FinkTeam Borg 2-Wege Standlautsprecher – Weil wir es können!
Jeder Lautsprecher ist ein Kompromiss. Wenn aber, wie bei der FinkTeam Borg, 30 Jahre Erfahrung, Herzblut und moderne Technik zusammenfließen, kann das Zweiwege-Konzept schon mal neu definiert werden.
Fotografie: Ingo Schulz
Bestimmt gibt es eine Aufstellung all der Lautsprecher aller möglicher Firmen, bei deren Entwicklung Karl-Heinz Fink seine Finger und Ohren im Spiel hatte. Die Zahl ist in jedem Fall enorm und lässt einige Rückschlüsse zu: Karl-Heinz Fink ist in der Materie ziemlich tief drin, kennt mittlerweile alle Stellschrauben, die in Lautsprechern auch an noch so versteckten Orten zu finden sind, um die technische Performance und somit den Klang in eine bestimmte Richtung zu biegen. Das trifft allerdings auf viele Lautsprecherentwickler zu, denen Fink jedoch einen entscheidenden Schritt voraus ist: Da er selbstständig ist und für viele Kunden arbeitete, verfiel er nie der produkt- oder formenpolitischen Routine, musste für jedes Projekt in eine andere Richtung denken und bewahrte sich seinen weiten Blick. Der in unserer Szene als seltene Eigenschaft gelten darf. In guten 80 Prozent aller Ausstellungsräume wird einem klargemacht, dass es am Besten auf diese eine Weise, ach, was sage ich, nur auf diese eine Weise geht. Selbiges hört man im nächsten Raum auch, freilich wird hier eine andere Art und Weise beschrieben, die allein seligmachend sei. Und so fort …
Spricht man hingegen mit Karl-Heinz Fink, wartet man vergebens auf Aussagen mit Absolutheitsanspruch. Ganz pragmatisch wird dargelegt, was man gemessen, erfahren, gehört, welche Schlüsse man daraus gezogen habe und wie sich die gewonnenen Erkenntnisse in der Praxis bewährten. So habe ein Schritt zum nächsten geführt. Dass man bei FinkTeam ganz nebenbei seine Prototypen selber fertigen und somit die Theorien sofort einem Praxistest unterziehen kann, ist sicherlich ein Vorteil, um den das Entwicklerteam nicht wenig beneidet wird.
Ähnlich pragmatisch begegnet Fink der Frage, wie man denn auf die Idee gekommen sei, einen so großen und so teuren Zweiwege-Lautsprecher zu bauen. Natürlich sei das nicht üblich, viele Kunden erwarteten da schon ein paar Chassis mehr. Allerdings gebe es gerade in Asien einen sehr wachen Markt für hochgezüchtete Konzepte mit wenigen Treibern. Und außerdem (zufriedener Gesichtsausdruck): „Weil wir es können!“ Das ist erstmal ein ziemlich knackiges Statement, allerdings muss ich vor dem beruflichen Hintergrund Finks zugeben: Wenn nicht er, wer dann?
Das Lastenheft für die Borg beinhaltete einige wichtige Punkte, deren Lösung Zeit und viel Arbeit erforderte. Zum einen sollte der Lautsprecher mit ordentlichem Fundament spielen können, ein kleiner Bass schied also aus. Dann sollte er in der Abstrahlung nicht zu sehr bündeln, was eine halbwegs tiefe Übergangsfrequenz zur Pflicht machte. Die Last für den angeschlossenen Verstärker sollte nicht zu komplex werden, um auch „normal gebaute“ Röhrenverstärker ins Rennen zu bringen. Und schließlich wollte man sich wieder einmal das Thema der vielen unerwünschten Resonanzen in einem Lautsprecher gründlich vornehmen – bei der Entwicklung der Borg also kein bestehendes Konzept zugrunde legen, sondern ganz schlicht bei null anfangen und jeden noch so kleinen Punkt neu durchdenken.
Beim Gehäuse konstruierte man mehrschichtige Sandwichplatten aus mitteldichter Faserplatte und Dämmmaterialien, die Vibrationen absorbieren und in Wärme umwandeln. Wenige parallele Wände reduzieren stehende Wellen, und die zahlreichen, in ihrer Breite vertierenden Fasen stabilisieren die ohnehin nicht leichte Konstruktion zusätzlich. Das fast fertige Gehäuse wurde im Betrieb mittels Laser-Interferometrie abgetastet, um unter Last auftretende Schwingungen zu finden. An den so detektierten Schwachstellen wurde noch partiell verstärkt, unterstützt, verstrebt, damit das Nutzsignal so wenig wie möglich verfälscht wird. Wobei es Fink und seinen Mitstreitern in erster Linie um Schwingungspeaks geht, die er als besonders schädlich erachtet. Eine Ansicht, die man übrigens schon in der Entwicklungsabteilung der BBC teilte, und in logischer Folge wurden die Gehäuse so weich auslegt und partiell versteift, dass sich Schwingungen eher in die Breite verteilten und allenfalls eine leichte Kolorierung des Geschehens erlaubten, Peaks aber gar nicht erst entstehen ließen.
Besonders viel Aufmerksamkeit widmeten Fink und Team dem Design des Bassreflexrohres. Das geht natürlich als Teil des Helmholtz-Resonators eine Arbeitsverbindung mit dem eingeschlossenen Luftvolumen ein, entwickelt aber auch ein kleines Eigenleben, da es gerne auch auf die Frequenz seiner schlichten Länge anspringt. Und da diese deutlich höher liegt, pfuscht es abseits seiner segensreichen Wirkung im Bass sehr unschön im sensiblen Mitteltonbereich herum. Finks Lösung ist so einfach wie genial: Er teilt das Rohr in zwei unterschiedlich lange Segmente, den entstandenen Schlitz füllt er mit Dämmmaterial. Für die tiefen Frequenzen bleibt alles beim Alten, sie „sehen“ diese Unterbrechung nicht. Der Mittelton „stolpert“ aber, wird in zwei deutlich höhere Resonanzfrequenzen geteilt, die zum einen außerhalb des gefährlichen Bereichs liegen, zum anderen deutlich leichter zu bekämpfen sind.
Die eingesetzten Treiber sind ebenfalls Spezialitäten, wobei der Air-Motion-Transformer wenigstens als Rohbau geliefert wird. Rainer Mundorf, mit Fink durch lange Zusammenarbeit und in aus dieser Zeit erwachsenen Freundschaft verbunden, liefert einen seiner AMTs in Teilen an, die dann bei FinkTeam modifiziert werden, um den Treiber tauglich für die angestrebt tiefe Übernahmefrequenz von 1600 Hertz bei möglichst geringen Verzerrungen zu machen. Der Tiefmitteltöner ist dagegen ein komplettes Eigengewächs, das von einem Zulieferer in Teilen vorgefertigt, im Hause endmontiert wird. Finks Lieblingszutaten wie eine leichte und steife Membran, ein äußerst stabiler Korb und eine besonders große Schwingspule werden von einer Besonderheit ergänzt, die man in Essen sehr schätzt: Der Magnet ist in diesem Treiber etwas zu groß dimensioniert, dafür wird der Antrieb von einem vorgeschalteten Widerstand ausgebremst. In ausgiebigen Hörtests stellten die Entwickler immer wieder fest, dass ein derart gebremster, großer Magnet immer besser klang als ein passend dimensionierter ohne entsprechende Anpassung.
Die Weiche ist ebenfalls eine komplexere Angelegenheit, ein Linkwitz-Riley-Design vierter Ordnung. Hier sitzt auch die kleine Zeitverzögerung, um den schnellen Air-Motion-Transformer auf den naturgemäß langsameren Tieftöner zurechtzubremsen.
Damit man die FinkTeam Borg nicht nur unter idealen Bedingungen genießen kann, bietet sie auch ein paar Möglichkeiten der individuellen Anpassung. Zum einen gibt es oberhalb der Lautsprecherterminals einen mit „Damping“ bezeichneten Regler, mit dem man kleine Widerstände zuschalten kann, um Verstärkern mit geringerem Dämpfungsfaktor das Leben leichter zu machen. Betreibt man einen potenten Transistor, bleibt der Schalter in Nullstellung und findet somit im Signalweg nicht statt. Der „Mid“ getaufte Regler beeinflusst breitbandig den Bereich zwischen 500 und 2000 Hertz. Werden im „schlimmsten“ Fall gerade einmal 0,5 Dezibel abgezogen oder draufgesetzt, entfernt oder nähert sich die virtuelle Bühne. Die Borg lässt sich somit an den eigenen Geschmack und die Hörerwartungen anpassen. Über „Presence“ kann man an die Charakteristik der angeschlossenen Geräte adaptieren, der Bereich zwischen einem und fünf Kilohertz eignet sich bestens, um die Anlage weicher oder frischer klingen zu lassen. Unter- oder überdämpfte Räume lassen sich schließlich mit einem Shelf jenseits der drei Kilohertz ausgleichen.
Nach so ausufernder Beschreibung bleibt natürlich die bange Frage, ob sich der Aufwand gelohnt hat und die Borg tatsächlich die Sterne vom musikalischen Himmel holt. Knappe Antwort: Ja. Selten haben meine Ohren bei einem Lautsprecher derart Augen gemacht. Und das nicht nur während der Zeit, in der ich die Borg hören durfte – auch im Nachhinein geht mir dieser Lautsprecher nicht mehr aus dem Sinn, hat sich mit seiner unaufgeregten Natürlichkeit in meinen Gehörgängen eingebrannt.
Die FinkTeam Borg klanglich zu beschreiben ist kein leichtes Unterfangen, einfacher kann man benennen, was man mit der Borg nicht hört: Störungen. Sicher kennen Sie den Auftritt guter Zweiwege-Lautsprecher, die sich von keinem großen mehrwegigen Kollegen etwas vormachen lassen, wenn es darum geht, unverstellt und natürlich zu spielen, Musik einfach so in den Raum zu stellen und im besten Sinne untechnisch zu klingen. Diese Selbstverständlichkeit, die immer wieder in den Bann zieht, wenn man ein gutes BBC-Derivat hört. Kombinieren Sie in Ihrer Vorstellung diese Meriten mit dem Detailreichtum, der Resonanzarmut und weiten Räumlichkeit einer wirklich guten Dreiwege-Box, und Sie haben eine Ahnung, was die Borg zu leisten vermag.
Carsten Barnbeck und ich sitzen beim ersten Lauschen gemeinsam im Hörraum der Redaktion, sind natürlich gespannt und starten mit Beethovens Grande Sonate Pathétique (András Schiff, ECM). Diese wunderbare Sonate ist gleichzeitig eine veritable Nagelprobe für Lautsprecher, weil sie fast glissandohaft schnelle Läufe ständig durch sämtliche Übergangsfrequenzen führt. Doch bevor ich dazu komme, auf genau diese Punkte zu achten, diskutieren der Kollege und ich über die Akustik des Aufnahmeraums (die Züricher Tonhalle), die offensichtlichen Mikrofonpositionen, Schiffs Pedalarbeit und über verwandte Musik. Womit eine der größten Tugenden der Borg schon dokumentiert wäre: Sie nimmt sich selbst völlig zurück, stellt die Aufnahme mit all ihren Stärken und Schwächen in den Mittelpunkt. Von beidem hört man eine Menge, wie wir spätestens bei Fricsays legendärer DGG-Aufnahme der Zauberflöte hören. Kein Problem bleibt verdeckt, jeder Tonmeister hätte an diesen Lautsprechern seine helle Freude. Und gleichzeitig werfen sie die Musik in bester Zweiwege-Manier so ungekünstelt in den Raum, dass es schwerfällt, sich ihrer Wirkung zu entziehen.
Etwas viel Lob auf einmal? Nein, noch nicht genug. Und ich fange heute mit dem Sparen an.
Wir meinen:
Zwei Wege auf dem Gipfel – besser habe ich dieses Prinzip noch nie gehört.
Info
Standlautsprecher FinkTeam Borg
Funktionsprinzip: 2-Wege-Bassreflexlautsprecher mit AMT-Hochtöner
Impedanz: 10 Ω
Trennfrequenz: 1600 Hz
Tieftöner: beschichtete 26-cm-Papiermembran
Hochtöner: Air-Motion-Transformer von Mundorf (64,64 cm2)
Maße (B/H/T): 30 /105 /40 cm
Gehäuse: Sandwichkonstruktion, Finish nach Wahl aus diversen Standardausführungen
Gewicht: 52 kg
Garantiezeit: 4 Jahre
Preis: um 24 900 € (um 28 900 €, gültig ab/seit ab 01.08.2021)
Kontakt
FinkTeam
Maxstraße 75
45127 Essen
Telefon +49 201 236412
Mitspieler
Plattenspieler: Transrotor Apollon TMD mit SME 5, SME 3012 u. a.
CD-Player: Mark Levinson No. 390s
DAC: Merging Technologies
Vollverstärker: Lavardin IT
Vorverstärker: Crane Song Avocet
Endverstärker: Digitalendstufe auf ICE Power basierend, Accuphase P-4200
Lautsprecher: Spendor Classic 3/5, Wilson Audio Sasha DAW, Sky-Audio 2.2 System
Kabel: Vovox, AudioQuest, Audio Note