Equalizer – der (Un)gleichmacher
Irgendwann Mitte bis Ende der 1990er Jahre weckte ein Artikel aus der englischen DIY-Szene meine Neugier. Der Text stammte von Thorsten Loesch, der bis 2019 als Vordenker einer der kreativsten Firmen im ganzen HiFi-Zirkus vorstand und früher als unglaublich umtriebiger DIY-HiFi-Nerd in der Szene bekannt war. In dem Artikel ging es um einen für damalige Verhältnisse sehr preisgünstigen, ausstattungsschwangeren digitalen Equalizer.
Genau wie ein Kleinkind, dem man zum ersten Mal ein Schweizer Taschenmesser unter die Nase hält, war ich sofort angefixt und bestellte mir das Gerät. Und genau wie das Kleinkind mit dem Taschenmesser stellte ich mit dem Equalizer jede Menge Unsinn an. Die Qualität der Musikwiedergabe profitierte leider kaum davon. Irgendwann verlor ich das Interesse an dem Tausendsassa und verkaufte das Gerät, um kurz darauf zu erfahren, dass der Nachfolger das Licht der Welt erblickt hatte. Dieser war noch günstiger und bot noch mehr Möglichkeiten, den Klang zu verbiegen. Herrlich, endlich wieder spielen! Zur Verbesserung meiner Musikwiedergabeanlage dienten andere Maßnahmen, aber das Ding hatte einen Habenwollen-Reflex ausgelöst und musste unbedingt her. Ähnlich wird es vermutlich vielen meiner Leidensgenossen ergangen sein. Dieses Mal verblieb der Equalizer aber dauerhaft in meinem Fundus, um nun wieder ins Arbeitsleben zurückzukehren.
Ich bin nämlich schon seit geraumer Zeit auf der Suche nach einer Möglichkeit, altersschwache Musikaufnahmen rein digital und ohne Wandlung ins Analoge ein wenig aufzupeppen. Etwas mehr Bass oder Höhen und die Mitten leicht abgesenkt oder auch andersherum, das kann den Unterschied zwischen Wohl und Wehe bedeuten. Genau dafür besaß in früheren Zeiten jeder Verstärker ein paar Klangregler. Die Spitze der Evolution solcher Klangaufpepper bildete damals wie heute die Cello-Audio-Palette, für mich leider unbezahlbar und außerdem eben auch kein Digitalgerät. Für volldigitale Ketten wie meine gibt es zwar auch solche Klangverbieger, aber deren Möglichkeiten passen zu meinen Anforderungen wie die Fähigkeiten eines Supersportwagens zur Fahrt zum Bäcker an der nächsten Straßenecke. Digital und Beschränkung auf das Wesentliche scheinen sich leider auszuschließen. Warum ist das eigentlich so, warum wird „mehr“ immer mit „besser“ gleichgesetzt?
Zurück zu meinem alten digitalen Equalizer. Obwohl er schon 20 Jahre auf dem Buckel hat, ist er mit dem bisschen Klangregelung, für das er jetzt eingesetzt werden soll, vollkommen unterfordert. Im Gegensatz zu vielen seiner modernen Kollegen handelt es sich aber noch um reine Hardware, die eigenständig ohne Computerunterstützung arbeitet. Außerdem lässt er sich durch Konfiguration auf das für die Aufgabe Wesentliche einschränken und ist einigermaßen intuitiv bedienbar. Zwar nicht wie die Klangregler aus früheren Zeiten, aber immerhin. Falls das Gerät in Linearstellung transparent arbeitet, könnte die alte Kiste zum Dauergast in meinem Hörraum werden.
Die Zeit wird es zeigen …