FIDELITY Wissen: Lautsprecheraufstellung
Irgendwie spielt die Anlage nicht auf den Punkt – der Bass wummert vor sich hin, die Singstimme wabert zwischen den Lautsprechern umher. Kann ein neuer Kabelsatz Abhilfe schaffen, Raumakustikmodule vielleicht? Bevor wir uns an kostspielige Tuningmaßnahmen machen, wenden wir uns doch erstmal den Grundlagen zu: Die richtige Lautsprecheraufstellung ist nicht nur eine kostenlose, sondern wohl auch die effektivste aller Klangverbesserungsmaßnahmen.
Es ist schon erstaunlich, wie zwei verhältnismäßig kleine Kisten die Luft in einem Raum so manipulieren können, dass unser Gehör aus den Luftdruckveränderungen nicht nur einen Ton, sondern mitunter ein ganzes Orchester errechnen kann: Wenn eine Band oder ein Orchester spielt, breitet sich ein komplexes Konglomerat von Schallwellen von der Bühne her aus und erreicht irgendwann unsere Ohren. Da es sich bei diesen im Grunde um zwei kleine Punkte im Raum handelt, bedeutet das, dass unser Gehirn lediglich zwei Wellenformen so aufdröseln kann, dass es die einzelnen Schallquellen – in unserem Fall Instrumente und Stimmen – auseinanderhalten, ihre jeweilige Tonalität und auch ihre räumlichen Bezüge zueinander ermitteln kann.
Stereo-Musikwiedergabe macht sich die Tatsache zunutze, dass all diese Information eben in zwei Wellenformen gebündelt ist – das macht es möglich, mit nur zwei Lautsprechern ein praktisch beliebig komplexes, dreidimensionales Musikereignis zu reproduzieren. Damit das funktioniert, müssen jedoch alle Zahnräder ineinandergreifen: Die Schallwandler können natürlich nicht das Schallfeld eines Orchesters vollständig nachbilden; stattdessen imitieren die beiden Lautsprecher je eine Wellenform, die an zwei verschiedenen Punkten im bespielten Raum entstanden ist, und senden diese weiter in Richtung Hörer – Stichwort Stereodreieck. An einem Punkt im Hörraum – dem sogenannten Sweetspot – treffen die beiden Signale dann exakt so aufeinander, wie es beim aufgenommenen Konzert der Fall war. Hier kann unser Gehör aus der auf der Aufnahme enthaltenen Information am präzisesten das festgehaltene Musikereignis rekonstruieren.
Diesen Sweetspot suchen wir, und um ihn zu finden, müssen wir zwei Dinge erreichen: Zum Ersten müssen wir die richtigen Dimensionen für unser Stereodreieck finden, zum Zweiten müssen wir es so in unseren Hörraum einbetten, dass sich das Zusammenspiel zwischen Lautsprechern und den umgebenden Wänden als Raumhall gewinnbringend an der Musik beteiligt, statt in Gestalt nerviger Dröhnfahnen Information zu verschleiern. Aber keine Sorge, auch wenn die Gleichung einige bewegliche Teile hat, muss der Aufstellungsprozess nicht kompliziert sein: Wir zeigen Ihnen hier eine Methode, die in drei Schritten zur optimalen Aufstellung führt und bei der Sie das Maßband allenfalls als Kontrollinstrument brauchen.
Schritt 1: Den Basstrichter zähmen
Bevor wir uns der Raumabbildung widmen, müssen wir uns zunächst einmal um die richtige Tonalität kümmern, denn die Entfernung der Lautsprecher zur Seiten- und Rückwand beeinflusst die Basswiedergabe: Steht ein Lautsprecher frei, strahlt er hohe Frequenzen nach vorn ab, während sich Grundton und Bass mit ihren großen Wellenlängen um die Schallwand „herumwickeln“ und damit auch nach hinten abgestrahlt werden. Im Umkehrschluss heißt das, dass nur die halbe Bassenergie nach vorne abgegeben wird; der Lautsprecher würde also an sich Höhen lauter wiedergeben als den Tiefton. Das ist in der Frequenzweiche allerdings berücksichtigt, sodass sich für den Hörer ein ausgewogener Frequenzgang ergibt. Stellt man unmittelbar hinter dem Lautsprecher allerdings eine solide Wand auf, reflektiert sie die rückwärtig abgestrahlten Bassanteile wieder nach vorn und der Basspegel steigt um sechs Dezibel auf das Doppelte an. Dasselbe gilt für die Seitenwand – stellt man den Lautsprecher also direkt in die Ecke, erhält man im Tiefton eine Anhebung um 12 Dezibel, also das Vierfache der Referenz.
Stellt man den Lautsprecher weiter von der Wand weg, verschiebt sich die Phase der reflektierten Welle gegenüber der vom Lautsprecher abgestrahlten, und die beiden addieren sich nicht mehr voll auf – die Grenzflächenverstärkung fällt also geringer aus. Durch den Abstand zu den Wänden können wir den Basspegel also steuern – und da kaum ein Lautsprecher im Freifeld bis hinunter zu 20 Hertz den vollen Pegel abgeben kann, ist ein bisschen Hilfestellung von den Wänden tatsächlich von Vorteil.
Die Kunst besteht nun darin, die richtige Balance zu finden. Einen guten Startpunkt finden Sie am besten mithilfe eines Freundes, der idealerweise eine sonore Stimme mitbringen sollte – seine (oder ihre) Bassanteile werden von den Zimmerwänden nämlich auf dieselbe Art beeinflusst wie die der Lautsprecher. Setzen Sie sich auf Ihren vorgesehenen Hörplatz und lassen Sie Ihren Freund von der Vorderwand (also die Lautsprecherwand) aus langsam auf Sie zugehen und dabei sprechen. Direkt an der Wand sollte seine Stimme dröhnig klingen; je weiter er sich von der Wand entfernt, desto klarer und verständlicher wird er werden. Irgendwann kippt das Ganze und der Sprachklang wird hohl und dünn. Wenn Sie auf diese Weise den Punkt gefunden haben, an dem Ihr Freund aus dem vollen Brustton der Überzeugung zu Ihnen spricht, ohne durch Dröhneffekte aufgeblasen zu wirken, haben Sie die richtige Entfernung der Lautsprecher zur Vorderwand gefunden. Auf dieser Höhe wiederholen Sie die Prozedur einmal von der linken und einmal von der rechten Zimmerwand her, um die Entfernung von diesen zu bestimmen. Damit haben Sie soeben die Stereo-Basisbreite gefunden – und dabei haben Sie die Lautsprecher noch gar nicht angefasst! Jetzt ist es aber an der Zeit: Stellen Sie sie nun so auf, dass die Hochtöner über den eben ermittelten Punkten stehen und richten Sie sie zunächst so aus, dass sie gerade in den Raum strahlen.
Schritt 2: Basisbreite, auf links gestülpt
Die letzte Aussage über die Basisbreite war streng genommen nicht ganz richtig, aber den Fehler habe ich bewusst gemacht, weil man diese auf zwei Arten auffassen kann: Die Basisbreite ist das Verhältnis des Abstandes zwischen den Lautsprechern zur Hörentfernung. Geht man von einer festen Hörentfernung aus, muss man die Basisbreite als absolute Entfernung zwischen den Lautsprechern auffassen. Da wir aber eben die idealen Wandabstände gefunden haben und die Lautsprecher deshalb nicht verrücken wollen, betrachten wir die Basisbreite stattdessen als vom Hörplatz aus gesehene Winkelabweichung der Lautsprecher und stellen sie über die Hörentfernung ein.
Bevor wir uns jedoch auf unseren Bürostuhl schwingen, machen wir uns kurz klar, was genau es mit der Basisbreite auf sich hat: Im Prinzip geht es hier um den besten Kompromiss aus einer breiten Bühne und einer stabilen Stereomitte. Das Stereodreieck, bestehend aus den Positionen der beiden Lautsprecher und des Hörsessels, wird gerne als gleichseitig gezeichnet, d. h. alle Winkel haben den gleichen Betrag von 60 Grad. Damit erhalten wir eine Winkelabweichung der Lautsprecher vom Hörplatz von 30 Grad. Das ergibt allerdings eine in vielen Setups zu breite Aufstellung. Wir begnügen uns also mit einem gleichschenkligen Dreieck (der Hörplatz sitzt symmetrisch zwischen den Lautsprechern): Je näher Sie an den Lautsprechern sitzen, desto breiter sind diese perspektivisch zu Ihnen aufgestellt. Die Bühne wird dadurch breiter, was wünschenswert ist – doch zu breit, und die auf beiden Seiten identischen Signalanteile, die für den mittleren „Phantomkanal“ verantwortlich sind, können sich an Ihren Ohren nicht richtig zusammenfügen und das Klangbild reißt gewissermaßen in der Mitte auseinander. Indem wir den Hörabstand vergrößern, verringern wir die Winkelabweichung, und die effektive Basisbreite wird kleiner, ohne dass wir die Lautsprecher bewegen müssen.
Legen wir also ein Stück mit einer durchgehenden, klar in der Mitte positionierten Singstimme ein – ein klasse Beispiel ist hier „Tom’s Diner“ von Suzanne Vega (Retrospective) und beginnen tatsächlich mit dem gleichseitigen Dreieck. Wenn Sie viel Glück haben, rastet die Stimme direkt ein und Sie haben die Hörposition somit bereits gefunden. Erfahrungsgemäß wird das jedoch nicht der Fall sein. Deshalb fahren wir nun unseren Hörplatz entlang der Mittellinie zwischen den Lautsprechern genau so weit zurück, bis die Stimme richtig fokussiert erscheint. Weiter weg wollen wir nicht, weil wir ab diesem Punkt anfangen, Bühnenbreite zu verschenken, ohne weiteren Nutzen daraus zu ziehen …
… Es sei denn, wir bekommen ein Bassproblem: Wie Sie wahrscheinlich wissen, erzeugt Musikwiedergabe im Zimmer stehende Wellen, die in einem festen Verhältnis zu den Raumabmessungen stehen. Es kann passieren, dass die „gerade richtige“ Hörentfernung zufällig auf eine Stelle fällt, an der der Bass durch eine derartige Raummode aufgeblasen oder aber ausgelöscht wird. In so einem Fall ist es besser, ein bisschen Bühnenbreite auf dem Altar einer tonal ausgewogenen Wiedergabe zu opfern – da die Wellenlängen im Bass zwar groß sind, wir uns aber nur um etwa eine Viertelwelle vom „Katastrophenpunkt“ entfernen müssen, machen oft relativ geringe Anpassungen von etwa einem halben Meter einen dramatischen Unterschied.
Zu guter Letzt: das Einwinkeln
Der letzte Schritt ist die Einwinkelung der Lautsprecher. Hier gibt es keine wirklich festen Regeln, weil sich das rechte Maß von Lautsprecher zu Lautsprecher stark unterscheiden kann. Da die Einwinkelung die Ortungsschärfe über die gesamte Stereobühne hinweg beeinflusst, empfiehlt sich für diesen Schritt ein Stück mit einer großen Besetzung – Klassik, Bigband, orchestrale Filmmusik sind hier geeignete Genres. Am einfachsten ist es, von einer gerade in den Raum strahlenden Position auszugehen und die Lautsprecher Stück für Stück so lange einzuwinkeln, bis alle Schallereignisse – vor allem jene, die sich weit seitlich oder über bzw. hinter der Lautsprecherlinie befinden, klar ortbar sind. Wenn Sie irgendwann feststellen, dass sich gerade die Bühnenränder nicht richtig von den Lautsprechern lösen und direkt aus diesen zu kommen scheinen, haben Sie sie zu stark eingewinkelt – dann justieren Sie einfach wieder ein Stück zurück, bis Sie die richtige Balance gefunden haben.
Und damit sind Sie auch schon fertig – ganz ohne Trigonometrieaufgaben und nur nach Gehör. Wenn Sie ein Perfektionist sind und von diesem Startpunkt aus die Performance Ihres Systems durch Millimeterarbeit noch weiter verfeinern wollen, werden wir Sie natürlich nicht aufhalten – mit kleinen Anpassungen lässt sich fast immer noch ein Quäntchen mehr herausholen. Ansonsten wünschen wir Ihnen aber jetzt schon viel Vergnügen beim Musikhören.