EnVogue Spacedeck- Minimales Maximum
Warum sind Besitzer von Laufwerken von Nottingham Analogue nur so verdammt zufrieden?
Bereits seit vielen Jahren importiert Hans Obels mit seiner Firma EnVogue24 die Plattenspieler und Tonarme von Nottingham Analogue nach Deutschland. Eine bemerkenswert erfolgreiche Zusammenarbeit. Sie ist sogar so erfolgreich, dass die britische Manufaktur diverse Sonderwünsche, die von deutschen Kunden besonders häufig geäußert werden, seinem Vertrieb in Germany quasi serienmäßig erfüllt. Zum Beispiel bevorzugt man hierzulande anstatt der typischen blau-marmorierten Farbgebung des “originalen” Nottingham Analogue Spacedecks die eigentlich aufpreispflichtige schwarze Lackierung. Aber die Unterschiede betreffen keineswegs nur Äußerlichkeiten. Auch an einigen technischen Details ließ Hans Obels Veränderungen vornehmen, sodass sich ein derart modifiziertes „Spacedeck“-Laufwerk – das dann konsequenterweise auch den EnVogue-Schriftzug trägt – recht spürbar vom englischen Grundmodell unterscheidet.
Echter Purismus
Die Grundintentionen des Konstrukteurs ließ Obels freilich unangetastet. Tom Fletcher, der viel zu früh verstorbene Gründer und Kopf hinter Nottingham Analogue, hatte ein paar wirklich brillante Ideen, die nur auf den ersten Blick etwas seltsam anmuten. Auf den zweiten Blick ist dann zu erkennen, dass ein Geheimnis des guten Klangs seiner Plattenspieler – vereinfacht ausgedrückt – ganz offenbar darin besteht, potenzielle Störfaktoren vom Abtastprozess auf möglichst einfache Weise fernzuhalten. So pflegt Nottingham Analogue (NA) unter anderem alles, aber auch wirklich alles wegzulassen, was nicht unbedingt zum Abspielen einer Schallplatte gebraucht wird: Es existiert weder ein Ein-Aus-Schalter, noch eine Geschwindigkeitsumschaltung. Sobald sich der Netzstecker in der Dose befindet, steht der extraschwache Philips-Synchronmotor unter Spannung. Der Plattenteller läuft aber nicht „von alleine“ an, er benötigt einen ermunternden Schubs per Hand, um mithilfe des Magermotors auf Nenndrehzahl zu kommen und diese dann konstant zu halten. Wird der Teller manuell bis zum Stillstand abgebremst, dann bleibt er wiederum dauerhaft stehen. Und wer die Geschwindigkeit wechseln will, legt den Gummiriemen am Motor-Pulley um.
Dieser radikale Purismus hat auch ein paar willkommene Nebenwirkungen. Zum Beispiel geht der Aufbau des Spacedecks einfach und schnell von der Hand, auch ohne die englischsprachige Bedienungsanleitung genau studieren zu müssen. Zudem offenbart sich während des Aufbaus in etlichen Details, wie Tom Fletcher die bei Plattenspielern unverzichtbare Entkopplung von äußeren Störeinflüssen bewerkstelligt hat. Die Gummifüße, die sowohl unter der rechteckigen Laufwerksbasis als auch dem eigentlichen Laufwerk zum Einsatz kommen, wirken genauso dämpfend, wie die Verwendung unterschiedlicher Materialien (Aluminium und hochdichte Faserplatte, HDF) die Ausbreitung von Vibrationen unterdrückt. Selbst auf meinem nicht ganz unkritischen Rack (Alnica von Music Tools) verrichtet das Spacedeck mit einer derart stoischen Gelassenheit seinen Dienst, dass sich Experimente mit zusätzlichen Sorbothan-Dämpfern als fruchtlos erweisen.
Der beachtlich schwere Spacedeck-Plattenteller aus Aluminiumdruckguss ist mit zwei dicken Gummiriemen versehen, die die Resonanzanfälligkeit des Metalls drastisch reduzieren. Die Lagerachse besteht aus einem speziellen Edelstahl, dessen Dichte nach Innen hin geringer wird und so ebenfalls zur Unterdrückung unerwünschter Resonanzen beiträgt. Das untere Ende des Lagerstifts besitzt eine ungewöhnliche Formgebung und mündet in einem Kegelstumpf. Die eigentliche Auflagefläche ist also keine Kugel oder sphärisch abgerundete Spitze, sondern eine Kreisfläche. Dieses spezielle Lager ist der wohl bedeutendste Unterschied zum “normalen” Spacedeck von Nottingham Analogue. In der EnVogue-Version kommt nämlich das aufwändigere Lager des teureren Modells Hyperspace zum Einsatz, dessen Lagerschaft aus Bronze des englischen Herstellers Admiral Metals besteht. Der Schaft mündet in ein großes Reservoir, weshalb man relativ viel Öl mit der mitgelieferten Pipette ins Lager füllen muss, bevor man den Teller vorsichtig hineingleiten lässt.
Der besondere Clou besteht nun darin, dass die Kreisfläche des Lagerstifts im Inneren der Buchse auf eine kleine, quer liegende Rundstange trifft, so dass die “Berührungsfläche” zwischen Lagerstift und -buchse eine Linie bildet. Mir ist nicht bekannt, dass eine derartige Lagerkonstruktion von einem anderen Hersteller verwendet wird und vermutlich ein Alleinstellungsmerkmal von Nottingham Analogue darstellt. Der Sinn dahinter dürfte sein, dass das Lager einen minimalen, aber genau definierten Reibungswiderstand erzeugt und auf diese Weise den Motor unter eine konstante Last setzt. Denn die Erfahrung hat gelehrt, dass mit einer Last beaufschlagte Motoren ruhiger laufen und daher weniger Vibrationen weitergeben, die letztendlich über den Abtastvorgang zum Musiksignal durchdringen könnten.
Echte Wucht
Mit von der Spacedeck-Partie ist ein „alter Bekannter“: der einpunktgelagerte AceSpace-Tonarm. Auch hier spiegelt sich die konzeptionelle Grundidee von Tom Fletcher wider, mit möglichst geringem Aufwand das beste Ergebnis zu erzielen. Einpunkt-Konstruktionen sind nun mal die technisch einfachste Möglichkeit, einen zugleich leichtgängigen und lagerspielfreien Tonarm zu realisieren. Auch hier lohnt es sich, einen genaueren Blick zu riskieren, um dann wirklich interessante Details wahrzunehmen, zum Beispiel das Tonarmrohr aus Carbon.
Grundsätzlich handelt sich bei AceSpacearm um einen „geführten Einpunkter“, will heißen, dass die Bewegungsfreiheit des Tonarms um seine Längsachse eingeschränkt ist. Schon deswegen wirkt dieser Einpunktarm nicht so kippelig wie einige seiner Artgenossen. Unterstützt wird dieser Eindruck noch mit Hilfe eines kleinen Plättchens, mit dem das Armrohr auf der Liftbank gestützt wird. So entsteht beim Plattenauflegen beinahe das Gefühl, einen kardanisch gelagerten Tonarm zu bedienen. Vergleichbar genial – im Sinne von „einfach“ – ist die über einen Hebelmechanismus realisierte Antiskatingeinrichtung. Das simple Verschieben eines kleinen Gewichts definiert die Stärke der Antiskatingkraft. Ebenfalls durch Verschieben – in diesem Fall des Gegengewicht aus Messing – wird die nötige Auflagekraft erzeugt. Und die minimalistische Headshell lässt sich relativ zum Tonarmrohr verdrehen, was die bei Einpunktern zwingend erforderliche Azimut-Korrektur ermöglicht. An dieser Stelle ist – wie auch bei der Einstellung des Gegengewichts – ein bisschen Geduld und Sorgfalt nötig. Bequemer hingegen funktioniert die Einstellung der Tonarmhöhe: Mittels einer seitlich angebrachten Madenschraube lässt sich der AceSpacearm (nach dem Lösen der beiden Hauptschrauben in der Basis) problemlos und sehr feinfühlig in der Höhe verstellen.Eine Messung der Resonanzfrequenz mit dem in FIDELITY Nr. 14 (Ausgabe 4/2014) vorgestellten Ortofon Quintet Black zeigt mit etwa 11 Hertz, dass der 10-zöllige AceSpacearm zu den leichten bis mittelschweren Tonarmen gehört. Er ist daher eher für Tonabnehmer mit hoher bis mittlerer Nadelnachgiebigkeit geeignet. Systeme mit geringer Nadelnachgiebigkeit (unter 10 µm/mN) sind nicht unbedingt allererste Wahl für diesen Tonarm. Aber keine Sorge, es gibt eine große Auswahl an Tonabnehmern, die bestens mit diesem Zehnzöller harmonieren. Das zu montierende System darf dabei übrigens auch sehr hochwertig sein. Denn der AceSpacearm stellt zum Einzelpreis von knapp 1100 Euro den wohl mit einigem Abstand preiswertesten Tonarm der sogenannten Spitzenklasse dar. Dieser Nottingham-Analogue-Arm ist ein echter Geheimtipp und empfiehlt sich auch für den Einsatz auf anderen Laufwerken. Okay, die Verarbeitung seiner Oberflächen lässt im wahrsten Sinne des Wortes den letzten Feinschliff vermissen. Aber alles funktioniert absolut tadellos. Und klanglich ist der Tonarm eine echte Wucht!
Echte Musikmaschine
Auch und gerade in Kombination mit dem EnVogue Spacedeck geht musikalisch gesehen die Post ab. Natürlich gibt es noch minimale Einschränkungen zu vermelden, etwa in puncto Raumdarstellung. Allerletzte Ecken des virtuellen Klangkörpers wird vom deutsch-britischen Laufwerk nicht unbedingt bis in die hintersten Winkel ausgeleuchtet. Doch das bemerkt höchstens, wer den EnVogue Spacedeck ständig mit sehr viel teureren Drehbänken vergleichen kann. Nur: Vergleiche machen unglücklich! Und dieser Gemütszustand ist nun wirklich das Letzte, was einen zukünftigen Nottingham/EnVogue-Besitzer erwartet.
Ganz im Gegenteil ist mit dieser Kombination großes Vergnügen angesagt – wie gerade auch der Vergleich (sic!) mit einem Technics SL-1210Mk2 aufzeigt, der mit SME M2-9R und EMT JSD-6 mächtig aufgerüstet wurde. Obwohl das hier verbaute Tonabnehmersystem von EMT dem Ortofon Quintet Black überlegen ist, weil es einfach noch mehr Details aus den Aufnahmen extrahiert und diese auch „vollständiger“ in Szene zu setzen weiß, macht das Hören mit dem EnVogue Spacedeck samt AceSpacearm und dem schwarzen Ortofon schlichtweg mehr Spaß. Und glauben Sie mir: Ein derart umgebauter Technics ist im direkten Vergleich schon eine Herausforderung, die keineswegs von jedem (gern auch deutlich teureren) Laufwerk gemeistert wird. Der EnVogue zeigt dem direktgetriebenen Japaner aufgrund seiner tonalen Ausgeglichenheit und einer nicht zu übertreffenden Klangfarbenpracht ganz ungeniert, wo Barthel den Most holt.
Ganz nebenbei bestätigt diese Laufwerk-Tonarm-Kombination die häufig unterschätzte Erkenntnis, dass man sich bitteschön zuerst um Laufwerk und Tonarm und erst dann um einen besseren Tonabnehmer bemühen sollte. Zur Verdeutlichung: Nachdem ich das von mir sehr geschätzte JSD-6 im Spacedeck montiert habe, „geht“ alles noch deutlich besser. Das spricht einerseits natürlich für das EMT-System, andererseits aber auch mindestens genauso stark für die Qualitäten dieses vorzüglichen Plattenspielers, bringt er doch qualitative Unterschiede bei Tonabnehmern selbst zwischen „sehr gut“ und „noch besser“ absolut klar und deutlich zur Geltung. Wenn man dann noch seinen praktisch unschlagbar günstigen Preis mit ins Kalkül zieht, dann beantwortet sich die eingangs gestellte Frage, warum Besitzer von NA-Laufwerken immer so verdammt zufrieden scheinen, wohl von selbst: Der EnVogue Spacedeck ist mit seinem zehnzölligen AceSpacearm eine Musikmaschine reinsten Wassers, deren klangliche Qualitäten weit über das übliche Niveau hinaus reichen. Selten war der Begriff “Best Buy” treffender.
EnVogue Spacedeck
Prinzip: Masselaufwerk, riemengetrieben
Geschwindigkeiten: 33 und 45 U/min.
Besonderheiten: verschiedene Tonarmbasen für Tonarme von anderen Herstellern verfügbar, optionale Montagebasis für einen zweiten Tonarm (390 €), optionales externes Netzteil (990 €)
Maße B/H/T: 46/21/36 cm
Gewicht: 18 kg
Garantie: 2 Jahre
Nottingham Analogue AceSpacearm Tonarm
Prinzip: geführter Einpunktlager-Tonarm
Effektive Länge: 10 Zoll
Effektive Masse: leicht bis mittelschwer
Besonderheiten: durchgehende Verkabelung
Garantie: 2 Jahre
EnVogue24, Hans Obels
Heideweg 80
41844 Wegberg
Telefon 02436/382850
www.envogue-24.de