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Steve Kitch Studio

FIDELITY Interview mit Steve Kitch

Ich mastere für HiFi-Hörer!

Steve Kitch – “Ich mastere für HiFi-Hörer!”

Das Beste aus dem Mix herausholen – egal ob für Streaming oder physische Medien. Das ist – ganz verkürzt – Mastering heute.

In den Anfangsjahren der Schallplatte ging es eher darum sicherzustellen, dass jede Platte auf jedem Plattenspieler lief, und zwar ohne zu springen. In den 1990er Jahren dann zeigte der sogenannte Loudness War, das Mastering nicht immer nur positive Seiten hatte. Die Aufnahmen wurden immer lauter gemacht, um sich im Radio gegen die Konkurrenz durchzusetzen. Oft ging das bis ans technisch machbare der digitalen Formate. Klanglich war das furchtbar zusammengepresst und immer hart an der Übersteuerung.

Heute ist Mastering neben der technischen Komponente tatsächlich der Weg, einem guten Mix noch das letzte Quentchen Klangqualität zu entlocken und die einzelnen Stücke einer Platte aneinander anzugleichen. Und seit einiger Zeit gibt es dafür immer mehr Angebote aus dem Bereich künstlicher Intelligenz. Unser Autor Frank Lechtenberg hat mit dem britischen Mastering Engineer Steve Kitch gesprochen, der seit über 25 Jahren im Geschäft ist.

Steve Kitch
Steve Kitch

Fidelity: Steve, in den 70er und 80er Jahren ging es beim Mastering vorrangig um technische Aspekte, um eine technisch saubere Pressung hinzubekommen. Heute ist das auch ein klanglich wichtiger Teil der Produktion. Wie gehst Du einen Mastering Job an, wenn Du einen fertigen Mix vom Kunden bekommst?

Steve Kitch: Ich denke ich bin da nicht mehr so unterwegs wie in den guten alten Zeiten, als es eher ein technischer Prozess war. Es ging um Physik und die Frage, wieviel auf eine Seite passt und wie die Nadel nicht springt. Es ging darum, dass die Platte eben auf den Plattenspielern der Leute problemlos lief, das ist heute kein so großes Problem mehr. Du kannst aber die damaligen Grundlagen immer noch in Dein Mastering einbeziehen. Ironischerweise war es bei Vinyl immer so, dass Du mehr Musik auf eine Seite bekamst, umso dynamischer Mix und Mastering waren. Und das hat gleichzeitig die Platte klanglich besser gemacht.

Das Erste, was ich heute mache ist, mich hinzusetzen und die Musik anzuhören. Das ist eine ziemlich einzigartige Situation. Im Produktionsprozess bin ich wahrscheinlich die erste Person, die die fertige Aufnahme hören darf. Es gibt niemand anderen in der Kette, der diese Position einnehmen kann, und ich nehme das auch nicht auf die leichte Schulter.

Also, wenn ich mich hinsetze, die Lautsprecher einschalte, nutze ich diese einmalige Situation des ersten Hörens. Ich höre danach, was der Song technisch noch gebrauchen könnte, aber gleichzeitig höre ich mir die Emotionen des Stücks an. Danach kann ich mit der Arbeit beginnen. Dann denke ich darüber nach, was der Song gebrauchen kann, damit der Hörer ihn genießen kann. Vielleicht ein paar Höhen mehr hier, vielleicht eine leichte Betonung im Bassbereich. Vielleicht brauche ich dieses oder jenes Equipment dafür. Ich erlaube mir für die Bearbeitung nicht mehr als eine halbe Stunde. Wenn ich dann den Punkt nicht getroffen habe, muss ich nochmal von vorne anfangen. Es ist ein fließender Prozess, du bearbeitest ein paar Dinge, lässt es dann nochmal mal sacken. So gehe ich an die Sache heran.

Heute sprechen viele über die künstliche Intelligenz, die im Mastering schon lange angekommen ist. Da gibt es Programm wie Izotope oder Online-Mastering-Studios, die mit KI arbeiten. Was ist aus Deiner Sicht der Grund, sich dennoch für einen menschlichen Mastering Engineer zu entscheiden?

Steve Kitch Studio

Es gibt mehrere Gründe. Ich hoffe und ich denke am Ende ist es das Ohr und die Erfahrung, die ein ordentlicher Mastering Engineer mitbringt, der das seit 10 oder 20 Jahren macht. Ich mache das seit mehr als 20 Jahren und da hast Du eine Menge Erfahrung aus unterschiedlichen Genres, Stilen und auch durch unterschiedliche Ansprüche und Zielformate. Ich denke nicht, dass eine KI das grundsätzlich gut kann. Ich meine, Du kannst den Algorithmus füttern, aber was dabei herumkommt ist nicht dasselbe. Ich setze mich hin und höre mir das an, arbeite das heraus, was das Stück braucht. Und da ist auch noch das Equipment, von dem eine ganze Menge gerade hinter mir steht. Ich denke, das ist nicht möglich, so etwas zu emulierten. Computer und digitale Plug-Ins werden immer besser, aber das was ihnen fehlt sind nach wie vor die letzten 5 oder 10 Prozent, das analoge Geräte Dir geben können. Und das wird so bleiben! Ich lerne seit 20 Jahren dazu und das geht noch weiter. Die Formate ändern sich, die Klangvorstellungen der Leute ändern sich, ständig entstehen neue Genre. Da muss ich ständig an der Spitze dabei sein und ein guter Mastering Engineer kann Dir auch mal eine zweite Meinung zu einem Mix geben. Das mache ich, wenn ich meine, dass es was bringt. Und daraus entstehen sogar freundschaftliche Beziehungen, wenn Du mit Songwritern oder Produzenten über Monate oder sogar Jahre zusammenarbeitest. Du weißt dann auch, was der andere gerne hätte, und das bekommst Du woanders eben nicht. So ist Musik.

Wir schreiben bei der Fidelity über HiFi und High End, über teils sehr teure Anlagen und auch für Menschen, die sehr gut hören können. Wenn Du über hochwertige Wiedergabeketten und Musikliebhaber nachdenkst, beeinflusst das auch Deine Arbeit?

Wir sind da in einer ähnlichen Position. Ich meine, meine Lautsprecher hier sind HiFi-Lautsprecher. Viele Mastering Ingenieure arbeiten mit HiFi-Lautsprechern. Ich habe auch einen teuren Verstärker. Ich sitze aber nicht im Hörsessel mit einem Whisky und entspanne mich, sondern ich arbeite. Aber eben in einer ähnlichen Hörsituation. Ich denke auch daran, wie sich die Musik über Kopfhörer an der Bushaltestelle anhören wird. Gleichzeitig denke ich darüber nach, wie es auf einer teuren HiFi Anlage klingen wird, denn die billigen Ohrhörer werden die Details und Unzulänglichkeiten der Aufnahme kaum aufdecken. Wenn ein Typ vor 20.000-Euro-Lautsprechern sitzt, dann hört der alles! Vielleicht sogar den Unterschied von einem halben dB bei 10 kHz. Ja, also, ich versuche definitiv HiFi-affin zu mastern. Es muss für mich immer zuerst auf einer guten Anlage gut klingen, erst dann auf einem mobilen Kopfhörer. So arbeiten meine Ohren eben und ich will keine Kompromisse bei der Klangqualität machen.

Gibt es ein Stück von Dir oder anderen, das Du klanglich für unsere Fidelity Playlist empfehlen kannst?

Wenn ich mal aus dem Studio komme versuche ich soviel Musik wie möglich zu hören. Eher zu meiner eigenen Unterhaltung als dass ich das jetzt Überanalysieren wollte mit all den unterschiedlichen Aspekten des Masterings und der Frage, wer es gemacht hat. Aber wenn es um Dinge geht, die ich gemacht habe, dann geht es da um meine eigene Band The Pineapple Thief, deren letztes Album Versions of the Truth ich gemastert habe. Damit bin ich ziemlich zufrieden. Aus zwei Gründen: Bruce Soord hat es sehr gut aufgenommen und gemischt, ich habe es gemastert. Unser Schlagzeiger Gavin Harrison allerdings ist zwar nicht anti-Mastering, aber er achtet sehr genau darauf, wie das Mastering seinen Schlagzeugklang beeinflusst. Sein Schlagzeugsound ist sein Sound der letzten 20-30 Jahre: sehr detailreich, mit vielen kleinen Transienten und die will er komplett erhalten. Und so zwingt er mich ständig dazu, eben nicht zu sehr anzuziehen. Wenn ich da ein extra dB hinzugebe, habe ich ihn sofort am Telefon und er sagt mir, das sofort rückgängig zu machen. Das Ergebnis ist allerdings ein sehr detaillierter Klang, sehr offen und dynamisch. Das ist gut so! Wenn es um Musik von anderen geht, dann gab es da ein Toto-Album, das vor ein paar Jahren erschienen ist. Da war ihr Backkatalog drauf, der nochmals neu gemastert wurde. In den 80ern und 90ern wurde der Backkatalog zwar auch schon gemastert, aber da ging es darum, beim Loudness War mitzumischen und da haben sie entscheiden: genug ist genug. Lasst uns ein definitives Album machen, mit all unseren großen Songs. Die besten Aufnahmen mit dem besten Mastering also. Ich habe es hier sogar stehen, ja, Toto 40 Trips around the Sun. Ich glaube Toto sind meine „gulity pleasures“. Es sind offensichtlich fantastische Musiker und das Album ist ein gutes Beispiel eines Rock Albums, das eben nicht zusammengepresst wurde. Es klingt richtig gut, vor allem auf Vinyl.

Ist Vinyl auch privat für Dich ein Thema?

Ich mache viele Vinyl Master. Ich mag es, wie das Format dich dazu zwingt eben nicht diesen Lautheits-Wahnsinn mitzumachen, genauso wie die physischen und romantischen Aspekte der Platte. Ich meine, es gibt definitiv Limitierungen, das würde ich nicht bestreiten. Aber da ist etwas ganz Spezielles, einzigartiges, das schwer zu beschreiben ist. Als Audiopurist würde ich trefflich drüber streiten können, ob es in anderen Formaten nicht sogar besser klingt, aber ich würde nie bestreiten, dass es ein ganz besonderes Format ist.

Vielen Dank für Deine Zeit.

Steve Kitch Studio

Das Interview gibt es auch im FIDELITY Podcast, Folge 8 zum Nachhören.

www.audiomaster.co.uk

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