Firmenporträt PS Audio in Boulder, Colorado – A long and winding road
PS Audio, eine typisch amerikanische Erfolgsgeschichte
Fotografie: Ingo Schulz
In die USA fliegt man nicht mal eben so. Und gerne werden deshalb, wenn man schon mal drüben ist, mehrere Termine kombiniert. In diesem Jahr ermöglichte uns der Besuch des Rocky Mountain Audio Fests auch einen willkommenen Abstecher zur längst legendären Verstärker-Schmiede PS Audio in Boulder, Colorado. Firmenboss Paul McGowan begrüßt das FIDELITY-Team persönlich auf der Riesenbaustelle, die bald PS Audios neue Firmenzentrale werden soll. Die Produktion läuft schon wieder, das für diese High-End-Manufaktur unerlässliche Teilelager ist wohlsortiert wieder eingeräumt, in anderen Ecken der erst vor kurzem umgezogenen Firma wird aber noch fleißig geschraubt, gehämmert und gesägt. Auf der To-do-Liste steht unter anderem ein großes Aufnahme- und Produktionsstudio im ersten Stock des beeindruckenden Firmengebäudes – ein „Ausstattungsdetail“, das sich leicht aus der Biografie von Paul McGowan herleiten lässt.
Als Soldat der US-Armee kam er in den frühen 1970er Jahren nach Deutschland und war von 1971 bis 1973 in München, Stuttgart, Bremen und Frankfurt stationiert. Fragt man ihn heute nach dieser Zeit, dann gibt er mit einem feinen Augenzwinkern zu, „kein guter Soldat“ gewesen zu sein. Statt für militärischen Drill interessierte sich der junge Paul McGowan nämlich eher für fetzige Musik und arbeitete als DJ beim Army-Rundfunk in Deutschland. Seine langen Haare waren beim US-Militär natürlich streng verboten, Paul McGowan umging diese eiserne Regel aber mit einer Kurzhaar-Perücke, unter der er seine Mähne verbarg.
In München, das in jenen Jahren als Deutschlands heimliche Musik-Hochburg gelten konnte – hier trieben sich unter anderem Queen, David Bowie und Mitglieder der bereits aufgelösten Beatles herum –, traf Paul McGowan den Südtiroler Musikproduzenten und Pop-Titanen seiner Zeit, Giorgio Moroder. Mit und für den Grödner produzierte McGowan im bis heute bekannten Arabellapark-Studio viele große Stars der Popszene. Das bestens harmonierende Zweigespann gründete eine gemeinsame Produktionsfirma und mietete sogar eine Villa im Nobelviertel Grünwald, wo ein hochmodernes Aufnahmestudio entstehen sollte. In McGowans Büro künden noch heute kostbare Masterband-Kopien, beispielsweise von Elton Johns „Rocket Man“, von jener prägenden Phase in McGowans Leben. Die Blase platzte, als McGowan ein paar Dummheiten anstellte, die sich aus Sicht der Army nicht so recht mit seinem Soldatendasein vertrugen. Die Sache mit der Perücke brachte das Fass schließlich zum Überlaufen: Paul McGowan wurde unehrenhaft entlassen und musste binnen 48 Stunden Deutschland den Rücken kehren. Ein geplantes Projekt mit Giorgio Moroder war Makulatur, zurück in Kalifornien fing Paul McGowan als DJ einer Rock’n’Roll-Radiostation praktisch wieder bei null an.
Als Musikproduzent hatte der Mann mit dem feinen Gehör gelernt, dass hochwertige Musikaufnahme und -wiedergabe ganz viel mit den dazu verwendeten Geräten zu tun hat. Und weil die Schallplattenwiedergabe in besagtem Rockradio alles andere als optimal war, entwickelte Paul McGowan für den kleinen Sender, der sich keine teure Ausrüstung leisten konnte, einen Phonovorverstärker. Der toppte klanglich so ziemlich alles, was man damals im Laden kaufen konnte – und wurde sofort eingesetzt.
In dieser Zeit des Umbruchs traf Paul McGowan den bekennenden Audiophilen Stan Warren, der sich sein Geld mit der Installation von Wasserbetten verdiente. Warren hörte McGowans Phonovorverstärker gegen sein eigenes Dynaco-Equipment – und beschloss, seinen Van zu verkaufen und den Erlös von 500 Dollar in eine neu zu gründende Firma mit Paul McGowan zu investieren.
Der Rest ist Geschichte: Das „PS“ von PS Audio steht für „Paul und Stan“, zum Start im Jahr 1974 wurden zehn Phonovorverstärker aufgelegt, die auf einem OP-Amp 709 und einer passiven Entzerrung basierten. Dass die Ausgangsstufe des 709ers im Class-B-Betrieb lief, sorgte jedoch für unerwünschte Rauigkeiten im Klang. Die Ausgangsstufe wurde bei jedem Nulldurchgang des Signals kurzzeitig stromlos, was unleidliche Verzerrungen produzierte. Um den 709 „zum Singen zu bringen“, bediente sich Paul McGowan eines technischen Tricks: Er versorgte den OP-Amp nicht symmetrisch, sondern unsymmetrisch mit Spannung. So hatte die Ausgangsstufe keinen Nulldurchgang mehr, das Gleichspannungspotenzial wurde per Kondensator ausgekoppelt. Das Ergebnis: ein kleiner, einfach aufgebauter Verstärker für die fragilen Signale des Tonabnehmers, der es locker mit den „großen Namen“ der damals gerade entstehenden High-End-Szene in den USA aufnehmen konnte. Zur Erinnerung: In jenen Jahren entstanden aus ähnlichen Anfängen heraus auch Verstärkerschmieden wie Mark Levinson oder Pass Labs, die ebenso wie PS Audio bis heute zu den Ikonen des Verstärkerbaus zählen.
Die Anfänge für Paul McGowan und Stan Warren gestalteten sich gleichwohl sehr zäh: Die HiFi-Händler in der Nachbarschaft mochten den Phono-Pre nicht in die Auslage stellen. „You are a nobody“, bekamen die beiden Jungunternehmer mehr als einmal zu hören. Aufgeben kam für sie aber nicht in Frage, stattdessen suchten sie ihr Heil im Direktvertrieb. Also wurden in den damaligen Audio-Magazinen Anzeigen auf Kredit geschaltet, und schon bald fanden die ersten PS-Audio-Phonovorverstärker für 59,95 US-Dollar plus Versand den Weg zum Endkunden. Als erste amerikanische Audio-Firma gab PS Audio eine „money back“-Garantie bei Nichtgefallen. „Kein einziges Gerät kam zurück“, erinnert sich Paul McGowan mit breitem Grinsen.
Aus Zehner-Chargen wurden schnell Hunderter-Auflagen. In nur zwei Jahren baute das highendige Startup-Unternehmen 3000 Geräte. Nachdem knapp 60 Dollar pro Verstärker nicht annähernd die Kosten deckten, wurde der Preis kurzerhand auf 120 Dollar verdoppelt, was dem Run auf PS-Audio-Produkte keinen Abbruch tat.
Auf den Phonovorverstärker folgte mit dem Linear One ein Hochpegel-Vorverstärker, dem PS Audio schnell die passende 70-Watt-Endstufe namens The Model One folgen ließen. Im PS4 teilten sich dann Phonostufe und Vorverstärker ein Gehäuse – das Portfolio wuchs organisch. Wer sich heute einen Eindruck vom einstigen Geräteprogramm verschaffen will, findet in Boulder fein säuberlich in Regalen aufgereiht eine praktisch lückenlose Sammlung der PS-Audio-Produkte.
Nur in die Gefilde der schwarzen Zahlen schien sich PS Audio nicht steuern zu lassen. Der Schuldenberg wuchs, irgendwann konnten die Gehälter nicht mehr gezahlt werden. In dieser Phase trennte sich Stan Warren 1981 von seinem Geschäftspartner und gründete seine eigene Firma Superphon.
Ab diesem Zeitpunkt lenkten Paul McGowan und seine Ehefrau Terry die Geschicke der Firma PS Audio mit ihren rund 20 Angestellten. Als neuer Miteigentümer stieg Dr. Bob Odell ein, der aus dem Harman-Kardon-Dunstkreis kam. Es gelang, PS Audio auf niedrigem Niveau zu stabilisieren, die wirtschaftliche Lage blieb aber zunächst „ziemlich wackelig“, wie es Paul McGowan mit fast 40 Jahren Abstand heute formuliert. 1989 war eines der Standbeine die Produktion von Frequenzweichen für den Lautsprecherhersteller Infinity. Durch dessen charismatischen Chefentwickler Arnie Nudell lernte Paul McGowan den Gründer und Herausgeber der führenden High-End-Fachzeitschrift The Absolute Sound, Harry Pearson, kennen. Der HiFi-Journalist war es auch, der McGowan anrief, als Arnie Nudell, Schöpfer von legendären Schallwandlern wie der Infinity Kappa 9, Infinity hinter sich ließ. Nudells ungebremster Tatendrang führte 1990 zur Gründung der Firma Genesis Technology. Paul McGowan war dabei und ließ PS Audio für sieben lange Jahre hinter sich.
Als sich die Wege von McGowan und Nudell 1997 wieder trennten, war PS Audio völlig heruntergewirtschaftet. Paul McGowan kaufte seine verschuldete Ex-Firma für einen symbolischen Dollar zurück und wagte den Neuanfang unter stark veränderten Vorzeichen. Statt auf Verstärker konzentrierte man sich bei PS Audio nun auf Stromversorgungskomponenten. In Vail, Colorado, entstanden Ende der 1990er Jahre sogenannte „power regeneratos“, etwa die Modelle P300, P600, P1000 und der gewaltige P1200, die bei vielen Musikfans noch heute im Einsatz sind. Wenig später zog PS Audio nach Boulder um.
Der aktuelle Umzug in das nagelneue Firmengebäude wurde im September 2018 vollzogen. Inzwischen finden sich im Programm auch wieder klassische Audiokomponenten, die etwa 70 Prozent des Portfolios ausmachen, während die restlichen 30 Prozent auf die ebenfalls stabil nachgefragten Power Conditioner und ähnliche Geräte entfallen, mit denen man für saubere Stromzufuhr sorgen kann.
Ende 2012 war Paul McGowan noch mehrgleisig unterwegs, war Manager und Entwickler seiner Firma – eine kräftezehrende Mehrfachbelastung, von der ihn sein Sohn Paul abbrachte. Spezialisierte Experten hielten Einzug bei PS Audio, was weder der Gerätequalität noch den Umsätzen geschadet hat, wie Paul McGowan selbst bestätigt. Ist PS Audio doch heute ein kerngesundes Unternehmen mit besten Wachstumsaussichten, das sich ganz behutsam in Richtung Vollsortimenter bewegt. Zeitgemäße Geräte wie HiRes-Streamer belegen, dass die Firma längst im Hier und Heute angekommen ist.
Als eher zeituntypisch darf dagegen gelten, wie groß in Boulder Service und Beratung geschrieben werden. Paul McGowan erzählt gerne die Geschichte eines Kunden, der mit seiner Endstufe von PS Audio nicht recht glücklich wurde: Immer wieder sprang schon bei moderaten Lautstärken die Sicherung an, der Verstärker schaltete sich ab. Reparaturversuche fruchteten nicht, denn es ließen sich keine Fehler finden. Licht ins Dunkel brachte die Frage nach den verwendeten Lautsprechern: Die Elektrostaten der Firma Acoustat bestechen zwar durch feinen Klang und hübsches Aussehen, verfügen aber über ein ziemlich fieses Lastverhalten mit abartig niedrigen Impedanzen. Paul McGowan kaufte kurzerhand ein Pärchen jener Elektrostaten und modifizierte das Ansprechverhalten der Sicherung – Problem gelöst.
So etwas kann freilich nur funktionieren, wenn man im eigenen Haus entwickelt und fertigt. PS-Audio-Komponenten sind bis heute „Made in USA“, genauer: „Made in Boulder, Colorado“. Bei der klanglichen Feinabstimmung ist Paul McGowan seinem 2017 verstorbenen Freund und Mentor Arnie Nudell treu geblieben und setzt dessen riesige Infinty Reference Standard 5 ein, ein 1985 herausgebrachtes Mehrwege-System mit gewaltigem Platzbedarf und ebensolchem Klangvolumen. „Dieses gigantische System legt feinste Details eines Verstärkers offen, als würde man unter einer Lupe hören“, sagt Paul McGowan. Hier lassen sich sogar Röhren- und Transistorverstärker im Blindtest problemlos unterscheiden. Und so ist auch nicht verwunderlich, dass es bald einen Röhren-Phonovorverstärker von PS Audio geben wird, entworfen von Phono-Guru Bascom H. King.
Auch in das bereits erwähnte Tonstudio soll eine lebende Legende einziehen: Gus Skinas, der schon Stars wie Madonna, Bruce Springsteen, Billy Cobham oder Peter Gabriel produziert hat. Paul McGowan plant eine enge Kooperation und gemeinsame Veröffentlichungen, die ganz gewiss höchsten audiophilen Standards genügen werden.
Dass sie rocken, kann man angesichts von Paul McGowans Lebenslauf auch erwarten, den der Meister inzwischen übrigens selbst zu Papier gebracht hat. Sofern die Druckereien trotz Weihnachtsstress so funktionieren, wie sie sollen, liegt gleichzeitig zum Erscheinen von FIDELITY Nr. 41 auch Paul McGowans Autobiografie 99% True in den Buchläden. Eine augenzwinkernd geschriebenes Buch, das zum Schmökern und Schmunzeln einlädt.