Opera und Unison Research – Wer „O“ sagt, muss auch „U“ sagen
Opera und Unison Research gehören zusammen wie Herbert von Karajan und die Berliner Philharmoniker, wie John Lennon und Paul McCartney. Noch passender wären eigentlich Enrico Caruso und Maria Callas, doch die beiden haben nie gemeinsam musiziert.
Seit Jahren schon sind sie mir immer wieder aufgefallen, die wirklich toll gestalteten Röhrenverstärker von Unison Research. Auch die eleganten Lautsprecher von Opera sind meinem audiophilen Auge nicht entgangen. Doch obwohl Unison Research und Opera fast immer gemeinsam in Erscheinung treten, war mir überhaupt nicht klar, wie eng beide Marken tatsächlich miteinander verknüpft sind.
Vor kurzem nun verriet mir Hannes Knorn vom deutschen Vertrieb TAD, dass Unison Research und Opera sich nicht nur ein Firmengebäude und eine lange gemeinsame HiFi-Tradition teilen, sondern mittlerweile sogar den gleichen Chef, Giovanni Nasta. Dessen Söhne wiederum teilen die Leidenschaften des Grandsigneurs der italienischen HiFi-Szene, auch seine Frau sei in der Doppelfirma engagiert. Und dann wäre da noch … Zeit für einen erhellenden Besuch in Italien.
Das Gewerbegebiet von Casier, ein Örtchen unweit von Venedig. Glas und Beton bestimmen das nüchterne Straßenbild. Hier residieren Unison Research und Opera in einem dreistöckigen, keineswegs kleinen Gebäude. Das Logo von Unison Research prangt links oben an der Gebäudefassade, das Opera-Logo rechts oben. Letzteres ist auch als kunstvolles Mosaik im Eingangsbereich zu finden. Im ersten Stock begrüßt uns der Chef persönlich – mit einem ausgesuchten Tropfen. Giovanni Nasta besteht darauf, zur frisch eingetroffenen Pizza-Vielfalt einen höchst anständigen Perlwein zu servieren, selbstverständlich optimal temperiert. Wozu sonst hätte der ausgewiesene Sommelier einen großen Weinkühlschrank gegenüber der offenen Bar installieren lassen. Ja, so lasse ich mir Norditalien gefallen. Auch die sympathisch ruhige Art der Begrüßung verrät einiges über den Arbeitsstil bei Opera/Unison.
Natürlich hätte ich auch gerne Giovanni Sacchetti kennengelernt. Der legendäre Verstärker-Entwickler und Hochschulprofessor für Elektrotechnik gründete Unison Research im Jahre 1987. Giovanni Sacchetti ist hier zwar immer noch beratend tätig und lehrt auch weiterhin als Professor an der Uni, doch hat der mittlerweile über 70-Jährige seine Firmenanteile von Unison Research nach und nach an Giovanni Nasta veräußert und ist nur noch sehr selten vor Ort in Casier anzutreffen. Wir prosten ihm daher aus der Ferne zu.
Ein kleiner Rückblick. Unison Research und Opera finden geschäftlich 1999 zueinander, zehn Jahre nach Gründung der Lautsprechermanufaktur – und ausgerechnet auf der CES in Las Vegas. Dort helfen sich Verstärker-Giovanni (Sacchetti) und Lautsprecher-Giovanni (Nasta), die sich zuvor schon auf diversen Messen kennen und wertschätzen gelernt hatten, gegenseitig mit ihren Produkten aus. Im Laufe der Messe wird endgültig klar, dass es nicht nur eine geografische Nähe der beiden Manufakturen und eine gegenseitige Sympathie zu den Produkten des anderen gibt, sondern auch ein gemeinsames Klang- und Schönheitsideal. Beide Signore sind begeisterte Konzertbesucher, lieben klassische Musik, insbesondere Gesang – und italienische Handwerkskunst, schöne Holzarbeiten und überhaupt edle Materialien. Eine quasi ideale Ergänzung.
Man beschließt die Zusammenarbeit, zieht 2000 in ein gemeinsames Gebäude. Mit dem Einstieg Giovanni Nastas kommt ins Doppelunternehmen auch kaufmännisch ein frischer Wind, der Unison/Opera fortan ein stolzes, nahezu ununterbrochenes Wachstum beschert. Letzteres übrigens auch in puncto Platzbedarf: Seit einer Erweiterung im Jahre 2006 um eine zweite Halle umfassen die aktuellen Räumlichkeiten drei Etagen à 600 Quadratmeter. Doch selbst diese 1800 Quadratmeter werden allmählich zu eng. Für die kommende Erweiterung sind dann auch drei unterschiedliche Studios für intensives Hören und Feinabstimmung geplant; bisher teilt man sich einen einzigen Demoraum.
Bevor ich diesen zu sehen – und natürlich zu hören – bekomme, stehen erst ein Espresso, dann eine Runde durchs Haus auf dem Plan. Erster und auch bleibender Eindruck: Die Räumlichkeiten scheinen durchweg „gut gefüllt“, sämtliche Regale mit Bauteilen, zu vollendenden Werkstücken oder Geräten belegt, die gerade „ready for testing“ sind. Jeder Mitarbeiter hat in seinem Bereich genug Platz zum ungestörten Arbeiten, aber keinerlei Freiflächen zu vergeben. Das gilt übrigens auch für die Ehefrau des Chefs, Donatella Nasta, die sich in ihrem Büro im Erdgeschoss ums Administrative kümmert.
Nebenan in der Produktion sitzen zwei Lötkolbenexperten an ihren Werkbänken. Die Konzentration steht ihnen ins Gesicht geschrieben – hier entstehen saubere Verdrahtungen. Es geht weiter: Einen Abschnitt weiter hinten steht ein freundlicher, aber schweigsamer Vollbartträger vor seiner Werkbank, der die hauseigenen Übertrager in das Gehäuse eines mittelgroßen Unison-Modells schraubt. Die schönen Frontplatten und Abschirmbleche liegen ebenfalls schon in einer Reihe parat. Auch er ist versunken in seine Arbeit.
Ein paar Meter weiter, einmal ums Eck, warten zwei Service-Fälle auf fachliche Begutachtung und Abhilfe: Ein zwanzig Jahre alter Verstärker bekommt hier seine verdiente Auffrischung, doch der CD-Spieler mit abgeschraubtem Gehäusedeckel gleich daneben ist offenbar Opfer von falsch verstandenem Do-it-yourself-Tuning geworden. Aus dem störrischen Laufwerk schüttelt Bartolomeo Nasta ein Swarovski-Schmucksteinchen heraus und deutet irritiert auf eine klebrige Masse, die sich über diverse Bauteile auf der Hautptplatine verteilt. Er schüttelt den Kopf. Nein, das hier stehe in krassem Gegensatz zu den handwerklich und schaltungstechnisch sauberen Grundsätzen von Unison und Opera. Nie und nimmer sei „so etwas“ im Einklang mit den Firmengrundsätzen. Wenn schon Tuning, dann nur ein serienmäßiges aus eigenem Haus und entsprechend sauber ausgeführt.
Und mit dieser Ansage stehen wir auch schon im Labor von Alessio Fusaro, der in der Elektronik-Entwicklung von Unison die Nachfolge von Giovanni Sacchetti angetreten hat. Gewissenhaft und in aller Gemütsruhe untersucht er gerade ein paar Röhrenschaltungen an einem neuen DAC-Projekt, das auf einem Holzbrettchen in einem offenen Player mit ausgelagertem Display steckt. Nein, er darf noch nicht darüber sprechen, begleitet uns aber gern hinüber ins beachtliche Röhrenlager, wo immer ein paar ganz besondere Schätzchen, vor allem aus den USA, zu finden sind. Die Hintergründe zur Auswahl der jeweils „richtigen“ Röhren, insbesondere aber zu deren Beschaffung, entbehren mitunter nicht einer gewissen Komik und auch Dramatik, doch damit können Italiener, so mein Eindruck, ausgezeichnet umgehen. Wer die große Oper liebt und sogar ein Lautsprecher-Unternehmen danach benennt, dem gelingt das quasi aus dem Handgelenk.
Apropos Lautsprecher. Für die Produktion und Entwicklung bei Opera zeichnet – neben Giovanni Nasta natürlich – vor allem Mario Bon verantwortlich. Anhand eines schon perfekt lackierten und eines noch im Rohbau befindlichen Gehäuses demonstriert er, mit welch bedingungsloser Liebe zum Detail bei Opera gearbeitet wird. Und das lässt sich natürlich auch schon von außen mühelos erkennen. Ich bin ehrlich beeindruckt von der durchgehend hohen Qualität. Ja, so nicken sich Mario Bon und Bart Nasta unisono zu, man achte auch bei kleinsten Kleinigkeiten sehr streng auf Qualität. Zudem befinden sich sämtliche Zulieferer, die Opera und Unison vor allem aus Platznot engagiert hat – vom Schreiner über den Trafowickler bis hin zum Lackierer –, in unmittelbarer Nachbarschaft. So könne man sich auf sehr kurzem Wege austauschen oder dringend Benötigtes schnell hin- und herschaffen. Einzig die Alufronten der Unico-Serie stammen nicht aus der Provinz Treviso oder der Region Venetien, sondern kommen, in sehr guter Qualität, aus Fernost (und werden erst im Hause bedruckt). Und natürlich beziehe man einen Großteil der Lautsprecher-Chassis „von den üblichen Verdächtigen“ aus Skandinavien, viele davon nach eigenen Vorgaben modifiziert.
Im gemeinsamen Hörraum jedoch, den wir jetzt endlich betreten, stehen zwei Lautsprecher-Prototypen, die ganz offensichtlich nicht mit Treibern von SEAS oder Scan-Speak bestückt sind: seriennahe Schallwandler, die nicht unter dem Markennamen Opera, sondern als „Unison Max 2“ präsentiert werden sollen. Es ist bereits das zweite wirkungsgradstarke Projekt nach einer Idee von Max Krieger, dem deutschen Vorzeigehändler aus dem Altmühltal. Ein 15-Zöller und ein stattliches Hochtonhorn sorgen für einen etwas „wilderen Tenor“, als gemeinhin von Opera-Konstruktionen erwartet werden darf. An der Feinabstimmung wird aber ohnehin noch getüftelt: Teile der Frequenzweiche liegen, mit Krokodilklemmen vielfach versorgt, offenherzig auf den rohen MDF-Gehäusen, Fotografieren nicht unbedingt erwünscht. Im gläsernen Rack des Demoraums stehen hingegen diverse Unison-Amps zum Ansteuern bereit. Ich stelle fest: In diesem Hörraum wird ernsthaft probegehört, verglichen und abgestimmt – das sieht man. Und ernsthaft, lustvoll und in aller Ruhe diskutiert – das hört man.
Doch was hat es eigentlich mit der eingangs erwähnten „Lackierstation“ auf sich? Nun, der kleinere, bestens klimatisierte Raum wurde durch die Auslagerung des Lackierers frei für noch wichtigere Dinge: Hier ist ein Teil der wirklich beachtlichen Weinsammlung des Hauses Nasta untergebracht. Manchmal muss man einfach Prioritäten setzen.
Das gilt auch für meine Erkenntnisse bei diesem Besuch. Statt geschäftiger Vorträge zu den Themen Lautsprecherbau, Eintakttriodenverstärker oder „Warum wir so viel besser sind als alle anderen“ erlebe ich einen völlig entspannten Einblick in ein fast schon freundschaftlich-familiär geführtes Doppel-Unternehmen. Und wer sonst, wenn nicht die Italiener, integrieren die Begriffe Lebensfreude, Genuss und Musik derart selbstverständlich und elegant als elementare Bestandteile in ein audiophiles Ganzes? Ich sage nie wieder „U“ ohne „O“.
www.tad-audiovertrieb.de
www.unisinresearch.com