FIDELITY Wissen: Tonarmeinstellung
Wer sich vom vormontierten Einsteigerdreher aus weiterentwickelt, wird sich früher oder später mit der Einrichtung seines ersten Tonabnehmers konfrontiert sehen. Gehen Sie mit einem bisschen Respekt vor der filigranen Mechanik und unserer Schritt-für-Schritt-Anleitung an diese Aufgabe heran, und Sie werden schnell feststellen, dass sie tatsächlich zu bewältigen ist.
Beim der Aufstellung des Plattenspielers und der Tonarmeinstellung hat es sich bewährt, in einer definierten Reihenfolge vorzugehen, die wir im Folgenden im Detail durchgehen:
- Das Laufwerk auf- und in die Waage stellen
- Tonabnehmer anbringen und anschließen
- Die Auflagekraft einstellen
- Die Tonarmhöhe anpassen
- Den Tonabnehmer ausrichten
- Das Antiskating einstellen
Noch eines vorweg: Auch wenn man vor der Plattenspielereinrichtung keine Angst haben muss, sind sehr wohl Augenmaß, Geduld und Feingefühl gefragt. Nehmen Sie sich also Zeit und denken Sie daran, dass es an einem Plattenspieler kein Schräubchen gibt, das „festgeknallt“ werden müsste – fingerfest genügt vollkommen.
Aufstellen des Laufwerks
Damit beim Abspielvorgang alles rund läuft, muss zunächst sichergestellt sein, dass der Dreher möglichst perfekt in der Waagerechten steht. Zur Überprüfung empfiehlt sich hier eine Dosenlibelle, die Sie auf den blanken Plattenteller legen können, nachdem Sie das Laufwerk auf einer planen, stabilen Oberfläche aufgestellt haben. Viele Plattenspieler verfügen über verstellbare Füße, mit deren Hilfe Sie Ihren Plattenspieler in die Waage stellen können.
Montage und Verkabelung des Tonabnehmers
Im nächsten Schritt montieren wir den Tonabnehmer am Tonarm, der bei diesem Schritt am besten in seiner Halterung fixiert sein sollte. Da wir das System später in der Headshell feinjustieren werden, verfügt diese über zwei Schienen, die bei der Einbauposition einen gewissen Spielraum bieten. Im Lieferumfang des Tonabnehmers oder des Tonarms sollte mindestens ein Paar passender Schrauben enthalten sein, die Sie nun von oben durch die Schienen führen und in die dafür vorgesehenen Gewinde auf der Oberseite des Tonabnehmers einschrauben. Ziehen Sie die Schrauben dabei zunächst nur lose an, sodass sich das System in der Headshell verschieben lässt, und richten Sie es etwa mittig aus.
Beim Anschließen des Tonarms sind wegen der filigranen Käbelchen unbedingt Geduld und Feingefühl gefragt. Welches Kabel wo angeschlossen wird, gibt eine Farbkodierung vor. Üblich sind hier Rot und Weiß für den rechten und linken Signalleiter, Grün (rechts) und Blau (links) sind die jeweiligen Masseleitungen.
Sollten die Farbmarkierungen bei Ihrem Tonarm oder Pickup abweichen oder gar ganz fehlen, konsultieren Sie das Benutzerhandbuch. Die Endhülsen der Tonarmkabel sollten sich mit mäßigem Widerstand unter Verwendung einer Pinzette oder kleinen Zange auf die Kontaktstifte am System aufstecken lassen. In manchen Fällen kann es jedoch sein, dass sie zu eng oder zu weit sind. In diesem Fall sollten Sie die mit einer Spitzzange vorsichtig zudrücken – nur so weit, bis sie von selbst sitzen – beziehungsweise mit einem sehr kleinen Schraubenzieher leicht weiten.
Einstellen der Auflagekraft
Als Nächstes nehmen wir den Tonarm aus seiner Halterung und bewegen ihn zwischen die Ruhestellung und den Plattenteller. Dabei halten wir den Zeigefinger stets unter dem Fingerhaken des Tonarms, um ein unkontrolliertes „Abstürzen“ des Tonabnehmers zu verhindern. Nun verstellen Sie das Gegengewicht des Tonarms (in der Regel sitzt es auf einem Gewinde) vorsichtig so lange, bis der Tonarm von selbst in der Waagerechten schwebt. Bei vielen Plattenspielern ist das Gewicht mit einer Skalenscheibe versehen, die im ausbalancierten Zustand auf null gestellt wird. Anschließend drehen wir das Gewicht ein, bis die Skala das empfohlene Auflagegewicht des Tonabnehmers anzeigt. Wer hier besonders genau sein will, kann freilich mit einer Tonarmwaage arbeiten, die auf den Plattenteller gelegt wird und die Auflagekraft der vorsichtig auf den Messpunkt aufgelegten Nadel exakt angibt.
Vertikaler Spurfehlwinkel
Der vertikale Spurfehlwinkel (Vertical Tracking Angle; VTA) beschreibt die Neigung der Nadel um die Querachse des Tonabnehmers. Ein Fehlwinkel bedeutet hier also, dass die Nadelspitze den Schultern in der Rille hinterherhinkt oder vorauseilt. Die Einstellung des VTA wird nicht am Tonabnehmer an sich, sondern über die Tonarmhöhe vorgenommen: Ist dieser beim Abspielen exakt waagerecht, sollte – sofern Pickup-Konstruktion und Auflagekraft stimmen – der Diamant ebenso exakt senkrecht nach unten zeigen. Nahezu alle hochwertigen Tonarme besitzen eine Höhenverstellung, etwa über Gewinde.
Eine Ausnahme bildet hier Rega: Bei den Briten wird die Montagehöhe über Spacer reguliert. Da es bei manchen Tonarmen knifflig sein kann, festzustellen, ob sie genau parallel zur Plattenebene stehen, sind manche Modelle zu diesem Zweck mit Hilfslinien ausgestattet – etwa die konischen Tonarme von SME. Apropos knifflig festzustellen: Als Hilfsmittel gibt es hierfür Anlegeblöcke aus Acrylglas, die mit einem Liniengitter bedruckt sind. Der Block wird einfach vor dem Tonarm auf die Schallplatte aufgelegt, der Blick hindurch verrät, ob der Arm richtig in der Waage liegt. Zur Not kann ein Geodreieck dieselbe Aufgabe erfüllen.
Neben der Bauform des Tonarms und des Pickups ist übrigens auch der Tonträger an sich ein Teil der Gleichung: Da nicht alle LPs gleich dick sind, variiert der VTA von Platte zu Platte um einen minimalen Betrag. Es empfiehlt sich also, die Höhenjustage mithilfe einer mitteldicken Schallplatte vorzunehmen – es sei denn, Sie hören vorzugsweise Edelvinyl, weshalb sie lieber konsequent auf 180-Gramm-Pressungen hin optimieren und entsprechende Abstriche bei dünnen Grabbelkistenalben in Kauf nehmen möchten.
Azimut
Neben dem vertikalen Spurfehlwinkel fällt im Kontext der Tonabnehmerausrichtung häufig der Begriff Azimut. Dabei handelt es sich um den von vorn betrachteten Winkel der Abtastnadel. Bei einpunktgelagerten Tonarmen muss zwingend eine Azimutkorrektur erfolgen, wobei sich kleine Spiegel und die bereits erwähnten Anlegeblöcke aus Acryl als äußerst nützliche Werkzeuge erweisen. Bei so populären Tonarmen wie denen von Linn, Pro-Ject, Rega und den moderneren SME gibt es dagegen keine Einstellmöglichkeit. Viele Headshells nach SME-Standard bieten in den entsprechenden Tonarmen die Option, sie um die Längsachse drehen zu können und so den Azimut, wenn nötig, zu korrigieren.
Spurfehlwinkel
Der Prozess der Spurfehlwinkeleinstellung ist im Prinzip nicht kompliziert, erfordert allerdings etwas Fingerspitzengefühl. Die korrekte Ausrichtung des Tonabnehmers ist eine heiß diskutierte Wissenschaft (siehe Kasten) – allerdings haben die meisten Hersteller die Hausaufgaben für uns gemacht und geben uns eine Einstellschablone mit auf den Weg, die dem Tonarm perfekt angepasst ist. Diese Schablone stecken wir wie eine Schallplatte auf den Führungszapfen des Drehers. Wie oben beschrieben, lässt sich die Position des Systems in der Headshell verstellen. Nun richten wir den Tonabnehmer vorsichtig so aus, dass die Nadel exakt auf dem Referenzpunkt aufliegt und das System genau parallel zu den Längslinien ist. Ist sie korrekt ausgerichtet, ziehen wir die Schrauben fingerfest an.
Da die meisten Plattenspieler Drehtonarme verwenden, die die Rillen der Platte nicht entlang einer Geraden, sondern eines Kreisbogens kreuzen, läuft die Tonabnehmernadel im Verlauf des Abspielvorgangs leicht im Uhrzeigersinn ein, wodurch sich der Abtastwinkel permanent verändert. Dabei gibt es zwei Punkte auf der bespielbaren Fläche der Schallplatte, an denen die Tonabnehmernadel ohne Fehlwinkel abtastet – diese beiden Punkte nennen wir die Nulldurchläufe.
Die Kunst besteht nun darin, durch die Positionierung des Pickups diese beiden Nulldurchläufe so anzuwählen, dass abseits dieser beiden idealen Punkte so wenig wie möglich aus dem Ruder läuft. Und hier kommen so viele Variablen ins Spiel, dass es für die Gleichung nicht eine objektiv richtige, sondern im Prinzip unendlich viele plausible Lösungen gibt. Einmal stellt sich etwa die Frage des bespielbaren Bereichs: Europäische und japanische Normen gehen von einem etwas größeren bespielbaren Bereich (sprich: von einem kleineren Mindestradius) aus als amerikanische, was natürlich einen Einfluss auf die Wahl der Nulldurchläufe hat. Die zentrale Frage ist allerdings, woraufhin genau man den Abtastwinkel optimieren will. Hier haben sich drei Ansätze etabliert.
Zwei der drei gängigen Einstellschemata entwickelte Löfgren in den 30er Jahren. Deren erstes, „Löfgren A“ oder auch „Baerwald“ genannt, wählt die Nulldurchläufe so, dass der Abtastfehler an seinen höchsten Punkten (am Anfang, um die Mitte und am Ende) jeweils gleich groß ist – dadurch fällt der maximale Fehlwinkel so gering wie möglich aus. Löfgren B zielt auf einen im Durchschnitt möglichst geringen Fehler ab. Die Nulldurchläufe liegen hier jedoch etwas weiter außen, wodurch am Minimalradius der Spurfehlwinkel deutlich höher ausfällt. In den 70er Jahren hat sich schließlich Stevenson nochmal mit dem Thema befasst und die Erkenntnis miteinbezogen, dass die durch Spurfehlwinkel verursachten Verzerrungen zum Plattenende hin aufgrund des geringeren Abtastradius zunehmen. Deshalb hat er den inneren Nulldurchlauf direkt auf den Minimalradius gesetzt und den äußeren – ähnlich wie Löfgren A – so gewählt, dass der Fehlwinkel um die Plattenmitte und am Anfang jeweils gleich groß ist. Dass diese drei Ansätze am weitesten verbreitet sind, macht sie allerdings keinesfalls universell; zahlreiche große Hersteller wie Rega oder Technics haben hier hauseigene Standards entwickelt.
Antiskating
Zu guter Letzt stellen wir noch das Antiskating ein. Nötig ist dieser Schritt, weil der Diamant durch die Kröpfung der Headshell nicht auf einer Achse mit dem Tonabnehmerrohr liegt und der Reibungswiderstand beim Abtasten den Tonarm dementsprechend leicht nach innen zieht. Die Justage der Antiskatingkraft unterscheidet sich von Hersteller zu Hersteller, wobei sich aber auch hier gängige Lösungen durchgesetzt haben. Häufig wird das Antiskating etwa mit einem skalierten Drehrädchen eingestellt, das einfach auf die Auflagekraft eingestellt wird. Viele Hersteller arbeiten jedoch auch mit anderen Methoden wie etwa an Fäden aufgehängten Gewichten. In solchen Fällen halten Sie sich am besten – wie so oft – einfach an die Herstellervorgabe.
Und damit ist die Einrichtung Ihres Plattenspielers auch schon abgeschlossen – was jetzt noch bleibt, ist, sich zurückzulehnen und mit guter Musik zu belohnen.