Elvis has not left the building
Illustration: Ralf Wolff-Boenisch
Um das gleich klarzustellen: Die Mondlandung fand auf dem Mond statt. Bielefeld existiert. Das Mittelalter ist keine Erfindung, Angela Merkel kein Alien, den Klimawandel haben weder China noch Greta erfunden. Und Elvis lebt nicht in Michigan. Man muss das in heutigen Zeiten betonen. Elvis’ Tod zum Beispiel wird hinterfragt, seit Elvis tot ist. Weekly World News titelte mal: “I’ve seen Elvis in the flesh!” – eine Augenzeugin hatte den King bei Burger King in Kalamazoo, Michigan, gesehen. Dazu sollte man wissen, dass in der mittlerweile ebenfalls toten Zeitung auch über Diabetes-heilende Außerirdische und den Kapitän der Titanic, der eigentlich eine Frau war, berichtet wurde.
Nun muss aber ergänzt werden: Elvis lebt tatsächlich. Sein Gesicht ist von grauen Koteletten und wolliger Stirntolle umrahmt, er pflegt eine Vorliebe für Petersilie, hockt gerne auf dem rückwärtigen Balkon und beobachtet die Katzen im Hinterhof. Als Vertreter der Gattung Oryctolagus bekam er von einem seiner Vorbesitzer den Namen Elvis verpasst, was angesichts des Haarwuchses eines Löwenkopfkaninchens passend ist. Elvis hat eine wilde Tournee durch viele Familien hinter sich. Dass er nun seinen Lebensabend auf einem Hamburger Balkon verbringt, hat mit dem schottischen High-End-Produzenten Linn zu tun. Und mit dem Umstand, dass zwei Töchter zwei Zimmer der kompakten Wohnung bewohnen, eine davon das frühere Musikzimmer, dessen Möblierung nun bei der Schwiegermutter draußen vor der Stadt lagert. Mancher High-End-Freund mag einwerfen, da habe man sich aber über den Tisch ziehen lassen. Dem ist zu entgegnen: Das stimmt. Nur waren leider jene Familienmitglieder, die das Paar schwarzer Keilidh-Boxen rein optisch als die Home-Entertainment-Variante von Barad-dur abtaten, in der Mehrheit.
Bis der übervorteilten Minderheit der Handel des Jahrhunderts gelang. Hase gegen High End. Kenne die Schwächen deines Gegners bzw. deiner Töchter und deiner Ehefrau. In diesem Fall: ein Haustier. War immer wieder Thema, scheiterte aber immer am Veto des Mannes im Haus. Kein Platz für Musik, kein Platz für Meerschweinchen etc. Nun sieht die Realität so aus: ein schlicht-silbernes Verstärker-CD-Spieler-Home-Cinema-Gerät, flankiert von weißen Boxen. Und: Elvis, Kaninchen aus dritter Hand, has not left the building. Köttelt vielmehr aufs Parkett, frisst Petersilie. Aus den Boxen singen die Animals „Don’t Let Me Be Misunderstood“. Alles gut also? Leider nein. Die Ehefrau ließ schon mürrisch anklingen, auch die weißen Boxen seien ja doch ganz schön groß … Es drohen Nachverhandlungen.
PS: Unnützes Wissen, Teil 7: Den Ausspruch „Elvis has left the building“ prägte der amerikanische Radio- und Fernsehmoderator Horace Lee Logan. Als sich das Publikum der legendären Sendung Louisiana Hayride nach einem Auftritt des Jungstars Elvis Presley am 15. Dezember 1956 gar nicht mehr beruhigen lassen wollte, rief Logan: “Please, young people… Elvis has left the building. He has gotten in his car and driven away. Please take your seats.” Der Spruch wurde zum geflügelten Wort, um das definitive Ende einer Begebenheit zu unterstreichen.