Dynaudio Xeo 20 – Keep it simple, stupid!
Perfektion, der Punkt zwischen „so kompliziert wie nötig“ und „so einfach wie möglich“!
Fotografie: Ingo Schulz
Kein Zweifel, die Dänen meinen es wirklich ernst mit der Weltherrschaft! Drei Jahre Dynaudio unter neuem Inhaber, und schon stellen die Wikinger den Home-HiFi-Sektor gehörig auf den Kopf. Seit der Übernahme des Traditionsherstellers durch den chinesischen GoerTek-Konzern wurde die Forschungs- und Entwicklungsmannschaft verdreifacht und trifft inzwischen im neu gebauten Technologiezentrum am Stammsitz in Skanderborg auf beste Arbeitsbedingungen. Hier finden die Ingenieure nun den nötigen Platz, um ohne Einschränkungen am Klang von morgen zu forschen.
Das dieses „morgen“ nicht mehr allzu fern ist, wird mir klar, als bei mir ein Paar kleine Aktivlautsprecher angeliefert werden, deren Ausmaße sie auf den ersten Blick wie geschaffen für einen Einsatz als Zweitanlage im Schwedenregal erscheinen lassen. Wobei man die Xeo 20 auf keinen Fall unterschätzen darf. So niedlich sie wirkt, sie hat es faustdick hinter den Ohren und verfügt über Grips und Kraft zugleich – das konnte ich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht ahnen. Die Kleine hat es echt drauf; mehr wird hier noch nicht verraten. Außer, dass sie fast die ganze Stereoanlage ersetzt.
Im Vergleich zur Vorgängerin Xeo 4 ist die Xeo 20 etwas gewachsen, doch dank dezenter optischer Frischzellenkur wirkt die 20er puristischer und schlanker als die Xeo 4. Wobei auch die neuen Modelle mit einem Blick als echte Dynaudios zu identifizieren sind. Seien es die Membranen der Tiefmitteltöner aus MSP oder der Esotec-Hochtöner mit Gewebekalotte – in beiden Fällen handelt es sich um alte Bekannte.
Im Lautsprecherbau sammelt man in Skanderborg seit dem Ende der siebziger Jahre Erfahrungen. Doch erst seit der Übernahme durch die Hightech-Jünger von GoerTek und der Kooperation mit AM3D, einem Entwicklerbüro für innovative Audiosoftware, scheint es, als erkunde man in Skanderborg neue, unbekannte Wege zur musikalischen Erfüllung.
Für die neuen Modelle der Xeo-Familie orientierten sich die Entwickler an den Studiomonitoren der LYD-Serie. Diese wurden als Nahfeld-Monitore für professionelle Anwendungen konzipiert und spielen dementsprechend absolut neutral, staubtrocken und mit viel Sinn für feine Details.
Das Erfolgsrezept für LYD und Xeo liegt im nicht ganz taufrischen, doch immer noch hochaktuellen Ansatz, eine Schaltung so simpel und einfach wie möglich zu halten. „KISS“ steht also nicht nur für Glamrock in bizarrer Maskerade, sondern bei unserem Modell Xeo auch für “Keep it simple, stupid!”. Was einfacher klingt, als es tatsächlich ist.
Im Fall der Xeo 20 bedeutet das zuerst einmal einen üppigen Leistungszuwachs. Sowohl für den 14 Zentimeter „großen“ Tiefmitteltöner wie auch die 28-mm-Esotec-Kalotte stehen je 65 Watt aus einer Class-D-Endstufe pro Chassis zur Verfügung, die der Xeo 20 ungeahnte dynamische Fähigkeiten verleihen.
Während der ersten Akklimatisierungsphase finden die Xeos ihren Platz auf meinem Schreibtisch und lenken permanent davon ab, sich auf Dinge wie den drängenden Abgabetermin zu konzentrieren. Per Spotify durchforste ich das Netz nach alten Blues-Klassikern, statt mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Die Reproduktion einer Blues-Harp, voller Inbrunst von Little Walter in „My Babe“ geblasen, gehört zu den anspruchsvolleren Aufgaben für Lautsprecher und vorgeschaltete Elektronik. Hier genau die Grenze zwischen „Yeah“ und „Autsch“ zu treffen, gelingt auch live höchst selten. Doch die kleine Xeo jongliert nur so mit dem obertonreichen Instrument, trifft mit chirurgischer Präzision genau den Punkt zwischen Wonne und Qual, während der Swing des Kontrabasses die Kontrolle über den linken Fuß übernimmt.
Als Desktop-Monitore machen die Dynaudios schlicht und ergreifend einen Mordsspaß. Ich bin dermaßen hin und weg von den zweitkleinsten Xeos, dass die Kistchen nach zwei Tagen Schreibtischarbeit in den kleinen Hörraum umziehen dürfen. Dort angekommen, finden sie zuerst Platz auf den etwas zu tief bauenden Ständern meiner betagten ALR Nummer 2. Funktioniert auch recht ordentlich, doch die Wiedergabe im Präsenzbereich gelingt nicht ganz so organisch wie auf dem Schreibtisch in Ohrenhöhe. Abhilfe naht, nach Rücksprache auf dem kurzen Dienst- und Postweg, in Form der passenden Stehhilfen aus dem Dynaudio-Sortiment. Mithilfe der Stand 20 spielt der Esotec-Hochtöner nun wieder genau dort, wo er hingehört.
Hier entfaltet der eigentlich der „Standard-Klasse“ im Portfolio angehörende Tweeter eine formidable Feinauflösung, agiert ausgesprochen sensibel in den höchsten Lagen (Fender Strat, Blechbläser, Blockflöte) und verschmilzt, dank flacher Filterung seitens der Aktivweiche, nahtlos mit vollmundigen, doch klar sortierten Mitten und dem in Relation zur Gehäusegröße ungemein kontrolliert ausgestalteten Tieftonbereich. Luftig, locker, dabei mit genug kernigen „Ballaststoffen“ erinnert mich die Xeo 20 an Wasa-Knäckebrot mit Frischkäse und Schnittlauch. Frisch, leicht, gehaltvoll und einfach lækker!
Für mein Empfinden ist die Abstimmung der Dynaudio Xeo 20 herausragend gut gelungen. Die kleinen Lautsprecher profitieren absolut davon, nicht von externer Elektronik abhängig zu sein. Theoretisch benötigt die Xeo zwei Stromanschlüsse sowie ein Bluetooth-fähiges Handy inklusive Lieblingsmusik. Mehr nicht. Mittels aptX-Standard gelingt die Wiedergabe hochauflösender Stücke schon drahtlos sehr plastisch, dabei ungemein transparent. Der vermittelte räumliche Eindruck des Aufnahmestudios wird glaubhaft nachgezeichnet, selbst die Anordnung größerer Chöre (Mozart, Die Freimaurermusiken) präsentiert sich sauber gestaffelt und klar durchhörbar.
Aber die Xeo 20 weiß nicht nur drahtlos und mit klassischer Musik zu begeistern, auch vermeintliche Vintagetonträger (CD) nebst „klassischen“ Brachialscheiben, wie beispielsweise Panteras Far Beyond Driven, fräsen sich mit Energie ins Hirn und rufen in Erinnerung, warum diese CD vor fast 25 Jahren unverzichtbarer Standard im Auto war. Härter, direkter und komplexer waren Pantera weder davor noch danach. Ein Meilenstein im CD-Regal und dank der Xeo aktuell wieder in Dauerrotation.
Die Xeo 20 zeigt einen sehr eigenständigen Charakter, der sich stark von allen bisher von mir verkonsumierten Dynaudios unterscheidet. Es scheint, die Dänen wissen um die Bedürfnisse ihrer Chassis und entwickeln daher genau auf den Punkt optimierte Elektronik. Zeit, sich etwas näher mit den Rückseiten der Xeos zu beschäftigen. Von vorne betrachtet identisch, unterscheiden sie sich von hinten doch erheblich voneinander. Gemeinsamkeiten finden sich lediglich im schmalen Reflex-Port oder der Versa-100-Wandhalterung. Abgesehen davon fungiert eine der beiden Boxen als Chef im Ring (Master), der seine aufbereiteten Daten mit 24 bit/96 kHz an seinen Mitarbeiter (Slave) überträgt. Es spielt keine Rolle, wer von beiden auf welcher Seite steht. Sie haben die freie Wahl und können die Master-Box zum Beispiel nahe dem Platten- oder CD-Spieler positionieren. Nachdem die Lautsprecher ihren Platz im Raum gefunden haben, genügt es, ihnen jeweils eine Stereoseite zuzuweisen.
Die Bedienung der Xeo 20 via Fernbedienung ist ein Kinderspiel. Ein Druck auf den gewünschten Eingang reicht, um die Dynaudio Xeo wachzuküssen. Überraschend für mich als Nicht-Apple-Nutzer ist, dass die „schlummernde“ Masterbox mein Sony Xperia selbst erkennt und hochfährt, sobald am Telefon Bluetooth aktiviert wird und ich meine Musik starte. Kabelgebundene Signallieferanten finden analog per Cinch und Klinkenstecker Anschluss, den optischen Digitaleingang belegt bei mir ein älterer Pioneer-CD-Dreher. Im Prinzip ist bei der Xeo 20 alles drin und auch alles dran, was ich im Alltag brauche!
Darüber hinaus reagieren die Xeo-Modelle erfreulich unbeeindruckt auf räumliche Unzulänglichkeiten, weil sich beide Lautsprecher unabhängig auf ihre Umgebung hin optimieren lassen. Dafür findet sich eine dreistufige Anpassungsoption (freistehend, wandnah oder in der Ecke) an beiden Boxen, die jeweils den Frequenzgang an die räumlichen Gegebenheiten anpasst. Hier kommen dann die Profis von AM3D mit ins Drachenboot. Dank deren Know-how wurden die Filter sehr schmalbandig realisiert und agieren nur dort, wo es unabdingbar ist. Der Übernahmebereich zwischen Hoch- und Tiefmitteltöner wurde etwas erweitert, was in einer plastischen, griffigen Wiedergabe resultiert, die das Prinzip „Zweiwege plus Bassreflex“ paradox erscheinen lässt.
Meist denke ich, einem guten Coax-Chassis oder Breitbänder zu lauschen, nicht einer kleinen „Regalbox“. Das Bruchlose, Homogene der von der Redaktion heißgeliebten Heco Direkt Einklang trifft auf die sprichwörtliche Natürlichkeit, welche eine Dynaudio von je her auszeichnet. Und man muss nicht erst zentnerschwere Amps hin- und herwuchten, bevor man verzückt vor der Musik auf die Knie fällt. Hier passt einfach alles. Unter dynamischen Aspekten agiert die Xeo straff, schnörkellos und in bester Monitor-Qualität. Sie kann auch giftig, wenn der Tonträger dies liefert, doch benimmt sie sich im Regelfall äußerst zivilisiert.
Wenn es überhaupt etwas zu mäkeln gäbe, dann die leicht limitierte Eignung zur Ruhestörung. Erstens wurde der lediglich 14 Zentimeter durchmessende Tieftöner nicht für juvenilen Unfug geschaffen (wer mehr Druck benötigt, greift zur größeren Schwester Xeo 30), und zweitens beschränken die integrierten Limiter des DSP die Leistung so, dass die Endstufen Peaks oder Verzerrungen nicht an die Membranen weiterleiten. Folglich zieht die Xeo bis zum Anschlag durch, ohne auch nur einen Hauch von Kompression erkennen zu lassen.
Bisher konnten die kleinen Aktivlinge im Nahfeld auf dem Schreibtisch ebenso überzeugen wie im kleinen Raum, mit zwei Metern Abstand aller Beteiligten zueinander. Unter den (fast) optimalen Bedingungen in beiden Räumen blieb dem DSP bisher nur die Arbeitslosigkeit.
Im Wohnzimmer findet sich der nötige Platz, um mit weniger optimalen Aufstellungsoptionen zu experimentieren. Im Zuge dessen zeigt sich, dass es fast keine Rolle spielt, ob beide Boxen in der Ecke stehen oder nur eine, ob eine frei spielen darf, während Nummer zwei über den Bassreflexschlitz auf der Rückseite gegen eine nackte Betonwand atmet oder beide komplett frei im Raum bei einer Schenkellänge des Stereodreiecks von drei Metern platziert werden. Die Xeo 20 fühlt sich, nach Korrektur durch den DSP, in der kompletten Hütte so wohl, als sei sie Gründungsmitglied unserer WG. Wir würden ihr gerne einen Dauerplatz anbieten, doch im Verlag drängelt man mal wieder – die Kleinen müssen ins Fotostudio. Ich werde sie vermissen, diese einfachen, aber gar nicht simplen kleinen Lautsprecher!
Wir meinen
Aktivlautsprecher Dynaudio Xeo 20
Funktionsprinzip: 2-Wege-Kompaktlautsprecher, aktiv, Bassreflex
Eingänge digital: S/PDIF optisch 24 bit/192 kHz (Toslink)
Eingänge analog: 2 x Line (Cinch, 3,5-mm-Klinke)
Bluetooth: 24 bit/96 kHz (aptX)
Bestückung: 14-cm-MSP-Tiefmitteltöner, 25-mm-Softdome-Gewebekalotte
Leistung: 2 x 65 W pro Box
Frequenzbereich: 40–21 000 Hz
Ausführungen: Schwarz oder Weiß seidenmatt
Maße (B/H/T): 18/32/26 cm
Gewicht: 6 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Paarpreis: 2200 €
Mitspieler
Plattenspieler: Acoustic Solid Vintage, Scheu Cello, Thorens TD 280
Tonarme: Acoustic Solid WTB 213, Scheu Classic Mk II, Thorens TP 28
Tonabnehmer: Clearaudio Charisma V2, MC Scheu S, Ortofon Quintet Red
Phonovorverstärker: Acoustic Solid Phonovorverstärker, Clearaudio Basic V2
CD-Player: Marantz CD 17, Marantz CD 62, Pioneer PDS-505
D/A Wandler: Audiolab M-DAC Mini
Vollverstärker: Einstein The Tune, NAD C 390DD
Endverstärker: Lehmann Black Cube Stamp
Lautsprecher: Audio Physik Seemon, Opera Seconda Mk II, ALR Nummer 2
Kabel: SpinX, German Highend, Audioquest, T+A, Horn Audiophiles, Black & White, Isotek
Zubehör: Sun Leiste, Steinmusic, Millenium Carbon-Matte, bFly-audio, Simply Analog