Göbel-Highend Divin Marquis – Ferne Welten
Für die meisten von uns ist eine Stereoanlage im sechsstelligen Preissegment so weit weg wie der Mars. Göbel-Highend ermöglichte uns einen exklusiven Ausflug zum roten Planeten.
High-End-Systeme der Superlative bleiben für die meisten von uns zeitlebens unerreichbar. Auf Messen können wir sie sehen, bestaunen, uns einen lebensnahen Eindruck von ihrer herausragenden Technologie verschaffen und die überirdische Verarbeitungsqualität bestaunen. Doch ausgerechnet im wichtigsten Aspekt haben solche Shows ein unüberwindbares Manko: In fremder Umgebung und inmitten des lebhaften Publikumsverkehrs erhält man einen besten-falls oberflächlichen Klangeindruck. Da ließen wir uns nicht zweimal bitten, als Oliver Göbel fragte, ob wir seinen neuen Lautsprecher in Ruhe hören wollten, den für seine Verhältnisse erstaunlich kompakten Divin Marquis. Die angebotene Umgebung war nicht nur ein superber Hörraum, sondern eben jener Salon, der zur klanglichen Abstimmung und Justage seiner Preziosen dient. Natürlich wollten wir. Und zwar so sehr, dass wir gleich zu dritt aufliefen: Chefredakteur Carsten Barnbeck und Herausgeber Ingo Schulz nahmen mich in ihre Mitte.
Denkt man an mannshohe, superexklusive High-End-Lautsprecher, die unter anderem in Metropolen wie Hongkong oder Taipeh ge-schätzt werden, hat man manche Assoziation vor Augen – auf einen in ländliches Idyll gebetteten Bauernhof kommt man allerdings nicht sofort. Doch auf einen ebensolchen, beziehungsweise einen ehemaligen, führt uns der Besuch in der westlichen Peripherie Münchens. Oliver Göbel empfängt uns strahlend in den Räumlichkeiten eines vormaligen Viehwirtschaftsbetriebs, der nun zum Hören, Messen und Montieren seiner faszinierenden Lautsprechersysteme dient. Natürlich habe ich einige CDs im Anschlag und möchte am liebsten sofort herausfinden, was es mit seinen verheißungsvollen Boxen auf sich hat, muss mich aber noch gedulden, denn meine Kollegen stecken bereits mitten in einem Gespräch über Werdegang und Geschichte unseres Gastgebers und seiner Firma.
Göbel kann auf eine spannende Vita zurückblicken, die viele seiner technischen Entscheidungen erklärt. Ursprünglich designte er Treiber und Lautsprecher bei Siemens, vornehmlich Biegewellenwandler. Bewusstes Ziel dieser Entwicklungen war nicht die überschaubare High-End-Nische, sondern das ganz große Geschäft im Umfeld von Veranstaltungstechnik, Automobilindustrie oder für Möbelhersteller, denen Siemens unsichtbare Lautsprecher schneiderte. Doch irgendwann juckte den jungen Ingenieur die Frage, wie weit man das Prinzip der Flachmembran wohl treiben könne. Da sein Konzern sich auf den Massenmarkt konzentrierte, lag die logische Konsequenz in der Selbstständigkeit. 17 Jahre liegt das zurück, und seine erste selbst entwickelte Membran-Serie hörte auf den Namen „Detaille“. Da man als beginnender Lautsprecherhersteller allerdings nur im seltensten Fall vom neuen Geschäft leben kann, betätigte sich das junge Unternehmen parallel als OEM-Entwicklungsbüro, konzeptionierte und fertigte für andere Hersteller. Schon bald konnte Göbel eine illustre Kundenliste vorweisen, zu der Branchenriesen wie Grundig gehörten, für die er die letzte Inkarnation der „Audiorama“ schuf. Ein Exemplar dieser kugelrunden Lautsprecher konnten wir in seiner Werkstatt entdecken. Biegewellenwandler blieben aber stets im Zentrum von Göbels Aufmerksamkeit. Seine durch und durch außergewöhnliche und optisch markante Epoque-Serie ist gewissermaßen um diese Zutat herum konstruiert.
Ich war äußerst gespannt, die ultraflachen Fabeltiere endlich einmal aus nächster Nähe und in artgerechter Haltung erleben zu dürfen. Sie können sich meine anfängliche Verwunderung vorstellen, als ich bemerkte, dass die vorbereiteten Lautsprecher über alles Mögliche verfügten, nur nicht über den Biegewellenwandler. Es handelte sich um die neue „Einstiegsofferte“ der Bayern, das kleinste Modell der Divin-Serie mit dem wundervollen Namen „Marquis“. Schon die erhabenen Dimensionen und das zarte Gewicht von knapp 150 Kilogramm pro Box dürften jedoch verdeutlichen, dass wir hier trotzdem nicht von „Brot-und-Butter-Klasse“ sprechen. Der Paarpreis liegt bei 75 000 Euro, etwaige Konfigurationsmöglichkeiten im Finish lassen das Preisspektrum nach oben offen.
Der wache Gastgeber bemerkte meine Verwunderung und erklärte umgehend die Beweggründe für die konventionelle Bestückung. Den Biegewellenwandler strich er schon früh aus seiner Planung, da er mit der Divin-Familie ein völlig anderes Konzept verfolgte: Zielsetzung war das Erreichen höchster Wirkungsgrade, ohne jedoch Hornkonstruktionen einzusetzen. Die neuen Lautsprecher, die trotz ihres Preisunterschieds im Portfolio auf Augenhöhe mit Epoque stehen, sollte Besitzer kraftvoller Endstufen ebenso ansprechen wie die Liebhaber exotischer Röhren. Probaten Ersatz für seinen extremen Anspruch an luftig-transparente Obertöne und unverzerrte Impulse selbst in den höchsten Frequenzen fand Göbel in einem Air-Motion-Transformer, den er stark modifizierte. Erst nachdem er den neuen Tweeter in einen penibel berechneten Waveguide verbaut hatte, genügte er den gebotenen Anforderungen. Den Rest der Marquis konstruierte er anschließend sprichwörtlich um den AMT herum.
Als maßgeschneiderten Mitteltöner entwickelte er eine hart aufgehängte, carbonbeschichtete Papiermembran, die den Bereich von 140 bis 1600 Hertz umsorgt. Damit sie nicht vom pfeilschnellen AMT abgehängt wird, optimierte er jedes noch so winzige Detail des Achtzöllers. Dabei ließ er unter anderem Erkenntnisse aus seiner lang-jährigen Erfahrung mit Biegewellen einfließen und sorgte für eine höchst präzise Zentrierung sowie die optimale Temperaturkontrolle im Antrieb des Treibers. Ziel dieses Feinschliffs ist für den umtriebigen Entwickler nicht nur die überragende Transientenwiedergabe sowie die Fähigkeit, jedes auch noch so kleine Detail abzubilden – Göbel legt vor allem äußersten Wert auf Resonanzkontrolle, wie wir noch sehen werden.
Im Bass setzt er Treiber ein, die mit vergleich-barer Akribie verfeinert und optimiert wurden. Mit 12 Zoll ist der Durchmesser natürlich um einiges größer. Als Fan eines professionellen Zuschnitts setzte er außerdem ein Konzept um, das PR-Abteilungen und Produktdesigner den zuarbeitenden Ingenieuren viel zu oft verbieten: ein komplett symmetrisches Bassreflex-Layout, das den Divin-Modellen ihr unverwechselbares Äußeres verleihen. Die an allen Stellen gleichmäßige Federstärke des angekoppelten Luftvolumens sorgt dafür, dass die Langhub-Membran auch bei größeren Auslenkungen nicht ins Taumeln gerät. Für allerhöchste Präzision in den untersten Registern sei das schlicht unumgänglich, wie uns Göbel erklärte.
Das Gehäuse schließlich hat nichts, aber auch rein gar nichts mit den MDF- oder HDF-Mäntelchen vieler anderer Boxen zu tun. Die Modelle der Divin-Serie bestehen aus massiven Platten unterschiedlicher Harz- und Kunststoffmischungen. Die Dichte des Materials ist so hoch, dass es im Wasser untergeht wie ein Stein. Die Front der Marquis wird sorgsam aus einem Block gefräst und ist an den meisten Stellen 75 Millimeter dick. Im Innenraum gibt es zahlreiche Verstrebungen, deren Platzierung nicht dem Zufall, sondern einem umfangreichen Konglomerat aus Simulationsprogrammen und Messungen überlassen wurde. Interessanterweise verzichtet Göbel weitgehend auf Dämmmaterial, das nach seinen Erkenntnissen in einem schlappen, undefinierten, im Ergebnis also tendenziös langweiligen Sound mündet. Stattdessen verbergen sich in jeder Divin mehrere genau auf die Hohlraumresonanzen justierte Helmholtz-Resonatoren. Am Rücken der massigen Gehäuse befindet sich ein isoliertes Fach, in dem die prominent bestückten Frequenzweichen sitzen.
Die Feinheiten der Konstruktion ließen sich endlos so fortsetzen. Zu jedem Detail der Marquis kann Göbel Geschichten erzählen, begründen, warum es so und nicht anders sein soll, Messschriebe, Materialproben und Konstruktionszeichnungen vorlegen. Schrittweise wird uns immer mehr klar, mit welcher Akribie er an technischer Perfektion arbeitet, sich jedes Vorurteil in Richtung „Blingbling-Schublade“, wie er es nennt, verbietet. Wir verbringen etliche Stunden im Firmensitz, lassen uns die gesamte Produktion zeigen, begehen den reflexionsarmen Messraum, erleben, wie wichtig jedes Detail genommen wird – bis hin zur aufwendigen Verpackung der Zubehör-teile –, ehe wir zum fulminanten Abschluss des Tages gelangen: Nun endlich dürfen wir die Divin Marquis in Aktion erleben.
Die gewaltige Standbox löst Oliver Göbels Versprechen voll und ganz ein. Immer wieder betonte er, wie wichtig es für ihn sei, Resonanzen noch besser in den Griff zu bekommen, schnellere Treiber zu kombinieren, Vibrationen im Gehäuse am besten gar nicht erst aufkommen zu lassen. Und genauso musiziert der Lautsprecher. Wir sind uns bereits nach wenigen Titeln einig, selten eine dermaßen saubere, artefaktfreie und dennoch organisch lebendige Wiedergabe gehört zu haben. Bis hinab in die tiefsten Lagen gelingt der Marquis eine exemplarische Durchhörbarkeit, und die räumliche Platzierung der einzelnen Schallereignisse unterhalb des Grundtons ist absolut verblüffend. Obenrum können das viele – eine derart präzise projizierte Reihe von Kontrabässen haben wir allerdings noch nicht gehört. Klassikliebhaber Göbel füttert seine Elektronik von CH Precision mit Strauss’ Salome, Mozarts Figaro, Beethovens Klaviersonaten, und wir wandern virtuell von einem Konzertsaal zum nächsten, können Musiker, Sänger sowie Dirigenten körperhaft vor uns spüren. Mit Fiona Apple, Michael Jackson, John Coltrane, Phil Collins und vielen anderen wenden wir uns später deftigerer Kost zu, lauschen modernen Produktionen, die über die Marquis keinen Augenblick zu dicht oder überspitzt tönen. Vom feinsten Unterton bis zum brachialen Pegel beherrscht der „kleinste“ Lautsprecher des Göbel-Sortiments alle Register meisterhaft. Die Divin Marquis ist in der Summe ihrer Qualitäten über jeden Zweifel erhaben.
Bliebe für uns nur noch die Frage, wie da erst die größeren Modelle der neuen Baureihe musizieren mögen. Theoretisch wäre ein Klangeindruck möglich gewesen, denn ein Pärchen der Divin Noblesse parkt im Hörraum direkt neben den Marquis. Allerdings fehlt uns bei diesem Besuch die Zeit dafür. Vielleicht findet die sich ja bei einer anderen Gelegenheit …
Wir meinen
Oliver Göbel hält sein Versprechen: Die Divin Marquis ist ein kompromissloser Lautsprecher, der ohne Probleme alle Verstärkerkonzepte bedienen kann. Zugleich besticht er mit seiner überirdischen Präzision und Detailfülle.
Info
Lautsprecher Göbel-Highend Divin Marquis
Konzept: 3-Wege-Standlautsprecher mit Hochwirkungsgrad-Konzept und symmetrischer Bassreflex-Anordnung
Bestückung: AMT-Hochtöner mit Waveguide-Führung, 8″-Mitteltonchassis und 12″-Basstreiber aus carbonbeschichtetem Papier; sämtliche Treiber stammen aus eigener Entwicklung/Anpassung
Gehäuse: akustisch optimierte, temperatur- und klimabeständige Sandwichkonstruktion aus einer dichten Harz-Kunststoff-Mischung, Wandstärke bis zu 75 mm, integrierte Helmholtz-Resonatoren
Impedanz: 4 Ω (Minimum 3,4 Ω bei 95 Hz)
Wirkungsgrad: 92 dB
Übergangsfrequenzen: 140 Hz/1500 Hz
Bandbreite: 21 Hz bis 28 kHz (−3 dB)
Lieferumfang: maßgeschneiderte Flightcases
Maße (B/H/T): 41/72/118 cm
Gewicht: 150 kg (180 kg mit Verpackung)
Garantiezeit: 5 Jahre
Preis: ab 75.000 €
Göbel-Highend
Schabweg 4a
82239 Alling
Telefon +49 8141 2255887