FIDELITY zu Gast bei … Esoteric Audio in Japan
Im Herzen der Perfektion. Ein Blick ins Innere des Esoteric-Werks
Kann man den High-End-Gedanken auf einen schlüssigen Nenner bringen? Ist Perfektion planbar? Beim Besuch in der Fertigungsstätte der fantastisch klingenden Esoteric-Komponenten fanden wir erstaunliche Antworten.
Bisweilen geht die Globalisierung andere als die zu erwartenden Wege. 2013 vollzog der amerikanische Musikinstrumenten-Hersteller Gibson Guitars die freundliche Übernahme des japanischen Elektronikriesen TEAC mit voller Zustimmung des dortigen Managements und kaufte für 52 Millionen US-Dollar die Sperrmajorität eines Unternehmens, unter dessen Dach mit TEAC, Esoteric und Tascam gleich drei bestens beleumundete Namen aus der Unterhaltungselektronik, Studioelektronik und PC-Zubehörsparte vereint sind. Erst 2012 hatte man eine „strategische Allianz“ mit dem Mitbewerber Onkyo ausgehandelt und Aktienpakete ausgetauscht, sodass durch den Gibson-Coup ein beweglicher Großkonzern entstanden ist, an dessen Erzeugnissen man auch und gerade im High-End-Bereich praktisch nicht vorbeikommt.
Die begehrte Top-Linie des Hauses TEAC hört seit langem auf den Namen Esoteric und glänzt unter anderem mit Verstärkern und Digitalkomponenten, die zum Besten gehören, was man für Geld kaufen kann. Auf der Tokyo Audio Show kamen wir mit Tetsuya Kato ins Gespräch, Chefentwickler von TEAC, Tascam – und eben auch von Esoteric Audio. Unserem Wunsch, einmal hinter die Kulissen des Mythos schauen zu dürfen, stand der ebenso freundliche wie fachlich kompetente Ingenieur, der seit 25 Jahren in der Entwicklungsabteilung der Firma arbeitet, sofort sehr aufgeschlossen gegenüber. Er stellte für uns deshalb zeitnah den Kontakt zu TEAC-Präsident Hiroshi Oshima her. Und der öffnete für FIDELITY als erstem deutschsprachigen High-End-Magazin bereitwillig die Pforten des Esoteric-Allerheiligsten, wofür ihm an dieser Stelle größter Dank ausgesprochen sei.
Erhellend waren bereits im Vorfeld die Gespräche mit Tetsuya Kato über die bei Esoteric herrschende Technik-Philosophie, die sich vom Ansatz anderer Hersteller streckenweise himmelweit unterscheidet. So haben Kato und sein Team, wie andere Hersteller auch, beispielsweise die Stromversorgung als einen der für den Klang essenziellsten Faktoren ausgemacht. Was anderswo gang und gäbe ist – ein Trafo, an dem verschiedene Abgriffe die Unterspannungen für verschiedene Baugruppen oder Bauteile zur Verfügung stellen – wird bei Esoteric aber als konzeptionelle Todsünde betrachtet. Ein herausragendes klangliches Ergebnis sei so nicht zu erzielen, sagen die Esoteric-Vordenker. Deshalb hat in einer Esoteric-Komponente jeder einzelne Verbraucher eine auf ihn optimal abgestimmte Spannungsversorgung, bei der unter anderem Spannung, Leistung, Rauschniveau, HF-Reinheit, Stabilität und Entkopplung für jeden Verbraucher exakt angepasst werden. Völlig klar, dass dieser Anspruch mit Bauteilen „von der Stange“ nicht zu erfüllen ist und in Esoteric-Geräten deshalb konsequent Eigenentwicklungen verbaut werden. So wird beispielsweise bei den Trafos höchstes Augenmerk auf das amorphe Kernmaterial gelegt, um magnetische Verluste zu minimieren. In die gleiche Richtung geht die durchgängige Verwendung ultraschneller Schottky-Dioden und von Halbleitern aus Silizium-Karbid.
Ebenso gewissenhaft geht man bei Esoteric möglichen Vibrationsquellen nach – ein Problem, dem man mit getrennten Innen- und Außengehäusen beikommt. Dass sowohl Spannungsversorgung als auch Signalwege nach dem Prinzip der kürzestmöglichen Verbindung konzipiert werden, erscheint in diesem Kontext nur logisch. Ebenso kompromisslos und zielgerichtet agiert der Einkauf: Es geht nicht darum, „audiophile“ Bauteile zu verbauen. Bei Cost-no-Object-Konstruktionen wie den Esoteric-Geräten bedient sich die Entwicklungsabteilung schlicht der besten und neuesten Bauteile, die der Weltmarkt hergibt. Dabei profitiert man von dem bewährten Kontakt zu Lieferanten, die teils seit Jahrzehnten eng mit der TEAC-Gruppe verbunden sind – was es beispielsweise ermöglicht, bei Herstellern wie dem DAC-Spezialisten Asahi Kasei Microdevices (AKM) sogar gezielten Einfluss auf das Schaltungsdesign von Halbleitern zu nehmen.
Die Fertigungsstätte, in der aus intelligenten Ideen über alle Zweifel erhabene High-End-Komponenten entstehen, liegt in der Peripherie der Weltstadt Tokio. Esoteric gehört zu den wenigen Firmen, bei denen nicht nur die Entwicklungszentrale, sondern auch die Produktion in Japan beheimatet ist. Der Fabrikstandort Ōme (auf Deutsch so viel wie „blaue Pflaume“) liegt rund 60 Kilometer vom Zentrum Tokios entfernt. Wir fahren mit dem Auto gut 90 Minuten lang durch extrem dichten Verkehr, der hier gefühlt zu fast jeder Tages- und Nachtzeit herrscht. Irgendwann lichtet sich der Betondschungel der Megalopole, die aktuell fast 40 Millionen Menschen beherbergt, und macht ganz allmählich einem grünen Hügelpanorama Platz.
Bis vor ein paar Jahren war die Produktion von TEAC, Tascam und Esoteric auf zwei verschiedene Standorte verteilt: In Yoshida („gutes Reisfeld“) zu Füßen des Fujijama wurden vor allem mechanische Bestandteile gefertigt. Diese Fabrik schloss der Konzern 2015 und führte die Produktion in Ōme zusammen – nicht nur aus Sparsamkeits-, sondern vor allem aus Synergie- und Flexibilitätsüberlegungen heraus.
Im nunmehr zentralen Fertigungsstandort Ōme warten auf uns Masaharu Ito (Präsident der TEAC Manufacturing Solutions Corporation) und Chefmanager Hisashi Takayama, die uns mit spürbarem Selbstbewusstsein das Herz der High-End-Fertigung präsentieren. Sie haben auch allen Grund, auf ihre Hightech-Fabrik stolz zu sein: 1987 gebaut, etablierte sich hier 2009 das eigenständige Subunternehmen TMS (TEAC Manufacturing Services), das nicht nur „familienintern“ Teile für TEAC, Tascam, Esoteric Audio und TEAC Data Recording herstellt, sondern auch anderen bekannten und großen japanischen Unternehmen der Consumer- und Hightech-Elektronik zuliefert. Hier lässt zum Beispiel eine sehr bekannte Hightech-Schmiede (die nicht genannt werden möchte) feinstes Messgeräte-Equipment fertigen, weil das eigene Know-how und die Fertigungstiefe dafür nicht ausreichen.
Das Einzige, was bei TEAC nicht im eigenen Haus gefertigt wird, sind die noch unbestückten Leiterplatinen, wobei man bezüglich dieser bis zu zwölf Schichten zählenden Basisprodukte höchste Ansprüche an die Qualität stellt – was nur ganz wenige Zulieferer zu erfüllen vermögen. Während die Standard-Schichtdicke bei kupferbeschichteten Leiterplatten etwa 35 Mikrometer beträgt, darf es für Esoteric über 100 Mikrometer, also gut das Dreifache sein.
Die Liebe zum Detail begegnet uns auch in der Fertigung fast allerorten. So hat Esoteric zusammen mit einem Kooperationspartner ein besonders feinflüssiges eigenes Lot entwickelt, um eine elektrisch besonders leitfähige, auch langfristig haltbare Kontaktierung aller Lötstellen sicherzustellen. Übrigens werden bei Esoteric alle Geräte, von der, nun ja: „Einsteiger“-Klasse bis zum Top-High-End-Produkt gleich behandelt. Standardlösungen haben wir bei unserer Werksführung keine entdecken können; das würde auch nicht zu dem Qualitätskonzept passen, das hier äußerst konsequent und ohne jegliche Abstriche verwirklicht wird. Die Platinen-Produktion ist ein höchst lebendiges Beispiel dafür, wie effiziente Serienfertigung und maximaler Anspruch an die Güte der Produkte zu vereinen sind: Hier laufen in geradezu aseptisch sauberen Räumen mit kontrolliertem Klima, die so gar kein Fabrik-Flair haben, vier Bestückungs- und Lötstraßen parallel. Je vier auf fehlerfreie Höchstleitung kalibrierte Automaten bestücken die Platinen in einem Durchgang beidseitig. Dabei schafft jeder Automat rund 15 000 Bauteile in der Stunde, was einem stündlichen Gesamtdurchsatz von 60 000 Bauteilen entspricht – für nur eine der vier Bestückungs- und Lötstraßen wohlgemerkt.
Spätestens an dieser Stelle wird uns klar, dass echtes High End im Sinne von Esoteric Audio der exakte Gegenentwurf zu dem ist, was mancher Garagenbastler im stillen Kämmerlein ersinnt. In Ōme wird dem maximalen Klangniveau nachgegangen, indem man sämtliche Register neuzeitlicher Hochtechnologie zieht. Da ist es für die Firma natürlich von Vorteil, Teil eines Konzerns zu sein, in dem es längst nicht mehr nur um die Herstellung gut klingender Apparate zur Musikwiedergabe geht.
Dabei überlässt man im Hause Esoteric keineswegs alles den Robotern: Als wir die Abteilung erreichen, in der die Endmontage stattfindet, betreten wir praktisch eine andere Welt. In dieser spärlich bevölkerten Oase der Ruhe setzt man wie in alten Zeiten auf traditionelle Handarbeit; unversehens wähnen wir uns in einer Manufaktur, wie man sie etwa mit dem japanischen Tonabnehmer-Bau assoziiert. Hier sind offenbar ausgesuchte Experten mit nichts anderem beschäftigt, als den Esoteric-Komponenten den letzten, entscheidenden Schliff zu geben. So sind tatsächlich nur weniger als eine Handvoll Spezialisten in der Lage, die weltbesten CD-Laufwerke vom Typ VRDS NEO zusammenzubauen und im Anschluss daran perfekt mit der Hand zu justieren – Laufwerke, die übrigens auch in den High-End-Playern manches anderen Herstellers ihre präzise Auslesearbeit verrichten. Der Herstellungsprozess, in dem die Handwerkskunst der Spezialisten eine kaum zu unterschätzende Bedeutung besitzt, nimmt so viel Zeit in Anspruch, dass pro Tag im Regelfall vier, mit maximaler Anstrengung sechs der Top-VRDS-Einheiten die hauseigene Manufaktur verlassen.
So dürfen wir am Ende den tröstlichen Eindruck mit nach Hause nehmen, dass allerhöchste Klangkultur immer noch ganz viel mit menschlichem Können, mit Herzblut und Leidenschaft zu tun hat. Und dass automatisierte Maschinenfertigung auf maximalem Niveau zweifellos eine große Hilfe ist, wenn es darum geht, höchste technologische Standards zu erreichen und zu halten – aber dass der „Faktor Mensch“ bei Esoteric immer noch einen unschätzbaren Stellenwert einnimmt. Die Fertigung bei Esoteric Audio ist nichts weniger als die perfekte Verschmelzung eines Hightech-Betriebs mit einer Manufaktur. Best of both worlds sozusagen.
Esoteric Company
47 Ochiai 1-chome, Tama-shi
Tokyo 206-8530
Japan