Looking for the English FIDELITY Magazine? Just click here!
FIDELITY Wissen - Kopfhörerverstärker

FIDELITY Wissen: Kopfhörerverstärker

Futter für die Ohrwärmer

FIDELITY Wissen: Kopfhörerverstärker

Das Zusammenspiel zwischen Kopfhörer und Kopfhörerverstärker ist ein notorisch heikles Thema. Doch wo genau liegen die Schwierigkeiten? Und noch wichtiger: Wie stelle ich sicher, dass mein Verstärker meine Tonmütze antreiben kann? Michael Zähl, Gründer und Inhaber von Zähl Elektronik-Tontechnik, hilft uns, Antworten zu finden.

FIDELITY Wissen - Kopfhörerverstärker
Der physische Stecker ist erst der Anfang: Auch elektrisch ist mitunter schwer vorherzusehen, ob sich Kopfhörer und Kopfhörerverstärker gut „verstehen“.

Um zu verstehen, warum sich die Paarung von Kopfhörern und Verstärkern nicht immer einfach gestaltet, müssen wir zunächst mit dem Ohm’schen Gesetz vertraut sein – beginnen wir also gleich einmal mit einem kleinen Exkurs.

Elektrisches Beziehungsdreieck

Das Ohm’sche Gesetz besagt, dass die Stromstärke A (gemessen in Ampère) in einem Schaltkreis proportional zur angelegten Spannung V (Volt) ansteigt. Wieviel Strom bei einer gegebenen Spannung fließt, bestimmt der Widerstand – wobei wir bei Wechselstrom stattdessen von Impedanz Z (Ohm) sprechen. Das Beziehungsdreieck dieser Kenngrößen lässt sich mit den folgenden drei gleichwertigen Formeln umschreiben:

FIDELITY Wissen - Kopfhörerverstärker

Die praktische Bedeutung dieser abstrakten Formeln erschließt sich schnell, wenn man sich das Zusammenspiel zwischen Verstärker und Schallwandler (ganz gleich, ob Lautsprecher oder Kopfhörer) vor Augen hält: Der Verstärker „schiebt“ das Musiksignal als Spannungskurve in den Lautsprecher, dessen Impedanz bestimmt, wie viel Stromstärke dabei fließt: Ein 8-Ω-Lautsprecher wird für jedes Volt 1/8 Ampère aus dem Verstärker „ziehen“, ein 4-Ω-Lautsprecher entsprechend 1/4 Ampère. Da Spannung Mal Stromstärke Leistung ergibt, bedeutet das, dass der Verstärker bei gleicher Stellung des Lautstärkereglers in einen 4-Ω-Schallwandler doppelt so viel Leistung abgeben wird wie in ein ansonsten identisches 8-Ω-Modell und dementsprechend um 3 dB lauter spielen wird.

Apropos Leistung: Die erste Frage, die man sich zu Recht bei einem Verstärker stellt, ist, ob er diese in ausreichender Menge zur Verfügung stellen kann. Die Anforderung des Kopfhörers lässt sich am Wirkungsgrad ablesen, der in dB bei einem Watt abgegeben wird. An dieser Stelle ist es wichtig zu verstehen, dass dB keine lineare, sondern eine logarithmische Größe sind: Jede Steigerung des Pegels um 6 dB bedeutet eine Verdoppelung des Schalldrucks, oder – elektrisch betrachtet – eine Verdoppelung der Spannungsauslenkung. Da bei der doppelten Spannung gleichzeitig eine doppelt so hohe Stromstärke durch die Schwingspulen fließt, vervierfacht sich die erforderliche Leistung. Ein Kopfhörer mit einem Wirkungsgrad von 92 dB benötigt also viermal so viel Leistung wie eine 98-dB-Tonmütze, um denselben Schalldruck zu erzielen.

FIDELITY Wissen - Kopfhörerverstärker
Michael Zähl erläutert dem Autor per Zoom-Call technische Feinheiten und Erwägungen bei der Entwicklung von Kopfhörerverstärkern.

Die gefürchtete Impedanz

Da wir bei Kopfhörern von kleinen Treibern sprechen, die dazu noch in unmittelbarer Nähe der Ohren sitzen, sind die Leistungsanforderungen an Kopfhörerverstärker relativ gering. Verkompliziert wird die Wahl des richtigen Antriebs durch die Impedanz. Was bei Lautsprechern, bei denen der Nominalwert meist zwischen 4 und 8 Ω liegt, in der Regel kein allzu großes Problem darstellt, wird bei Kopfhörern ungleich kniffeliger, da hier Werte von 15 Ω am unteren Ende bis hin zu 600 Ω nichts Ungewöhnliches sind; verschiedene Kopfhörer stellen also mitunter extrem unterschiedliche Anforderungen an den antreibenden Verstärker. Ein hochohmiger Kopfhörer benötigt bei gleichem Wirkungsgrad mehr Spannung, um die gleiche Lautstärke zu erzielen. Im Gegenzug stellt er geringere Anforderungen an die Stromlieferfähigkeit, weil er entsprechend weniger Ampère „zieht“, um im Endeffekt die gleiche Leistung abzurufen. Man sollte deshalb auf jeden Fall die Nennimpedanz seines Kopfhörers kennen, bevor man sich auf die Suche nach geeigneten Verstärkerkandidaten macht.

Grundsätzlich können höherwertige Verstärker natürlich tendenziell eine größere Bandbreite an Impedanzen bedienen. „Wenn man mit einem stationären Netzteil arbeitet, kann man ohne allzu großen Aufwand einen Spannungshub von ±15 bis ±18 Volt erreichen“, erklärt Michael Zähl, und ergänzt: „damit kann ich bei einem Kopfhörerverstärker wie dem HM1 Impedanzen von 15 Ω bis etwa 200 Ω mit einer Architektur in der Regel sicher abdecken. Bei höheren Impedanzen kommt es dann auf den Wirkungsgrad des Kopfhörers an.“ Ein guter High-End-Verstärker wird demnach die allermeisten Kopfhörer problemlos antreiben können. Lediglich bei extrem hochohmigen Modellen sind größere Spannungshübe, ±25 Volt und mehr, von Vorteil – ansonsten besteht die Gefahr, dass die nötige Leistung für die gewünschte Lautstärke nicht abrufbar ist, selbst wenn der Verstärker an sich genug Reserven bietet.

Die offensichtliche Antwort könnte nun natürlich lauten: Man baue einfach einen Verstärker mit extremem Spannungshub und gleichzeitig hoher Stromlieferfähigkeit. Hier ergibt sich allerdings das Problem, dass ein hoher Spannungshub logischerweise durch eine hohe Spannungsverstärkung erzielt wird, wodurch sich zwangsläufig auch der Rauschgrund erhöht. Schließt man an einen solchen Verstärker nun einen sehr niederohmigen Kopfhörer an, nutzt man nur einen Bruchteil des verfügbaren Gains und bewegt sich entsprechend näher am Grundrauschen. „Direkt hören wird man das Rauschen natürlich nicht“, meint Zähl, „aber man kommt unter Umständen gefährlich nah ran.“ Hohe Spannungen bei gleichzeitig hoher Stromstärke sind freilich bei besonders wirkungsgradschwachen Kopfhörern vonnöten, die trotz geringer Impedanz hohe Spannungen benötigen, wobei die Stromstärke eben wegen besagter niedriger Impedanz ebenfalls hoch ausfällt – kurzum: Hier ist einfach Leistung gefragt.

FIDELITY Wissen - Kopfhörerverstärker
Der Kopfhörerverstärker Zähl HM1 arbeitet in Class A und bietet einen reichen Funktionsumfang inklusive Anpassung der Stereo-Basisbreite, zuschaltbarer Gegenkopplung („Servo“) und vielem mehr. Im Bild ist er garniert mit einem Dan Clark Audio Expanse.

Das In-Ear-Paradox

Angesichts des Stromhungers niederohmiger Schallwandler könnte man zum Schluss kommen, bei mobilen Geräten seien hochohmige Kopfhörer von Vorteil – tatsächlich ist aber genau das Gegenteil der Fall: „Aufgrund der geringen Batteriespannung hat man hier natürlich ein großes Interesse daran, mit wenig Spannung auszukommen“, erläutert Zähl. Hier sind In-Ears wegen ihrer nochmals deutlich kleineren Membranen, die zudem noch wesentlich näher am Trommelfell sitzen, klar im Vorteil. Stromstärke- und Leistungsbedarf sind somit ohnehin gering. Da die Batterie eines Mobilgerätes als Stromversorgung stets einen Flaschenhals darstellt, hält Zähl solche als Antriebsquelle für High-End-Over-Ears übrigens für eher ungeeignet – wiegelt im gleichen Atemzug aber diplomatisch ab: „Es spricht ja nichts dagegen, seinen Lieblingskopfhörer mit in den Park zu nehmen und unterwegs auf das letzte bisschen Klangqualität zu verzichten – draußen hat man ja ohnehin keine idealen Bedingungen – und dann daheim über einen stationären Verstärker richtig zu hören.“

Was ist jetzt anders?

Auch wenn wir hier mit anderen Zahlenwerten arbeiten, können wir doch feststellen, dass die Grundprinzipien dieselben sind wie bei regulären Lautsprechern – Schwingspule ist Schwingspule. Was genau unterschiedet also einen Kopfhörer- von einem Lautsprecherverstärker. Die einfache Antwort: grundsätzlich nichts, verbunden mit einem großen Aber. Zähl zäumt das Pferd von hinten auf: „Eigentlich könnte ich aus einer technischen Position heraus sagen, nimm einen 500-Watt-Verstärker. Der ist so eine starke Quelle, dass du damit nichts falsch machen kannst“, und ergänzt sogleich das Aber, „das Problem ist aber, dass die Architektur eines solchen Verstärkers einige Nachteile mit sich bringt. Konstruiert man eine Endstufe, die mehrere hundert Watt mobilisieren kann, braucht man dafür ein entsprechendes Netzteil, große Kapazitäten, starke Ausgangstransistoren und so weiter. Dass ein solcher Koloss nicht so akribisch exakt mit Audio-Signalen im Mikrovoltbereich umgehen kann wie ein Verstärker, dessen Architektur eher der einer Vorstufe gleicht, dürfte einleuchtend sein. Wichtig sind ja nicht nur die Spannungsspitzen, sondern auch die minimalen Signalanteile, die sind extrem wichtig für die räumliche Darstellung.“

Andersherum lässt sich dies freilich als Vorteil für den Kopfhörerverstärker beschreiben: Weniger Leistung bedeutet weniger Bauteile – mitunter kommt man mit weniger Gain-Stufen aus. Ein weiterer Vorteil, den der geringe Leistungsbedarf mit sich bringt, ist, dass man bei Kopfhörerverstärkern ohne Weiteres mit regulierter Spannung arbeiten kann. Wird die Spannung nur gleichgerichtet und mittels Kondensatoren gesiebt, bleibt naturgemäß stets eine gewisse Restwelligkeit bestehen, d.h. die Ausgangsspannung des Netzteils schwankt. Ein Stabilisierungselement – im einfachsten Fall eine Zener-Diode – ist ein Bauteil bzw. Schaltkreis, der eine konstante Spannung abgibt, solange an ihrem Eingang mindestens dieselbe Spannung anliegt: Auf Änderungen der eingehenden Spannung reagiert es mit einer Veränderung der eigenen Impedanz und egalisiert auf diese Weise die Schwankungen am Eingang. Arbeitet man also mit einer gleichgerichteten Spannung, die beispielsweise zwischen elf und neun Volt schwankt, kann man eine auf acht Volt dimensionierte Stabilisierungsschaltung (worunter allerdings mehr zu verstehen ist als nur die oben beschriebene Zenerdiode) einfügen und so eine 8-V-Spannung abgreifen, die sich dem Ideal der Batteriespannung nähert. Eventuell ahnen Sie schon, wo bei größeren Leistungen das Problem liegt. Dass die Eingangsspannung grundsätzlich größer sein muss als die Ausgangsspannung bedeutet, dass Spannungsstabilisierung zwangsläufig verlustbehaftet ist. Bei Kopfhörerverstärkern und Vorstufen ist das in Ordnung, bei großen Endstufen lässt sich das aus Gründen der Hitzeentwicklung nicht realisieren.

Freunde puristischer Topologien wittern wahrscheinlich auch noch einen Vorteil: Wenn man schon nur einige Watt pro Kanal benötigt, bietet es sich natürlich an, diese in Class A umzusetzen. Das hat auch Michael Zähl bei seinem HM1 so gemacht, obwohl er es ursprünglich nicht unbedingt vorhatte. Aus dem Studiobereich kommend, hat er keinerlei Berührungsängste mit Gegenkopplung: „Bei der Gegenkopplung handelt sich um eine Regelschleife, die Eingangs- und Ausgangs-Signal eines Verstärkers vergleicht. Sollte das Ausgangssignal abweichen, wird es entsprechend korrigiert.“ Logisch betrachtet, muss ein Fehler ja erst einmal auftreten, bevor er korrigiert werden kann. Stellt man sich das auf einer Zeitschiene vor, läuft die Korrektur dem Fehler hinterher, was beispielsweise bei Impuls- oder Rechtecksignalen zum gefürchteten Überschwingen führen kann. Zähl: „Beim heutigen Stand der Technik kann dieses Regelverhalten aber so optimiert werden, dass auch solche Signale absolut unverfälscht wiedergegeben werden.“ Was Verzerrungen angeht, misst ein Verstärker mit Gegenkopplung bekanntermaßen unter Last wesentlich besser als eine Class A Endstufe. „Allerdings hat sich bei unseren Hörversuchen gezeigt, dass Class A bei bestimmten Musikrichtungen entspannter klingen kann“, stellt Zähl fest. Daher überlässt er die Wahl dem Hörer – im HM1 ist die Gegenkopplung zuschaltbar. Da es sich um ein Class-A-Gerät handelt, muss die Feedbackschleife allerdings keine Übernahmeverzerrungen eliminieren, sondern dient der Senkung der Ausgangsimpedanz, sie korrigiert quasi die Nichtlinearitäten, die der Kopfhörer am Ausgang der Endstufe erzeugt. Beim HM1 liegt die Impedanz ohne Gegenkopplung bei etwas unter 1 Ω. Mit Gegenkopplung liegt sie im niedrigen Milli-Ω Bereich – bei leistungshungrigen niederohmigen Kopfhörern also eine klare Empfehlung.

Bei all den technischen Erwägungen entscheidet auch für Zähl am Ende stets das Ohr – bei der Wahl des Kopfhörerverstärkers gibt es für ihn nur eine richtige Vorgehensweise: „Hören – alles andere ist Unsinn.“

Wir bedanken uns bei Michael Zähl.

www.zaehl.com

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.