Einstein Audio The Phonoamp – Es werde Licht!
Aus Bochum kamen schon immer hervorragende Phonovorstufen. Mit dem Phonoamp will Einstein Audio Components die Grenzen des Machbaren ausloten.
Für Einstein Audio ist in meinem audiophilen Herzen seit 30 Jahren ein besonderes Plätzchen reserviert. Als die Bochumer Manufaktur seinerzeit mit dem Vollverstärker The Amp debütierte, war ich noch Schüler. Von High End konnte ich nur träumen, und so blieb meine Affäre mit dem eindrucksvoll designten, von der Fachpresse hochgelobten Vollverstärker eine Fernbeziehung. Deren Nachwirkungen spüre ich bis heute. Sie äußern sich in Form eines akuten Haben-wollen-Reflexes, der zuverlässig anspricht, sobald irgendwo der unverwechselbare Mix aus hochglanzpoliertem Edelstahl und schwarzem Acryl auftaucht.
Einstein Audio Components – Ein Bilderbuch-Manufakturbetrieb.
30 Jahre nach The Amp variiert The Phonoamp, Topmodell des Hauses in der Sparte Phonoentzerrer, das zeitlose Grunddesign ins Minimalistische: Zwei Gehäuse in Schwarz und Edelstahlglanz, keines trägt Bedienelemente. Das Gerät erfüllt eine einzige Aufgabe: die Entzerrung und Vorverstärkung eines MC-Tonabnehmersignals. Das Preisschild ist atemberaubend: 14 000 Euro. Im Gegenzug gibt es das Versprechen, die vom Moving-Coil-Generator erzeugten Minimalspannungen in Größe von Millivolt-Bruchteilen maximal rauschfrei und verzerrungsarm zu behandeln und sie von jeglichem aus der Außenwelt drohendem Unbill, sei es elektromagnetisch oder mechanisch, abzuschirmen.
Links unsere Testmuster, rechts das Serienmodell. Besitzer mehrere Tonarme können sich den Phonoamp auch als Dual-Entzerrer bestellen. Für die zusätzliche Stromaufbereitung und Signalaufbereitung ist in den großzügigen Gehäusen noch genug Platz.
Dergleichen liest man ja des Öfteren, durchaus auch über Phono-Pres niedrigerer Preisklassen. Ob Einstein-Chef Volker Bohlmeier und sein Entwickler Rolf Weiler tatsächlich alles daransetzen, zu liefern, was sie versprechen, klärt ein Blick ins Innere des Phonoamps.
Nimmt man den Deckel des Entzerrergehäuses ab, folgt eine Schrecksekunde: Da ist ja gar nichts drin! Im nächsten Moment meint das geschulte Auge, zwei Batteriemodule zu erkennen – und erst dann fällt der Groschen: Das sind keine Akkus, hier steckt die komplette signalverarbeitende Elektronik jedes Kanals in einer eigenen abschirmenden Stahlröhre. Das wirkt brachial, erschließt sich aber umgehend als geniale Lösung vieler Probleme. Zunächst einmal schirmen die Stahlröhren elektrisch und magnetisch ab. Gleichzeitig agieren die dickwandigen, schweren Behältnisse auch als akustische Abschirmungen, die Mikrofonieeffekte reduzieren. Und noch eine Wirkung hat die fast hermetische Kapselung der Entzerrerplatinen: Im Inneren der flachen Röhren bildet sich ein thermisch stabiles Mikroklima – eine entscheidende Voraussetzung für störungsarmen Betrieb.
Links das Vorserienmodell, rechts das fertige Serienmodell.
Die Abschirmröhren sind auf einem Subchassis montiert, das mittels Gummidämpfern vom Gehäuse entkoppelt ist. An einem Ende sind die Röhren direkt mit der Rückwand des Phonoamps verbunden, sodass die Cinchbuchsen für Signaleingang und Widerstandsstecker zur Impedanzanpassung direkten Zugang haben – ohne auch nur einen Millimeter einstreuempfindliches Kabel. Am anderen Ende der Abschirmröhren befindet sich die Zuleitung der externen Stromversorgung sowie der Ausgang für das nun schon auf Line-Pegel gebrachte und damit deutlich weniger störempfindliche Phonosignal.
Die Cinchbuchsen für Widerstandsstecker stehen in guter Einstein-Tradition. Volker Bohlmeier ist überzeugt, dass Schalter, und hier ganz besonders die zum Quasi-Standard gewordenen DIP-Schalter (vulgo Mäuseklaviere) bei allem praktischen Nutzen klare technische Nachteile haben. Konkret nennt er den Kontaktwiderstand und das dort erzeugte Rauschen. Cinchstecker mit eingelöteten Widerständen seien die deutlich sauberere und langzeitstabilere Wahl. Ein weiterer Vorteil dieser Lösung ist natürlich, dass hier beliebige Werte eingelötet werden können. Ohne gesteckten Widerstand schließt der Phonoamp mit einem Maximalwert von zwei Kiloohm ab.
Jeder Kanal wird auf einer eigenen Platine entzerrt und vorverstärkt. Um die Diskretion auf die Spitze zu treiben, sind die Schaltungen in stabilen Metallschalen verstaut. Für dem Hörtest lag uns übrigens ein Vorserienmuster des Phonoamp vor (oben). Da wir wissen wollten, ob er der Serie entspricht, ließen wir uns ein Muster auf aktuellem Produktionsstand zusenden (kleines Foto), das klanglich aber keine Unterschiede aufwies.
Die Schaltungen für Entzerrung und Vorverstärkung sind komplett diskret ohne Verwendung von Operationsverstärkern aufgebaut. Das Tonabnehmersignal durchläuft als Erstes eine Eingangsstufe aus pro Kanal zehn Feldeffekt-Transistoren. Die folgende Entzerrung nach RIAA-Standard erfolgt zweistufig passiv in Form eines RC-Netzwerks, also ausschließlich unter Verwendung von Widerständen und Kapazitäten. Spulen möchte Volker Bohlmeier an dieser Stelle vermeiden. Die seien empfindlich für Brummeinstreuungen und hätten eine hochohmigere Schaltung zur Folge, was wiederum auf Kosten der Störunterdrückung ginge. Außerdem seien Spulen in der benötigten Qualität nur schwer zu beschaffen, und die dann erforderlichen Abgleichpunkte wie Trimmpotis hätten wieder ihre eigenen Tücken.
Auf den Bildern erkennt man (Vorserie links), dass der Phonoamp drei Anschlusspaare bietet: Eingänge (Mitte), Ausgänge (oben) und ganz unten kann man austauschbare Wiederstände zur Feinabstimmung der Verstärkung einstecken.
Die ebenso wie die Eingangsstufe aus penibel ausgemessenen Einzeltransistoren aufgebaute Ausgangsstufe ist ganz auf niedrige Ausgangsimpedanz und hohe Stromlieferfähigkeit ausgelegt. Auf Gegenkopplung wird verzichtet. Eine aufwendige Betriebsspannungsentkopplung sorgt dafür, dass sich die aufeinanderfolgenden Verstärkerstufen elektrisch nicht ins Gehege kommen. Des Weiteren sorgt eine thermische Kopplung der Transistoren für maximale Störarmut. Einstein Audio gibt einen Störgeräuschabstand von 82 dB an. Zur Einordnung: Mein in dieser Hinsicht exzellenter Bauer Audio Phono kommt auf 76 dB und lässt da schon keine Wünsche offen. Da jeder 3-dB-Schritt eine Verdoppelung bedeutet, kann man hier nur den Hut ziehen – eine im wahrsten Sinne des Wortes saubere Leistung. Der Verstärkungsfaktor ist fest auf 68 dB eingestellt, was relativ hoch ist und den Pre für „leise“ MC-Systeme interessant macht.
Dass auch das Netzteil in seinem separaten Gehäuse kanalgetrennt aufgebaut ist, versteht sich von selbst. Es ist elektronisch stabilisiert und verfügt über große Spannungsreserven, wodurch es besonders unempfindlich gegenüber Störungen aus dem Stromnetz sein soll.
Hier entstehet der Phonoamp von Einstein Audio in Handarbeit.
Übrigens gibt es den Phonoamp optional auch in einer Version für zwei Tonabnehmer. Das Gehäuse ist in der Tat groß genug für ein zweites Paar Stahlröhren, das Netzteil kann ebenso verdoppelt werden. Vermutlich ließe sich sogar ein beliebig skalierbares, nur von der Gehäusebreite begrenztes Phonoamp-Array bauen, für den ganz großen Analog-Fuhrpark …
Ein gütiges Schicksal hat mir für die Dauer des Einstein-Tests eine Anlage von enormem Auflösungsvermögen und ebensolcher dynamischer Bandbreite beschert. An der Stelle, wo seit 13 Jahren unangefochten meine bewährten Lautsprecher Ayon Seagull/c stehen, führen deren Nachfolger namens BlackRaven eindrucksvoll den Beweis, dass die Zeit nicht stehen bleibt. Vorgeschaltet sind zwei weitere superbe Testgeräte, die Vorstufe Daland von Silvercore und der Endverstärker Lumin Amp. Das Zuspiel übernimmt mein Bauer Audio dps 3 mit dem feinen MC-System Lyra Kleos im Bauer-Tonarm. In Kombination mit dem Einstein Phonoamp (die 1-Kiloohm-Stecker haben sich auf Anhieb als ideale Anpassung erwiesen) ergibt das weniger eine Kette als vielmehr ein nachdrückliches Plädoyer für das Medium Schallplatte. Was hier über Wochen an Spielfreude, an Power, an Meisterleistungen in sämtlichen Disziplinen eines hypothetischen High-End-Pflichtenhefts durch meinen Hörraum schallte, ließ jeglichen Gedanken an digitale Hochauflösung vergessen. Wer braucht 24 Bit und 192 Kilohertz, wo doch die Vinylrille offenbar noch immer nicht alle ihre Wunder preisgegeben hat?
Minimal, funktional – perfekt.
Eine der ersten Platten, die ich auflege, ist die Darbietung der berühmten Bilder einer Ausstellung von Modest Mussorgsky in der originellen Version des um einen Pianisten verstärkten Fauré-Quartetts. Die bei Berlin Classics erschienene LP ist ein echtes Showpiece. Über das bisweilen arg effekthascherische Spiel der Streicher kann man streiten – nur, weil der Bratscher klingen kann wie eine orientalische Flöte, muss er das nicht auch tun. Man kann sich aber auch genau darüber freuen, besonders wenn ein Phono-Pre vom Kaliber des Einstein die Klangfarben so akkurat sortiert, dass der in Streicher-Spielweisen bewanderte Hörer zentimetergenau die Kontaktstelle zwischen Bogen und Saiten bestimmen kann, ebenso Bogendruck und Zuggeschwindigkeit. Das die dynamischen Extreme auslotende Spiel des Ensembles bringt die Kette an ihre Grenzen. Hier fällt die phänomenale Klangreinheit des Phonoamp auf. Wo man sich sonst gerne in Pianissimo-Passagen unwillkürlich gen Lautsprecher beugt, um ja kein Detail zu verpassen, versorgt der Einstein die nachgeschalteten Verstärker mit den glasklarsten leisen Tönen, die man sich vorstellen kann. Ergebnis: Ein sich ganz dem musikalischen Fluss hingebender, entspannt genießender Hörer.
Um zu ermitteln, wie’s der Phonoamp mit heftigerem Material hält, landet Yello auf dem Plattenteller. Auf der LP Toy geht das Schweizer Elektropop-Duo etwas abstrakter zur Sache, etwa im Titel „Magma“, wo die Stimme von Dieter Meier avantgardistisch durch den Raum hüpft. Bass gibt es hier bis zum Abwinken, dazu elektronische Piepser aller Couleur in feinster virtueller Räumlichkeit. Der Track groovt, und kaum hat er angefangen, ist er schon wieder vorbei. Das ist das Talent des Phonoamp zu mitreißendem Fluss. Man kann sich mit ihm ganz dem analytischen Hören hingeben, aber eben auch fein treiben lassen, denn die Musik läuft wie am Schnürchen und bisweilen auch so flüssig, dass es scheint, als seien vertraute Platten kürzer als gewohnt. Ach so, der angesprochene Bass: trocken, schnell, er ist da, wenn man ihn braucht, niemals aufgedickt.
Und wo wir schon von „dick“ sprechen, hier noch eine fette Empfehlung zum Schluss: Eine Jazz-Aufnahme aus dem Jahr 1967, das Duke Ellington Orchestra live in der Stuttgarter Liederhalle (Jazzhaus/SWR Music 101722). Der Sound kann mit allem mithalten, was heutzutage digital mit 64 Kanälen in HD-Auflösung produziert wird. Die Bigband steht zwischen den Boxen wie eine Eins. Die Bandsolisten treten ins Rampenlicht mit einer Plastizität und einer Ausdrucksstärke, dass einem Hören und Sehen vergeht. Anspieltipp: B-Seite, Track 1, „La Plus Belle Africaine“. In Sachen Grob- wie Feindynamik, Raumdarstellung, tonaler Bandbreite und schierer Atmosphärik ist hier das volle Programm geboten. Der Einstein Phonoamp präsentiert den Titel spektakulär unspektakulär. Man fühlt sich, als wäre man dabei. Die schiere Spielfreude, die da aus den Boxen strömt, die absolute Souveränität, wenn die Bigband mal eben das Gaspedal durchdrückt und losgeht wie ein V8 Big Block, nur um im nächsten Augenblick schwerelos wie eine Ballerina durch die Frühlingswiesen zu tänzeln – das ist ganz große Kunst.
14 000 Euro? Auf Glücksmomente der nächsten 30 Jahre umgerechnet ist das doch ein Klacks.
Wir meinen
Einsteins jahrzehntelange Erfahrung im Bau anspruchsvoller Phonoentzerrer kulminiert im Phonoamp. Ein hochfeines Gerät für Genießer wie Analytiker gleichermaßen.
Info
MC-Phonovorverstärker Einstein The Phonoamp
Konzept: Phonovorverstärker mit externem Netzteil
Eingänge: 1 x Phono MC (Cinch)
Ausgänge: 1 x Line unsymmetrisch (Cinch)
Besonderheiten: Doppelmono-Bauweise, externes Netzteil, Eingangsimpedanz per Widerstandsstecker (Cinch) wählbar (max. 2 kΩ), Verstärkung 68 dB fest eingestellt, optionale Ausführung für zwei Tonarme erhältlich
Ausführung: Edelstahl hochglanz/Acryl schwarz
Maße (B/H/T): 22/15/36 cm (Entzerrer), 22/15/36 cm (Netzteil)
Gewicht: 6 kg (Entzerrer), 5,5 kg (Netzteil)
Garantiezeit: 3 Jahre
Preis: um 14 000 €
Kontakt
Einstein Audio Components
Prinz-Regent-Straße 50–60
44795 Bochum
Telefon +49 234 9731512
Mitspieler
Plattenspieler: Bauer Audio dps 3
Tonarm: Bauer Audio Tonarm
Tonabnehmer: Lyra Kleos
Phonovorverstärker: Bauer Audio Phono
Vollverstärker: Silbatone JI-300B Mk III
Vorverstärker: Silvercore Daland
Endverstärker: Lumin Amp
Lautsprecher: Ayon Seagull/c, Ayon BlackRaven
Kabel: Sun Audio, Fadel Art, Music Line
Zubehör: Creaktiv Little Reference, Granitbasen