concerto

Zum Progrock gehören Tempowechsel, Klassik- und Jazzanklänge, umfangreiche Instrumentalteile und überraschende Instrumente. Weil das alles zusammen kaum in einen Drei-Minuten-Song passt, gibt es den Longtrack.

„Hamburger Concerto“ – der Titel soll natürlich an Bachs Brandenburgische Konzerte erinnern. Aber warum eigentlich „Hamburg“? Vielleicht weil der im Titelstück zitierte „St.-Anton-Choral“ vor allem durch Johannes Brahms – der ja ein Hamburger Jung’ war – bekannt geworden ist? Aber nein! Das „Hamburger Concerto“ verdankt seinen augenzwinkernden Namen dem beliebten Fast-Food-Brötchen, dem Hamburger. In Europa war dieser Leckerbissen 1974 allerdings noch nicht allen geläufig. Das inspirierende Brötchen wurde tatsächlich in New York verspeist, und zwar vom Focus-Gitarristen Jan Akkerman bei der US-Tour 1973. Die angedeutete Neonschrift auf dem Cover – vor einer Marmorwand – deutet ein Burger-Lokal an.

Focus - The Hamburger Concerto

Focus waren die führende niederländische Band des progressiven Rock. 1973 hatten sie ihr größtes Jahr: Zwei Singles und drei Alben von ihnen standen gleichzeitig in den amerikanischen Charts, und der britische Melody Maker erklärte Jan Akkerman zum besten Gitarristen der Welt. Dabei war der eigentliche Blickfang in der Band ja eher sein Kollege Thijs van Leer, der Tausendsassa. Denn der glänzte nicht nur auf diversen Keyboards, sondern spielte auch virtuos die Querflöte und konnte sogar kunstvoll pfeifen und jodeln („Hocus Pocus“). Auch auf dem Album Hamburger Concerto setzt er rund ein Dutzend Instrumente ein, von der Blockflöte bis zum Synthesizer.

Der 20-Minuten-Longtrack, das Titelstück, das die ganze zweite LP-Seite füllt, wirkt ziemlich konsistent. Ein durchgängig gemächliches Tempo, eine teils „sinfonische“ Vielstimmigkeit, eine große Zahl an hübschen, oft pseudo-klassischen Motiven, einige gelungene Improvisationen. Man käme nicht unbedingt auf die Idee, sich dieses Stück in sechs Teile aufzuteilen, wie es die Untertitel nahelegen. (Die sind übrigens alle von der Zubereitung eines Hamburgers inspiriert: „rare“, „medium“ usw.)

Nominell haben sich Akkerman und van Leer als Komponisten bei den sechs Teilen immer abgewechselt. Der Höhepunkt des „Concertos“ ist dabei definitiv Teil 4 („Medium II“, ab 9:30) mit dem großen Gitarrensolo über einem harten Rhythmus, wie ihn Akkerman mochte, und über stimmungsvollen Orgelakkorden. Der Gitarrist liefert hier kein superschnelles, sich steigerndes Solo-Feuerwerk, sondern einen kleinen Geniestreich aus Emotion und Verdichtung. Als er die Gitarre dann technischer und jazziger spielt, fährt die Dynamik sogar herunter.

Van Leer adaptiert in „seinem“ Teil 1 („Starter“) zur Einstimmung den bekannten, zuvor auch von Haydn und Brahms bearbeiteten St.-Anton-Choral – Akkermans Gitarren-Schwebtöne klingen hier fast wie eine Trompete. In Teil 3 („Medium I“ ab 5:23) reiht van Leer einfach drei kleine Improvisationen aneinander: erst als Sänger (clownesk, sogar mit Jodelphrase), dann auf der Orgel und schließlich an der Flöte. In Teil 5 („Well Done“, ab 17:43) bringt der Multiinstrumentalist sogar noch das niederländische Weihnachtslied „O Kerstnacht“ unter – er singt es mit sich selbst im Chor. Außerdem gibt es in diesem Abschnitt einige besonders starke motivische Details, zum Beispiel das heavy Orgelriff mit Klavier darüber (ab 16:50) oder das Gitarrenthema, das an Mike Oldfield erinnert (ab 17:40). Für den bombastischen Finalteil („One For The Road“, ab 19:00) zeichnet dann wieder der Hamburger-Gourmet Jan Akkerman verantwortlich.

www.focustheband.co.uk

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.