Steven Wilson – Hand. Cannot. Erase.
Porcupine Tree galten einmal als die Pink Floyd der Neunziger: psychedelisch, melancholisch, düster, perfekt produziert. Inzwischen ist ihr Begründer und Leitwolf Steven Wilson zum Tausendsassa der gesamten ProgRock-Welt aufgestiegen. Er remastert die Klassiker von ELP, King Crimson oder Jethro Tull und wirkt an fast jeder wichtigen neuen Prog-Produktion mit – wenn nicht als Produzent, dann als Background-Sänger. Mit seinem Album The Raven That Refused To Sing hat er vor zwei Jahren bewiesen, dass der alte ProgRock noch viele Zukunftsfacetten hat. Die Nachfolge-Scheibe mit demselben Kern-Team untermauert nun diesen Beweis – gerade weil sie doch ein wenig anders klingt.
Es gibt auf Hand. Cannot. Erase. dunkle, traurige, wunderschöne Songs in Porcupine-Tree-Manier, aber auch handfeste, packende Prog-Abenteuer. Vor allem die Longtracks „3 Years Older“ (10:18), „Home Invasion/Regret #9“ (6:24/5:00) und „Ancestral“ (13:30) führen durch eine zerklüftete Landschaft der dynamischen Brüche – zwischen brutalen Metal-Riffs und akustischem Charme. In „Ancestral“ zum Beispiel sind King-Crimson-Einflüsse präsent: insistierende Gitarrenpatterns, schwere Mellotron-Wogen, koboldhafte Flötentöne und ein Riff, das an „21st Century Schizoid Man“ erinnert. Gleichzeitig ist Wilson aber auch der Meister jener sanften Gesangskunst, die Pink Floyd einst erfunden haben: intervallarm und emotionslos. Seine Vokallinien haben fast keine Melodie – und stecken doch voller emotionaler Hooks. Ein Album, das lange vorhält.