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FIDELITY Wissen: Frequenzweichen

FIDELITY Wissen: Frequenzweichen

Hier trennen sich die Wege

Frequenzweichen – hier trennen sich die Wege

Wenn doch eine Punktschallquelle das theoretische Ideal darstellt – wieso machen sich dann bei fast allen Lautsprechern zwei, drei oder noch mehr Treiber auf teils einem Dreiviertelmeter Schallwand breit? ­Karl-Heinz Fink, Chef und Entwickler hinter den Produkten von ­FinkTeam, Epos und vielen weiteren Marken, beleuchtet für uns die Grundzüge und Problemstellungen des Designs von Frequenzweichen.

FIDELITY Wissen: Frequenzweichen
Hier ist eine Auswahl an verschiedenen Induktoren (Spulen) und Kondensatoren. Neben den reinen technischen Parametern hat die Bauteilequalität einen entscheidenden Einfluss auf die Klangqualität.

Das menschliche Ohr ist ein erstaunliches Organ: Mithilfe einer einzigen Membran ist es in der Lage, das Frequenzspektrum von 20 bis etwa 20 000 Hertz zu erfassen – zehn Oktaven! Lautsprechertreiber würden schon bei der Androhung dieser Herausforderung ins Schwitzen geraten. Genau deshalb verteilen fast alle Entwickler die Last auf mehrere Chassis, die auf ein schmaleres Band hin optimiert sind. „Fast alle Entwickler“ schreibe ich, weil es Breitbänder gibt – und dieser Ansatz hat einiges für sich, denn wie mir Karl-Heinz Fink gleich zu Beginn unseres Gesprächs erklärt: „Die beste Frequenzweiche ist keine Frequenzweiche.“

Mit diesem Verzicht zwingt man sich allerdings den einen oder anderen kaum zu meisternden Spagat auf. Soll ein Treiber den gesamten hörbaren Bereich abdecken, kann er einerseits nicht groß genug und andererseits nicht klein genug sein. Da Membranen Wellenlängen, die kleiner sind als ihr eigener Durchmesser, gerichtet abstrahlen, sind im Hochton kleine Treiber von Vorteil, die bei hohen Frequenzen nicht zu sehr bündeln und so ein flächiges, gleichmäßiges Abstrahlverhalten ermöglichen. Mit abnehmender Frequenz muss allerdings mit jedem Hub mehr Luft geschaufelt werden, und hierzu ist Membranfläche unabdingbar.

Hinzu kommt, dass man auch einen Breitbänder nicht einfach ungefiltert laufen lassen kann. Der Grund hierfür ist der sogenannte „Baffle Step“: Während Wellenlängen, die kürzer sind als die Breite der Schallwand, vom Lautsprecher nach vorne hin abgestrahlt werden, „wickeln“ sich längere Wellen (also tiefere Frequenzen) um das Gehäuse herum. Im Tiefton muss also ein doppelt so großes Luftvolumen mit Schalldruck versorgt werden als obenrum. Füttert man dem Lautsprecher ein über die gesamte Bandbreite hinweg lineares Signal zu, halbiert sich in diesem Bereich demnach der Schalldruck, was einem Pegelabfall von 6 Dezibel entspricht. Die daraus resultierende „Stufe“ im Frequenzgang muss glattgebügelt werden, wenn am Ende ein ausgewogen aufspielender Lautsprecher herauskommen soll.

Und wo wir bei Gehäusen sind: Auch sie wirken als Filter, nur eben akustisch und nicht elektrisch. Offensichtlich wird das bei der unteren Grenzfrequenz des Lautsprechers: Im Zusammenspiel mit dem Treiber bildet das Gehäuse einen Hochpass, der bei einem geschlossenen System den Basspegel unterhalb der Eckfrequenz mit 12 Dezibel pro Oktave absinken lässt. Bei Bassreflexlautsprechern liegt die Frequenz niedriger, fällt darunter jedoch mit 24 Dezibel pro Oktave ab. Auch Mittel- und Hochtöner zeigen in ihren jeweiligen Gehäusen solche Filterfunktionen. „Bei der Wahl der Topologie ist es wichtig, dass im Endergebnis die akustische und die elektrische Wirkung addiert zum Tragen kommen“, erläutert Fink.

Frequenz-was?

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Um das notwendige Übel einer Frequenzweiche kommt man letztlich also kaum herum – wie also ist diese aufgebaut? Die wesentlichen Bestandteile sind Hoch-, Tief- und Bandpässe, die jeweils mit einer Kombination aus Kondensatoren und Spulen realisiert werden. In den meisten Frequenzweichen sind zudem auch Widerstände verbaut, etwa um die einzelnen Treiber im Pegel aneinander anzupassen. Ein Hochpass, also ein Filter, das nur hohe Frequenzen passieren lässt, besteht im einfachsten Fall aus einem Kondensator, der in Reihe zwischen dem Verstärkerausgang und dem Hochtöner sitzt. Über seine Kapazität lässt sich die Frequenz einstellen, unterhalb der die Filterwirkung einsetzt – je höher die Kapazität, desto niedriger die Trennfrequenz.

Das Ergebnis ist ein Filter „erster Ordnung“. Ein solcher Filter senkt den Signalpegel um 6 Dezibel pro Oktave – mit jeder Halbierung der Frequenz halbiert sich die Signalamplitude. Fügt man hinter dem Kondensator eine Spule zur Erde ein, erhält man einen Hochpass zweiter Ordnung, der mit einer doppelt so hohen Flankensteilheit arbeitet: Die Amplitude sinkt mit jeder Oktave auf ein Viertel, also um 12 dB. Durch den Einbau eines zweiten Kondensators hinter der Spule erhalten wir einen Filter dritter Ordnung, der mit 18 dB/Okt. trennt, usw.

Tauscht man in diesem Aufbau alle Kondensatoren durch Spulen aus und umgekehrt, werden aus den Hochpässen Tiefpässe, die nach denselben Gesetzmäßigkeiten arbeiten: Eine einzelne Spule filtert hohe Frequenzen mit einer Flankensteilheit von 6 dB/Okt. heraus. Der entscheidende Kennwert heißt in diesem Zusammenhang Induktivität, wobei auch hier größere Werte zu niedrigeren Trennfrequenzen führen. Analog zum Hochpass ergeben eine Spule und ein Kondensator einen Tiefpass zweiter Ordnung (12 dB/Okt.), eine weitere Spule einen Filter dritter Ordnung usw.

Ein Bandpass schließlich entsteht aus der Kombination der beiden Vorgenannten: Ein Netzwerk, das einen tief angesetzten Hochpass mit einem hoch angesetzten Tiefpass verbindet und das Frequenzband dazwischen durchlässt, das dann beispielsweise den Mitteltöner eines Dreiwege-Lautsprechers mit Signal versorgt.

Eine weitere wichtige Kenngröße der Filterfunktion ist die Dämpfung – der sogenannte Q-Wert, der beschreibt, wie sanft oder abrupt sich die Übertragungsfunktion im Bereich der Trennfrequenz ihrer Flankensteilheit annähert. Bei einem niedrigen Q-Wert geschieht der Übergang allmählich über einen breiten Frequenzbereich hinweg, bei höheren Q-Werten geschieht dies entsprechend schneller.

Eine Frequenzweiche für einen Zweiwege-Lautsprecher besteht also aus einem Hochpass vor dem Tweeter und einem Tiefpass vor dem Tiefmitteltöner. Jeder der beiden Treiber kümmert sich um den Frequenzbereich, den er am besten beherrscht, und damit sollte alles bestens sein. Leider ist dies jedoch nicht der Fall: Die Filterung verzögert nämlich das Signal um 90 Grad pro Filterordnung – es gilt also nicht nur, einen glatten Frequenzgang zu erzielen, sondern auch, die Phasenlage so weit in den Griff zu bekommen, dass sich ein vorhersehbares, gleichmäßiges und zeitrichtiges Abstrahlverhalten ergibt. Bei der Wahl des Filtertyps hat man hierbei „die Wahl zwischen Cholera und Pest“, wie Fink beschreibt.

Glatter Frequenzgang …

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So könnten die Transferfunktionen der Filter bei einem typischen Drei-Wege-Lautsprecher aussehen. Während der Bandpass dem Mitteltöner einen oben und unten abgeschnittenen Frequenzbereich zuteilt, sind Woofer und Tweeter durch einen Tief- bzw. Hochpass jeweils nur einseitig bandbreitenbegrenzt. Der elektrischen Filterfunktion nach würde dieser hypothetische Lautsprecher beliebig tiefe Frequenzen wiedergeben, allerdings bildet der Basstreiber im Zusammenspiel mit dem Gehäuse einen akustischen Hochpass, der eine untere Grenzfrequenz bedingt – bei einem typischen Standlautsprecher etwa 30-40 Hz. Die gepunktete Linie beim Tiefpassfilter bildet einen Filter derselben Eckfrequenz, aber einer geringeren Ordnung ab (z.B. 2. statt 3. Ordnung; Abbildung nicht maßstabsgetreu).

Die beiden verbreitetsten Filtertypen sind Butterworth- und Linkwitz-Riley-Filter, die sich neben der Filterordnung auch in ihrer Dämpfung unterscheiden: Linkwitz-Riley-Filter sind Filter gerader Ordnung mit einem Q-Wert von 0,5. Bei der Trennfrequenz sind damit beide Zweige gegenüber dem Eingangspegel um jeweils 6 dB abgesenkt. Als Filter zweiter Ordnung erzeugen sie einen Phasenversatz von 180 Grad, wodurch sich die Zweige an sich gegenseitig auslöschen würden. Die Lösung ist denkbar einfach: Man verpolt einfach einen der beiden Treiber, wodurch sich die Phase um weitere 180 Grad dreht und so wieder am Nullpunkt ankommt – wenn auch um eine Wellenlänge verzögert. Bei einem Filter vierter Ordnung löst sich dieses Problem durch eine 360-Grad-Phasendrehung von selbst. Die zeitliche Verzögerung ist dabei kein nennenswertes Problem, solange die Trennfrequenz einigermaßen hoch ist – bei 2,5 Kilohertz reden wir hier von 0,4 Millisekunden.

Da die −6 dB bei der Trennfrequenz jeweils der halben ursprünglichen Signalamplitude entsprechen, addieren sich die beiden Zweige nach Adam Riese exakt zum richtigen Pegel auf – dies allerdings nur auf Achse. Bewegt der Hörer seinen Kopf nach oben oder unten, verschiebt sich die Phase der Frequenzzweige in Relation zueinander. Sie addieren sich nun nicht mehr komplett auf oder löschen sich im Extremfall sogar gegenseitig aus, wodurch der Pegel abseits der Achse im Übergangsbereich abfällt. „Gerade bei niedrigen Trennfrequenzen – etwa bei Dreiwege-Lautsprechern – kann das zu einem recht dünn klingenden Grundton führen, da durch die Filterung so insgesamt weniger Leistung in den Raum abgestrahlt wird“, führt Fink aus. Dem kann man mit höheren Filterordnungen begegnen. Durch die steileren Filterflanken begrenzt man das Problem auf einen schmaleren Frequenzbereich – allerdings nimmt man dafür wiederum einen insgesamt größeren Zeitversatz in Kauf, der bei niedrigen Trennfrequenzen nicht unerheblich sein kann.

… oder gleichmäßige Leistungsabstrahlung?

Oder aber man entscheidet sich für einen Butterworth-Filter. Dieser zeichnet sich durch eine ungerade Ordnung sowie einen Q-Wert von 0,707 aus. Dieser höhere Q-Wert (man spricht von geringerer Dämpfung) bringt mit sich, dass der Pegel bei der Trennfrequenz nur um 3 dB unter dem Eingangssignal liegt – an sich würde man bei der Addition der beiden Zweige also einen Buckel von 3 dB erwarten. Durch den Phasenversatz um 90 Grad (erste Ordnung) addieren sich die Pegel jedoch nicht vollständig und es ergibt sich im Übernahmebereich ein weitgehend glatter Frequenzgang.

Da sich die Phase vertikal Richtung 0 oder 180 Grad dreht (je nachdem, ob man sich nach oben oder unten bewegt), erhält man im Endeffekt eine Mischung aus Anhebungen und Senken, die in Summe mehr oder weniger auf das richtige Maß an abgestrahlter Leistung kommen. Allerdings merken Sie eventuell schon selbst, wo das Problem liegt: Abseits der Hörachse verhalten sich Butterworth-Filter wegen ihres „schiefen“ Phasenverhaltens mitunter recht unvorhersehbar und unkultiviert, was es schwierig macht, einen insgesamt ausgewogenen Frequenzgang zu erzielen.

„Wie man’s macht, macht man’s falsch“, mag der Zyniker jetzt lamentieren – und in der Tat ist jeder Lautsprecher letztlich eine Kiste voller Kompromisse. Perfektion gibt es jedoch nirgendwo, und wenn Sie heute Abend in Ihrem Sessel Platz nehmen, die Anlage anwerfen und auf „Play“ drücken, werden Sie mal wieder Gelegenheit haben zu staunen, wie verdammt gut Kompromisse funktionieren können, wenn die Entwickler dahinter wissen, was sie tun.

Wir bedanken uns bei Karl-Heinz Fink.

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.