FIDELITY zu Gast bei BTB Electronics
Die Zahl der Röhren geht in die Hunderttausende. Was sich im weitläufigen Lager der Fürther Firma BTB Electronics findet, ist einer der größten Bestände an Elektronikröhren weltweit. „Wir haben alles“ ist bei den Mittelfranken kein großspuriger Spruch, sondern auf den Punkt gebrachte Realität. Die FIDELITY-Redaktion hat das Röhrenparadies im Fürther Norden besucht und sich mit Firmenboss Michael Kaim über des Röhrenfans liebste Spielwiese ausgetauscht: Tube Rolling.
Die Analogliebhaber unter den Highendern, sie würden nie offen zugeben, was die Hauptfaszination des Phänomens Röhrenverstärker ausmacht: der Spielfaktor. Was bei Transistorverstärkern unweigerlich zur größeren Lötaktion ausartet, der Austausch klanglich relevanter Teile der Schaltung, erfordert bei Röhrenkonstruktionen tatsächlich nur ein paar Handgriffe. Den Eingriff per Lötkolben in die Transistorkonstruktion trauen sich Fachwerkstätten oder Entwickler wie Nelson Pass zu, vielleicht noch ein paar „Edelamateure“, aber gewiss nicht die Masse der HiFi-Freunde. Als „Spielfeld für Klangexperimente“ taugt der Röhrenverstärker da deutlich besser, sofern man sich stets vergegenwärtigt, dass Elektronenröhren Betriebsspannungen von mehreren Hundert Volt mit sich bringen – unsachgemäßer Umgang ist lebensgefährlich.
Transistorverstärker stellen in der Regel „fertige“ Designs dar, an denen man, sofern man in der Materie nicht völlig sicher und im Idealfall mit einer fundierten Ausbildung zum Elektroingenieur oder mindestens zum Elektroniker gesegnet, ebenfalls nicht herumpfuschen sollte, wenn einem Leben und Gesundheit lieb sind. Riskant ist das Herumhantieren mit Röhren zwar auch – aber zumindest ist hier das „Klangtuning“ eines Verstärkers auch ohne Studium möglich, nur Wissen um die mechanischen Eigenschaften von Röhren und den zugehörigen Geräten ist erforderlich; das „Tube Rolling“, also der gezielte Austausch von Vor- und Endstufenröhren, erweist sich mit etwas Übung als problemlos möglich. Diese Eingriffsmöglichkeit in die klangliche Abstimmung eines Gerätes ist längst zum Trend geworden. Man nehme eine solide Ausgangsbasis in Form eines Röhrenvollverstärkers oder einer Endstufe und untersuche dann die klangliche Auswirkung des Röhrentausches.

„Dabei sollte aber stets darauf geachtet werden, dass die elektrischen Eigenschaften kompatibel sind“, betont Michael Kaim. Der ausgebildete Elektroniker Kaim und Chef der Firma BTB hat in seinem Geschäftsleben schon manches erlebt – einschließlich Verstärkern, die beim Tube Rolling geschrottet wurden, weil man beim Röhrentausch nur darauf geachtet hatte, ob die Belegung des Stecksockels – gängig sind sogenannte Oktal- beziehungsweise Novalsockel mit acht oder neun Steckkontakten – stimmt. Was zu wenig ist, wenn bei der Tauschaktion etwas klanglich Vernünftiges herauskommen soll.
Dafür ein kleines Beispiel: In dem kleinen italienischen Röhrenverstärker Unison Simply Italy, den der Schreiber dieser Zeilen seit einiger Zeit sein Eigen nennt und der nicht zuletzt dank der Ausstattung mit selektierten Premiumröhren so grandios klingt, wie er klingt, werkeln in der Vorstufensektion Röhren vom Typ ECC82; für die Endverstärkung sind EL34-Röhren zuständig, die in der hier angewendeten Single-ended-Schaltung, bei der eine Röhre beide Halbwellen der Sinusschwingung verstärken muss, auf ca. acht Watt pro Kanal kommen. An einigermaßen wirkungsgradstarken Lautsprechern, deren Empfindlichkeit im Idealfall bei über 90 Dezibel liegen sollte, reichen diese acht Watt für deutlich mehr als Zimmerlautstärke aus. Geht der Verstärker in die Übersteuerung, kündigt sich das frühzeitig an und ist ein Hinweis darauf, den Lautstärkeregler ein wenig zurückzudrehen.

Wer an der Röhrenbestückung Hand anlegt, kann zweierlei im Sinn haben: Entweder sucht er oder sie nach einer Klangverbesserung, zum Beispiel sonorerem Bass und/oder klareren Höhen. Oder nach einer Leistungssteigerung im Rahmen der gegebenen Verstärkerschaltung. Vor Tuningziel Nummer zwei warnt Michael Kaim in aller Deutlichkeit: „Man kann zwar durch Röhrentausch ein bis zwei Watt mehr aus einer Schaltung herausquetschen, aber wenn die verwendeten Röhren mit dem Konzept des Verstärkers nicht zusammenpassen, kann dies im schlimmsten Fall für Schäden bis hin zu durchgebrannten Trafos führen und im besten Fall die Lebensdauer der von den Daten her nicht zur Schaltung passenden Röhren stark reduzieren“, weiß Kaim. Wichtig ist es auch, im Hinterkopf zu behalten, dass es baugleiche Röhren gibt, die eins zu eins tauschbar sind, aber auch bauähnliche Modelle, bei denen auf jeden Fall der Verstärkerhersteller konsultiert werden sollte, ehe man „umsteckt“. So trägt etwa besagte Vorstufenröhre in den USA die Bezeichnung „12AU7“ und ist komplett baugleich mit ihrem europäischen Gegenstück. „Es gibt aber auch speziell auf Langlebigkeit getrimmte Versionen, die dann E82CC oder ECC802S und in Amerika 5814A heißen“, zählt Michael Kaim Beispiele aus dem umfangreichen Vergleichskatalog auf. Dabei doziert der Franke nicht aus der bekanntlich grauen Theorie, sondern kann aus einem überaus reichen Erfahrungsschatz schöpfen, zumal bei BTB auch in überschaubarem Rahmen Röhrenverstärker (und nur diese) repariert und/oder mit neuen Röhrensätzen versehen werden.

Denn auch das gehört zur Auseinandersetzung mit der im Grundsatz weit über 100 Jahre alten Röhrentechnologie dazu: Die Lebensdauer einer Röhre ist endlich, jede Betriebsstunde macht sich bemerkbar und je nach Röhrentyp und Nutzung kann das Ende schon nach wenigen Jahren kommen – schneller, wenn das verbaute Teil dann doch nicht hundertprozentig zum Verstärker passt. Dann ist fachkundiger Austausch angesagt, um den Verstärker – zu den Kunden der Firma BTB gehören traditionell auch Musiker, vor allem Gitarristen und Bassisten – wieder zum Klingen zu bringen. Ist man am Zweifeln, ob eine gerade entdeckte Röhre elektrisch ins eigene Gerät passt, soll man laut Michael Kaim vor dem Tausch in jedem Fall den Verstärkerhersteller oder dessen Vertrieb konsultieren: „Nur die wissen, ob die jeweilige Verstärkerschaltung tatsächlich auch die zum Original nur ähnliche Röhre X oder Y verträgt“, betont Kaim.
Ein Röhrentausch ist gleichwohl kein Hexenwerk: „Wichtig ist, die zu tauschende Röhre unten am Sockel anzufassen und sie beherzt genau senkrecht herauszuziehen“, empfiehlt Michael Kaim. Wer dagegen am Kolben ruckelt und zu stark daran zerrt, läuft Gefahr, das kunstvolle Gebilde einer Vakuumröhre in seine Einzelteile zu zerlegen und kostspielige Trümmer zu hinterlassen. Um den Stress für den im Verstärker befindlichen Einbausockel in Grenzen zu halten und das Ausleiern der Geräte-Steckkontakte zu vermeiden, bietet BTB solide gemachte Adapter an, die zwischen den verstärkerseitigen Anschlusssockel und die eigentliche Röhre eingesteckt werden.
Klar ist: Selbst wenn man sorgsam in den elektrischen Eckdaten des Röhre-Verstärker-Systems bleibt, bleibt Tube Rolling eine Gleichung mit mehreren Unbekannten, deren Lösung nicht zuletzt von den individuellen Vorlieben abhängt. Manche mögen es bassbetonter, substanzieller, erdiger, anderen kann der Röhrenverstärker gar nicht luftig (böse Zungen sagen: esoterisch) genug klingen. Und hier kommen Michael Kaim und sein im Stil eines eingeschworenen Familienbetriebes agierendes Team als Berater ins Spiel. Die jahrzehntelange Beschäftigung mit Röhren in fast jeder möglichen Form – auf einem Regal in Michael Kaims Büro stehen sogar ein paar ultraseltene Vorkriegsexemplare, die in Militärsendern zum Einsatz kamen – hat zu einem riesigen Schatz praktischer Erfahrungswerte geführt, zum Teil bezogen auf konkrete Verstärker-Baumuster. Die Zahl der Schaltungen in diesem HiFi-Sektor ist sowieso endlich, die meisten von ihnen seit Jahrzehnten erprobt.
Zum Grundwissen gehört, dass Röhren, die in Verstärkern verwendet werden, „gematcht“ sein sollten. „Wir haben vier Messplätze für praktisch jeden Röhrentyp“, führt Kaim aus. An der Wand hängt eine E-Gitarre, um Musikerverstärker unter Last testen zu können. „Matchen“, also Exemplare mit möglichst ähnlichen elektrischen Eigenschaften zusammenbringen, um größtmögliche Kanalgleichheit dieser Röhren zu erzeugen, kann man übrigens auch größere Sätze für opulenter bestückte Verstärker. „Auch ein Achter ist für uns kein Problem“, plaudert BTB-Chef Michael Kaim aus der Schule.
Ein Spaziergang ins BTB-Lager mutet an, als habe man das Portal zu einem Röhren-Schlaraffenland durchschritten. Ohne akribische Lagerwirtschaft ginge bei den endlos scheinenden, sich tief in die Halle erstreckenden Regalreihen nichts. Regale, in denen nicht nur Hunderttausende der verschiedensten Röhren in ihren zum Teil malerisch vergilbten Pappschachteln schlummern, sondern auch Ersatzteile, wie sie Röhrenverstärker jenseits der glimmenden Glaskolben benötigen. Mit sichtbarem Stolz zeigt Michael Kaim einen Kondensator der Edelschmiede Mundorf, dessen trennscharfer Aufdruck mit schwarzer Schrift auf weißer Keramikoberfläche verrät, dass er eigens für „BTB Elektronik“ hergestellt wurde.
Relativ neu ist die Zusammenarbeit mit dem längst legendären US-Hersteller Western Electric, von dem BTB eine offizielle Handels- bzw. Vertriebslizenz erworben hat. Während meines Besuchs öffnet Michael Kaim einen der großen Versandkartons, in dem sich eine Vielzahl kleinerer Pappschachteln verbirgt. Der geschwungene „300B“-Schriftzug verrät unübersehbar, dass hier die wohl bekannteste Verstärkerröhre der Welt darauf wartet, ihren Dienst zu tun. Verstaut sind die Preziosen in hübschen Holzschatullen; für das Paar 300B werden aktuell rund 1700 Dollar aufgerufen, dafür bekommen Kunden edle Neuware ab Werk.
Aber auch NOS, was für „New Old Stock“, also unbenutzten Lagerbestand steht, bekommt man bei BTB. Womit der Bogen zurück zum Tube Rolling geschlagen wäre. Schwören doch nicht wenige Röhren-Enthusiasten auf die „Hardware“ aus jenen Zeiten, als ein säuberlich ins Kolbenglas geätzter Rhombus auch Unbedarften klar machte, dass hier Qualitätsware der Firma Telefunken in der Schachtel steckt. Auch als der Transistor in den Rundfunkanstalten längst seinen Siegeszug angetreten hatte, wurden unter anderem bei RFT in der damaligen DDR noch lange Zeit Röhrentypen für den professionellen Einsatz produziert – die heute in Röhrenkreisen zu den gesuchten Sammlerstücken zählen. „Wunderdinge sollte man sich davon aber nicht versprechen“, bremst Michael Kaim überzogene Erwartungen. Je durchdachter und solider das Schaltungsdesign eines Verstärkers sei, desto geringer falle der Einfluss der Elektronenröhren auf das klangliche Ergebnis aus. Deshalb habe Tube Rolling auch einen eher graduellen Einfluss, als dass sich umwälzende Veränderungen im Klangbild ergeben würden. Wie eigentlich immer im High End sind es aber genau die feinen Verbesserungen, die subtilen Modifikationen, die ins Klang-Nirwana führen. Und dabei sind die Spezialisten von BTB genau die richtigen Ansprechpartner.
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