Fezz Audio Titania Evo
Ein exzellenter Röhrenverstärker mit superbem Design, umwerfendem Klang und attraktivem Preis: Man möchte kaum meinen, dass so etwas wie der Fezz Audio Titania Evo heute noch geht – zumindest nicht aus „hiesigen Gefilden“.
In aller Kürze:
Auf den Punkt gebracht: Der Fezz Audio Titania Evo ist ein waschechter High-End-Röhrenverstärker, der Träume überträgt und in Musik umwandelt.
Die Inflation steigt, die Kaufkraft sinkt, die Märkte sind verunsichert, wie man allenthalben in den Nachrichten erfährt. Bezahlbares kommt nur noch aus Fernost. Leben wir also in einer Zeit, in der entspanntes Musikhören zum Luxus geworden ist? Die Gefahr besteht, dennoch haben wir als Musikliebhaber und Konsumenten entscheidenden Einfluss, denn Musik zu genießen ist nicht eine Frage des Preisschildes. Wir müssen uns einfach Zeit nehmen, uns hinzusetzen und zu hören – vor allem auf die leisen Töne um uns herum.
Im (nicht ganz so) fernen Osten Europas, genauer im Nordosten Polens, werden von der Familie Lachowski seit Anfang der 1990er Jahre Transformatoren und Ausgangsübertrager für Verstärker konzipiert. Die Firma Toroidy Transformatorbau Lachowski beliefert sowohl DIY-Kundschaft als auch Audio-Industrie auf der ganzen Welt. In Forschungsprojekten mit technischen Universitäten sind eigene Patente auf dem Gebiet des Ringkerntransformatorbaus entstanden. Seit 2014 bereichern die Söhne des Firmengründers das Geschäft um die Röhrenverstärker der Marke Fezz. Mittlerweile stellen etwa 45 Beschäftigte fast 80 Prozent der Wertschöpfungskette in der eigenen Produktionsstätte her.
Weil die Anpassung der eigenen Ringkern-Ausgangsübertrager an einen Röhrenverstärker ein spezielles Know-how erfordert, wurde dieser Ansatz am Markt bisher aber nicht umgesetzt. Genau diese Lücke schließt die Marke Fezz und verbindet die eigenen Toroidy-Ringkern-Ausgangsübertrager mit optimierter Schaltungstechnik, angepasst an die verwendeten Röhren und für eine breite Lautsprecherauswahl. Dass osteuropäisches High End im Röhrenverstärkerbau ein hohes Renommee genießt, hat sich mittlerweile herumgesprochen, für gutes Design sind Röhrenverstärker bisher allerdings nicht bekannt, dominieren doch zumeist die zur Schau gestellten Röhren das Erscheinungsbild. Das notwendige Blechgehäuse erhält bestenfalls die CE-Kennzeichnung. Ganz anders bei dem hier vorgestellten Fezz Titania Evolution, die gesamte neue Produktlinie Evolution wurde von einem Designteam neu gestaltet und erhält dafür den begehrten Red Dot Design Award 2023. Was für ein starkes Ausrufezeichen aus Europa zu einem moderaten Preis ab 3250 Euro in schwarzer Gehäuseausführung!
Körpersprache
Das Gehäuse besticht optisch durch ein nahtloses Erscheinungsbild, Schrauben sind nicht zu sehen und die Gehäusekanten sind sanft abgerundet. Das Material ist pulverbeschichtetes Stahlblech und die Deckbleche sind immer in Schwarz ausgeführt, was die Kosten im Rahmen halten soll. Die Flanke ist neben Schwarz oder Silber in den Ausführungen Weiß, Champagner, Rot, Burgund und Evergreen gegen 100 Euro Aufpreis erhältlich. Mit den Maßen 42 x 38 x 20 Zentimeter und einem Gewicht von rund 21 Kilogramm ist der Titania zwar ein imposanter Verstärker, dank des fließenden und bruchlosen Designs wirkt er aber dennoch leicht und lässt meine „gestandenen Komponenten“ ziemlich alt aussehen. Sogar die Schutzhaube mit Sichtscheibe auf die Röhren nach Art einer Vitrine macht einen filigranen und transparenten Eindruck und kann sogar aus optischen Gründen draufbleiben.
In vorderster Front stehen vier KT88-Röhren aus der Psvane-Classic-Serie für die Ausgangsstufe und zwei ECC83 von Gold Lion für die Vorverstärkung und Treiberstufe. Das Gerät und die Röhren sind in der vorbildlich stabilen Verpackung absolut sicher verstaut und jede Röhre ist für ihren Platz auf dem Titania nummeriert. Hier merkt man die Sorgfalt und Liebe zum Detail bei Fezz Audio. Auch ist die Modellbezeichnung jeweils einem Himmelsobjekt gewidmet – für die Titania stand ein Mond des Planeten Uranus Pate. Hinter den Röhren befinden sich drei stattliche Zylinder, die die beiden Ringkern-Ausgangsübertrager und mittig das Netzteil beherbergen. Das Gehäuse wird dadurch hecklastig, was beim beschwingten Anheben aus dem Karton bedacht werden sollte. Steht der Titania erstmal auf seinem Platz, ist er durch die Antivibrationsfüße aus einer Gummimischung optimal vom Untergrund entkoppelt.
Rückseitig befinden sich drei Cinch-Anschlüsse und hochwertige Boxenterminals für 4- und 8-Ohm-Lastwiderstände. Der Netzanschluss ist ebenfalls an der Rückseite untergebracht, um Störeinflüsse auf die sensible Röhrenelektronik zu minimieren. Die Röhrenschaltung ist im Push-Pull-Prinzip ausgeführt und liefert stattliche 45 Watt pro Kanal. Mit an Bord ist eine Auto-Bias-Schaltung, die immer den optimalen Betriebspunkt der Röhren garantiert und einen späteren Röhrenwechsel sehr einfach und anwenderfreundlich gestattet. Optional können weitere Anschlüsse für Pre-In und Sub-Out geordert werden, zudem ist eine Bluetooth-5.0-Aufrüstung möglich – all dies für jeweils ca. 250 Euro. Nur die mitgelieferte Fernbedienung aus Kunststoff für die Lautstärkeregelung und die etwas spartanische Bedienungsanleitung passen nicht ganz zum sonst sehr hochwertigen und ästhetischen Gesamteindruck.
Klangkunst
Nach dem Einschalten wird dezent der Fezz-Schriftzug auf der Front hinterleuchtet. Wenn das Auge mithören würde, hätte der Titania mich schon jetzt überzeugt. Zumindest verstärkt das schöne Design die Erwartungshaltung, mit dem Titania auch etwas Besonderes erleben zu können. Ich gönne dem Verstärker eine Woche Einspielzeit, nach 40 bis 60 Stunden soll der Fezz dann sein volles Klangpotenzial entfalten. Natürlich kann ich nicht abwarten und höre schon einmal zwischendurch rein mit einer im lokalen Record Shop frisch erworbenen Secondhand-Schallplatte, Solitude Standing von Suzanne Vega aus dem Jahr 1987. Da die Vinylpreise leider ebenfalls deutlich angezogen haben, ist Secondhandkauf für mich nach wie vor die beste Alternative. Zu fairen Konditionen mit guter Beratung erworben und frisch gereinigt, erscheint mir das zweite, erfolgreichste Album von Suzanne Vega wie frisch gepresst.
Die Zeit ist für einen Moment zurückgedreht in meinem Hörraum. Die Schallplatte läuft knisterfrei und zeitgemäß auf meinem LP12 aus den 1990ern, Suzanne Vegas Stimme setzt unvermittelt ein, klar und körperhaft mit schönem Timing, vielversprechend für den ersten Eindruck. Die Zeit verstreicht im Nu, während ich das Album mit Genuss durchhöre. Der Titania hat mit meinen Blumenhofer Tempesta 20 mit 8 Ohm Impedanz leichtes Spiel. Mir fällt auf, dass meine Hornlautsprecher klanglich in die ähnliche Richtung weisen wie der Titania, eher schlank in den unteren Mitten und sehr dynamisch in den oberen Frequenzbereichen. Dieser Klangeindruck bleibt tendenziell auch nach der vollen Einspielzeit erhalten, hinzu kommt ein unglaublich großer Raum, in dem sich die Musiker frei und sehr plastisch entfalten können.
Je nach Musikrichtung und Aufnahmequalität kann die ähnliche Klangrichtung von Verstärker und Lautsprecher für meinen Geschmack schon einmal etwas zu viel „Attacke“ bedeuten, weshalb ich auf meine Koaxiallautsprecher von Schweikert Audio mit 88 Dezibel Wirkungsgrad und einer Impedanz von 4 Ohm wechsle. Der Titania nimmt auch diese Lautsprecher an die „kurze Leine“ und versprüht eine ansteckende Spielfreude, der Lautstärkeregler bleibt dabei noch knapp unterhalb der 12-Uhr-Position. In den Mitten ist jetzt mehr Schmelz und der Musikfluss ist ungebrochen, klar und detailreich. Das neue, sechsundzwanzigste Studioalbum The Hypnogogue der australischen Rockband The Church um Mastermind Steve Kilby ist ein Konzeptalbum und eine sehr positive Überraschung an progressivem dichten Sound. Es thematisiert musikalisch eine Maschine, die Träume direkt in Musik umwandelt. Wie geschaffen, um den Fezz Audio Titania zu fordern und zu beschreiben, denke ich mir. Der große Raum und das hohe Auflösungsvermögen des Titania lässt die dichten Soundstrukturen auf dem Album voll zur Entfaltung kommen. Es ist sehr angenehm für die Sinne, dass dem Klang kein eigener Sound hinzugemischt wird, das macht das Hören mit dem Titania ungemein entspannt und langzeitfreundlich. Mit jeder Schallplatte wird deutlicher, dass der Titania genau das wiedergibt, was bei der Pressung in der Rille tatsächlich vorhanden ist. Auf der neuen LP Outlanders von der finnischen Sopranistin Tarja Turunen und Torsten Stenzel sind Tarjas tolle Stimme mit elektronischen Beats und einzigartigem Gitarrenspiel vereint – Letzteres z. B. zusammen mit Mike Oldfield in dem Stück „Never Too Far“. Und hier überträgt der Titania dann auch das gesamte Klangspektrum von höchster menschlicher Stimmlage bis zu den unglaublich druckvollen Drums, die keine Fragen mehr offenlassen: Da werden tatsächlich Träume in Musik verwandelt. Fezz Audio setzt mit der neuen Evolution-Serie und dem Titania einen Maßstab für europäisches Design, herausragenden Klang und Preiswürdigkeit im High-End-Segment.
Info
Röhrenvollverstärker Fezz Audio Titania EVO
Konzept: Push-Pull-Röhrenvollverstärker mit verschiedenen Nachrüstoptionen
Röhrenbestückung: 4 x KT88, 2 x ECC83
Ausgangsleistung: 2 x 45 W
Ausgangsimpedanz: 4 Ω/8 Ω
Harmonische Verzerrungen: < 0,2 %
Frequenzgang: 18 Hz bis 103 kHz
Leistungsaufnahme: 225 W
Besonderheiten: Auto-Bias
Ausführungen: Schwarz, Silber (alternative Gehäusefarben um 100 €)
Zubehör: Fernbedienung, Röhren-Abdeckgitter
Optionen: Bluetooth 5.0, Pre-In, Subwoofer-Out (jeweils um 250 €)
Garantiezeit: 3 Jahre
Preis: ab 3250 €
Kontakt
Audium/Visonik
Catostraße 7b
12109 Berlin
Telefon +49 30 6134740
kontakt@audium.com
Mitspieler
Plattenspieler/Laufwerk: Avid Diva SP, VPI Avenger, Clearaudio Jubilee Reference
Tonarm: Origin Live Illustrious
Tonabnehmer: Lyra Kleos
Phonovorverstärker: Cyrus Phono Signature
Verstärker: MFE TA 211 V
Lautsprecher: Blumenhofer Tempesta 20