FIDELITY zu Gast bei … Aug & Ohr – Überzeugungstäter
Tiefenentspannt und mit höchster Konzentration hat sich der Züricher Spezialist „Aug & Ohr“ zur gefragten Anlaufstelle für exklusives HiFi und High End entwickelt. Wir trafen uns auf den einen oder anderen Kaffee mit Geschäftsführer Roman Stelzer.
Mit guter Laune ans Werk – so könnte man die Devise von Roman Stelzer und seinem Team treffend zusammenfassen. Kaum dass wir den HiFi-Laden betreten haben, manövriert uns der Geschäftsführer in die bequemen feuerroten Sitzmöbel seines größten Hörraums, versorgt uns mit allem Erforderlichen – in der Schweiz versteht man darunter natürlich Wasser und Kaffee nebst Schokolädchen – und steht uns anschließend voll und ganz zur Verfügung. Dieses Ritual dürften schon viele seiner Kunden kennen und schätzen gelernt haben. Und nicht wenige sind wohl genau deshalb zu Wiederholungstätern geworden.
Die Aug & Ohr AG liegt eingebettet in ein modernes Ensemble aus Schulen, Banken und Gastronomie. Das Viertel im Nordwesten der Innenstadt strahlt trotz seiner Geschäftigkeit, der Nähe zum Bahnhof und einem Autobahnzubringer eine erstaunliche Ruhe aus. Noch kurz zuvor hatten wir in einem benachbarten Parkcafé gesessen, wo wir uns bei Eistee und Snacks die Mittagssonne ins Gesicht scheinen ließen. Grund für die Pause war nicht etwa unsere Lust auf etwas Müßiggang, sondern das vorausgegangene Telefonat mit Roman Stelzer: „Nein, um zwölf habe ich noch Kunden zu einem Hörtermin, wir können dann 14 Uhr sagen“, hatte er mir vorgeschlagen. Kein Problem, dafür wurden Bistros ja erfunden.
Die Konzentration auf jeweils einen Kunden ist zumindest teilweise den Räumlichkeiten von Aug & Ohr geschuldet. Die Geschäftsfläche erstreckt sich über die gesamte Stirnseite eines breiten Gewerbebaus. Wie in einer Galerie schlendert man von Hörbereich zu Hörbereich, eine echte Abgrenzung der Anlagen und angedeuteten Räume gibt es allerdings nicht. Das bringt Offenheit, Transparenz und einen schnellen Überblick über das Sortiment des exklusiven HiFi-Geschäfts. Lässt eine der wenigstens drei vorführbereiten Ketten ihre Muskeln spielen, tanzen alle anderen mit. Am besten sei es deshalb, einen Termin zu vereinbaren. Freilich darf jeder, der zufällig am Laden vorbeikommt, gern hereinkommen und ein wenig im Angebot schnuppern. Wenn es gerade ungünstig ist, muss er sich aber damit abfinden, auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet zu werden, was, so Stelzer, zu seiner anfänglichen Verblüffung nahezu immer positiv aufgenommen wird und sich zu einem Qualitätsmerkmal entwickelt hat. Echte Öffnungszeiten habe der Laden nicht, wie wir erfahren: „Da wir jeden Kunden individuell beraten wollen, müssen wir uns nach deren Zeiten richten.“ Obwohl Aug & Ohr offiziell von 13 bis 19 Uhr die Türen offen hat, seien Hörsessions an Sonntagen oder bis in die tiefe Nacht hinein nichts Ungewöhnliches. „Man lässt es morgens etwas langsamer angehen und kommt zum Ausgleich halt etwas später in den Laden“, wie Stelzer lachend hinzufügt. Ein schlechtes Gewissen müsse jedenfalls kein Kunde haben, der sich nicht von der Anlage losreißen könne.
Das ist aber nur ein Grund für das Singularitätskonzept. Der Geschäftsführer, das wird uns im Verlauf des Gesprächs schnell klar, geht merklich auf sein Gegenüber ein. Zu fast jedem Thema, das wir anschneiden, kann er Anekdoten beisteuern, die unser zunächst konzentriertes Interview schnell in eine ausgelassene Plauderei umlenken. Das Abbauen der Distanz sei auch dringend erforderlich, wie er mir später erklärt. Schließlich müsse er im lockeren Gespräch schnell herausfinden, wo die Interessen und Vorlieben seines Gegenübers liegen. Nur so lassen sich optimale Lösungen finden. Seit 43, vielleicht 44 Jahren mache er das schon, erzählt er uns. So genau wisse er es gar nicht mehr. Ursprünglich vertrieben die Züricher – wie so viele in den frühen Jahren der Branche – Lautsprecherbausätze. Sie entwickelten eigene Boxen und führten daneben selbstverständlich auch Car-HiFi. 1999 – Bastelsatz, Boxenbau und Automotive waren da längst Geschichte – benannte Stelzer den ACR-Shop schließlich in „Aug & Ohr AG“ um, was man als verspielte Ableitung der Begriffe „Audio“ und „Video (AV)“ verstehen darf. Das „Video“ sollte man allerdings nur als selbstverständliche Abrundung des Portfolios betrachten. Zwar können wir im Laden eine verwaiste Leinwand und eine an der Decke montierte Projektorhalterung entdecken, doch gibt es keine Fernseher, geschweige denn passende Wiedergabegeräte. Falls ein Kunde nach einer Komplettlösung inklusive Großbild fragt, kann das freilich trotzdem berücksichtigt werden.
Das Geschäft habe sich in den vergangenen 23 Jahren drastisch gewandelt, wie uns Stelzer erklärt. Mit der großen AV-Welle der frühen 2000er verschwand auch der klassische Hobbyist. Die meisten Kunden, die sich für das Premiumangebot der Züricher interessieren, wollen nicht über Kabelklang oder Stromtuning diskutieren, sondern wünschen sich „schlüsselfertige“ Lösungen. Stelzer hat augenscheinlichen Spaß an den Herausforderungen, die das mit sich bringt: Die Anlagen, die er heute verkaufe, müssen nicht nur toll klingen, sondern großartig aussehen und sich dezent, auf Wunsch auch schon mal dominant ins Wohnambiente einfügen. Das Zusammenwürfeln verschiedener Hersteller sei da ebenso verpönt wie armdicke Lautsprecherstrippen auf Kabelliften. Stattdessen halte sich Aug & Ohr an Marken, die ein modernes, gut integrierbares Design bieten. Zu denen zähle er vor allem AVM und Hegel, die neben Lautsprechern von B&W und YG Acoustics den harten Kern seines Angebots bilden. Wenn es – wie erwähnt – „dominanter“ sein darf, vertraue er auf die bildschönen Hornskulpturen von Avantgarde Acoustic. Die beiden Elektronikmarken überzeugen vor allem durch ihre exzellente Integration. Sowohl AVM als auch Hegel vereinen Vollverstärker mit D/A-Wandlern und Streamern. Da komme man mit einer Komponente schon ziemlich weit, die Systeme ließen sich zudem problemlos um analoge und digitale Zuspieler erweitern. Und falls mehr „Power“ gefordert wird, hätten beide auch diskrete Komponenten im Sortiment. Das ist natürlich nur ein Ausschnitt des A&O-Portfolios. Stelzer führt viele weitere Marken, darunter CH-Precision, Classé, Devialet oder Revox, um nur einige zu nennen. Unter den vielen Lautsprechern im Laden entdecke ich Modelle von Piega, Gauder Akustik, Vivid Audio, Cabasse oder Sotto Voce. Das Design steht auch hier im Vordergrund, denn was ich nicht sehe, sind klassische „Holzkisten“.
Praktisch alle Systeme werden zum Kunden angeliefert und dort installiert, wobei es die Kollegen verstünden, Kabel zu verstecken oder zumindest so zu verlegen, dass sie als harmonischer Teil des Ganzen wirken. Ob zu diesen „Installationen“ auch Multiroom-Konzepte gehören, will ich wissen. „Nein“, kontert der Geschäftsführer ohne Nachdenken, um nur kurz darauf anzumerken, dass es natürlich doch noch irgendwie stattfinde. Integrierte Wiedergabe- und Steuerungskonzepte seien früher unglaublich komplex gewesen und daher die Domäne von Experten. Mittlerweile sei aber praktisch jede Kombination mehrerer Streamer raumübergreifend steuerbar, und über Umwege seien auch Lichtsteuerungen etc. integrierbar. Im schlimmsten Fall müsse man halt flink die Remote-App wechseln. Die LAN-Strippe habe gewissermaßen die Notwendigkeit genommen, Wände für Controller-Platinen und ganze Kabelbäume aufzumeißeln. WiFi hingegen sei für ihn ein absolutes No-Go. Auch wenn die Schnittstelle mit betörenden Argumenten beworben werde, habe sie sich als störanfällig und klanglich nachteilig erwiesen.
Beim anschließenden Rundgang durch die verschiedenen Abteilungen des Geschäfts stolpern wir immer wieder über highfidele „Youngster“ und „Oldtimer“. So steht im großen Hörraum eine B&W Nautilus, die Stelzer immer noch für einen der besten Lautsprecher überhaupt hält. Direkt nebenan sehen wir die an ein Saxofon erinnernde B&W Prestige. Im Gang liegt derweil eine teilweise zerlegte Matrix 801, die auf ihre Reparatur wartet. Weiter hinten gibt es mehrere Regale, in denen man sich einen umfassenden historischen Einblick in die Geschichten von AVM und Revox verschaffen kann. Am Ende des Tages sei er halt immer noch ein Überzeugungstäter, merkt Roman Stelzer an. Er durchforste das Internet nach Kuriositäten und Klassikern, restauriere die Geräte und stelle sie dann in den Laden – oder in sein Wohnzimmer. In einigen Fällen gehe er für Kunden sogar gezielt auf die Suche nach begehrten Schätzchen oder pflege und hege ebensolche: „Gerade hatten wir einen JBL Paragon zur Überarbeitung hier“, berichtet er mit Begeisterung. „So etwas sieht und hört man auch nicht alle Tage.“
Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag: 13 bis 19 Uhr oder nach telefonischer Absprache
Samstag: nach Vereinbarung
Sonntag: nach telefonischer Anfrage
Kontakt
Aug & Ohr AG
Heinrichstrasse 248
8005 Zürich
Schweiz
Telefon +41 44 2711222