Dynaudio Evoke 30 – Wo soll das noch hinführen?
Bei Dynaudio lässt man sich nicht beirren und verfolgt seit Jahrzehnten konsequent den für richtig befundenen Weg.
Gerade im Lautsprecherbau wird gerne mal im Jahresrhythmus eine neue Sau durchs highfidele Dorf gejagt. Mal müssen es Seidenkalotten sein, dann wieder Aluminium, vor ein paar Jahren durfte keine Box mit highendigem Anspruch ohne Diamantkollier daherkommen, dann war es wieder Beryllium. Die Gehäuse waren mal aus MDF, dann wieder aus Multiplex, immer mal wieder nahm man Aluminium, natürlich das gute aus dem Flugzeugbau, dann wieder Kunststoff, Massivholz oder gar Beton. Und wenn ich die letzten 20 Jahre Revue passieren lasse, fällt mir auf, dass dieses PR-freundliche Umherwechseln meistens nicht die Qualitätsschritte gebracht hat, an die wir alle unbedingt glauben wollten. In erster Linie klang es in vielen Fällen nur anders, nicht ehrlich besser.
Eine Parallele zur Musik sei erlaubt. Es gibt auch unter Musikern die ständige Suche nach dem heiligen Gral, dem einen Instrument, das alles gut werden lässt. Das jenes Leiden der ersten paar Minuten, die man am Instrument verbringt, verkürzt, den Schmerz reduziert, letztlich unseren täglichen Kampf gegen das Material und unsere körperliche Fehlbarkeit für uns gewinnt. Und tatsächlich scheinen neue Gerätschaften den Alltag zu erleichtern. Geht es nicht doch etwas leichter von der Hand, gab es schon einmal ein so samtiges Pianissimo? Des Rätsels betrübliche Lösung ist, dass wir durch Neuerungen unseren Fokus verschieben, die alltäglichen Probleme schlicht weniger wahrnehmen. Das kann helfen, um mal eben den Kopf freizubekommen, letztlich bleiben unsere Probleme aber bei uns.
Gerade in Instrumentengruppen, deren technische Entwicklung in jüngster Zeit noch gewaltige Schritte gemacht hat, ist man allgemein aufgeschlossener, wenn es um vermeintliche Glücksbringer geht. Kleine Kontergewichte oder Resonanzbremsen an Blechblasinstrumenten, Experimente mit der Mensur oder Materialstärke, neue Rezepte bei der Mischung der Materialien eines Paukenschlägelkopfes, neuartige Kesselaufhängungen – es ist ein weites Feld. Bei meinen Studenten kann ich das sehr schön beobachten, wie auf jede Frustration das neue Material folgt, nur um nach einer Weile wiederum von dem dann aber wirklich besten Material abgelöst zu werden. Letztlich werden sie aber – egal, was ausprobiert wird – immer wieder auf sich selbst und ihre eigenen Probleme zurückgeworfen. Und irgendwie erkenne ich darin nur allzu oft uns und unser Hobby wieder. Auf der Suche nach dem ultimativen Musikkick werden Geräte gewechselt, sobald die Begeisterung nachlässt – ein neuer Sound, eine vielversprechende Technologie wird es hoffentlich richten. Dabei liegt der richtige Weg doch genau vor uns: die konsequente Evolution, das stetige Verfeinern. Daraus resultiert für uns, dass wir wirklich an der Sache bleiben, wenn wir zum einen unsere Anlage konsequent, aber auf dem eingeschlagenen Wege verbessern. Zum anderen aber – und das ist der noch wichtigere Punkt – unser Wissen und Verständnis rund um die Musik so weit als möglich vertiefen. Vielleicht sogar mal ein Instrument ausprobieren, denn auch hunderte Stunden Google-Recherche ergeben nicht den gleichen „Inside-View“ wie dreißig Minuten mit einem guten Lehrer. Oder, wie es dereinst ein sehr geschätzter Autorenkollege ausdrückte: „Lieber Kreisliga kicken als Bundesliga gucken.“
Erfolgsrezept
Dieser sehr weite Bogen führt uns auf direktem Wege zur Dynaudio Evoke 30. Denn sie erfüllt wesentliche Kriterien, die auch beim Musizieren zum Erfolg führen: Konzentration auf die Verfeinerung der eigenen Talente und wenig Störung durch andere Versuchungen. Soll heißen: perfekt furnierte MDF-Gehäuse, MSP-Membrane, Seidenkalotten und Single-Amping-Terminals waren bei den Dänen schon das Maß, als ich noch studierte. Und schon damals konnten andere Lautsprecher immer wieder in Teilbereichen mehr begeistern, vernebelten durch manch einen Effekt den klaren Blick. Doch die in sich ruhende Unangreifbarkeit einer Dynaudio erreichten sie nur selten. Und ja, ich war zu jung, um das zu erkennen. Mea Culpa. Mit dem Kauf einer Contour 3.3 oder einer Special One hätte ich mir auf Dauer viel Wechselei und Geld sparen können.
Zurück zur Evoke 30. Sie ist der Nachfolger der Focus 260, über die ich an dieser Stelle vor einigen Jahren voller Begeisterung schrieb. Auch hier handelt es sich um eine schlanke, gerade einmal neunzig Zentimeter hohe Box mit einem Hochtöner und zwei Tieftönern, von denen der untere etwas unterschiedlich beschaltet ist, um in der Nähe der Übergangsfrequenz keine Probleme zu schaffen und nach unten hin über mehr Reserven zu verfügen. Besagter Hochtöner ist – wir haben es alle geahnt – eine 28 Millimeter durchmessende Seidenkalotte, die eine konsequente Weiterentwicklung ihrer Vorgänger darstellt. Dieses „Cerotar“ getaufte Konstrukt erbte wie üblich Gene der Topmodelle, in diesem Fall den mechanischen Aufbau hinter der Membran, um den rückwärtig abgestrahlten Schall im Zaum halten zu können, wurde allerdings bei den Materialien an die angepeilte Preisklasse angepasst. Beispielsweise musste das teurere Neodym einem günstigeren Magneten aus Strontiumcarbonat-Ferrit/Keramik weichen, womit sich ganz nebenbei der Name erklärt.
Experimentiert wurde in letzter Zeit auch viel mit Kupferspulen, was für Dynaudio eine ziemliche Abkehr vom Bekannten darstellt. Sie kommen allerdings nur in der größeren Evoke 50 zum Einsatz, bei der Nummer 30 bleibt man beim leichteren Aluminium, das ein flinkeres Reagieren auf kleinste Signale verspricht. Beide Treiber arbeiten in den höheren Lagen parallel, der obere verabschiedet sich nur früher, um eine weniger gestörte Mittenwiedergabe zu gewährleisten.
Derart über Jahre verfeinerte Lautsprecher verdienen ein feines Umfeld, und so kombiniere ich die Evokes mit dem grandiosen Lavardin IT und einem Mark Levinson 390s, verkabelt mit Vovox.
Unaufgeregter Anreger
Was sich hier ab dem ersten Moment einstellt, ist genau das, was man auch mit gut kombinierten BBC-Lautsprechern oder anderen wirklich ausgereiften Produkten erleben kann: Die Musik ist im Raum, man achtet nur auf sie, die Technik ist ab dieser Sekunde kein Thema mehr. Richard Wagners Parsifal in der Aufnahme der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Sir Georg Solti (Decca 470805-2) liegt neben dem CD-Player und wird schnell eingelegt, um eben mal zu hören, ob denn alles in Ordnung ist. Bevor es ans konzentrierte Hören geht. Ein paar dunkle Akkorde der Bläser, Pizzicati der Kontrabässe, Gurnemanz fragt: „In düstrem Waffenschmucke?“ – und der vermeintliche Schnelltest dauert mehrere Stunden. Die CD läuft durch, danach starte ich bei CD eins und höre den Parsifal nochmal komplett. Und denke dabei nicht auch nur einmal an die Anlage oder ihre Aufstellung, sondern hole die Partitur aus meinem Arbeitszimmer, weil ich musikalischen Zusammenhängen auf die Spur kommen möchte, die mir so vorher nicht aufgefallen sind. Was für ein Erlebnis, was für eine wunderbare Zeit mit Musik! Die Stimmen, der Raum, Klangfarben der Instrumente – alles ist so natürlich und im besten Sinne unaufgeregt, einfach so „da“, dass nur noch die Musik zählt.
Im Grunde ist mit dieser kleinen Szene schon alles über die Dynaudio Evoke 30 gesagt. Die Entwickler haben die ihnen bekannten Technologien so sehr im Griff, dass sie sämtliche Störungen ausschalten konnten und nichts mehr von der Musik ablenkt. Sämtliche technischen Highlights sonnen sich nicht im Glanze ihrer Fähigkeiten, sondern dienen der Musik. Sie sehen, wie ich um Worte ringe, denn das alles ist nicht so leicht zu beschreiben. Man merkt hier erst, was man gewinnt, wenn etwas nicht da ist.
Aber die Chronistenpflicht ruft, und auch der schönste Wagner beantwortet vielleicht nicht alle Fragen. Also wandern in schneller Folge Michael Jackson (seine Produktionen mit dem genialen Quincy Jones, sicher einer der größten musikalischen Geister der letzten 100 Jahre), Bill Frisell, Massive Attack, das Kilimanjaro Dark Jazz Ensemble, John Coltrane und Ry Cooder durch den CD-Player. Und jedes Mal bestätigt sich das gewonnene Bild: Ich höre die einzelnen Tonträger, im Idealfall die Musik, achte aber nicht auf die Anlage. Da man bei Dynaudio kein Freund von ausgiebigen Impedanzkorrekturen und minimalistischen Weichen ist, sollte ein wirklich stabiler Verstärker im Spiel sein, bei schwächeren Modellen kann der Bass durchaus etwas an Kontur verlieren. Beachtet man aber diesen einen Punkt, sind die Dynaudio Evoke 30 ein ungemein günstiges und verblüffend unkapriziöses Ticket zu schönstem Musikgenuss. Angesichts dieser grandiosen Evolution muss man sich fragen, was dabei herauskommt, wenn die Ingenieure von Dynaudio weiter so konsequent ihren Weg verfolgen. Es ist nur schwer vorstellbar …
Wir meinen
Das Fazit ist diesmal kurz: In dieser Preisklasse kenne ich nichts Besseres.
Info
Lautsprecher Dynaudio Evoke 30
Konzept: 2,5-Wege-Standlautsprecher, Bassreflex (Öffnung hinten)
Anschlüsse: Single-Wiring-Terminal
Wirkungsgrad: 88 dB
Impedanz: 4 Ω
Frequenzgang: 40 Hz bis 23 kHz
Bestückung: 2 x 14-cm-Tiefmitteltöner (MSP), 1 x 28-mm-Hochtöner (Seide/Ceratec)
Ausführungen: Klavierlack schwarz, Klavierlack weiß, Walnuss, Blond Wood
Gewicht: 16 kg
Maße (B/H/T): 18/90/27 cm
Garantiezeit: 2 Jahre (8 Jahre nach Registrierung)
Paarpreis: um 3200 €
Kontakt
Dynaudio Germany
Ohepark 2
21224 Rosengarten
Telefon +49 4108 41800
Mitspieler
Plattenspieler: Transrotor Apollon TMD mit SME 5, SME 3012 u. a.
CD-Player: Mark Levinson No. 390s
DAC: Merging Technologies
Vollverstärker: Lavardin IT
Vorverstärker: Crane Song Avocet
Endverstärker: Digitalendstufe auf ICE Power basierend, Accuphase P-4200
Lautsprecher: Spendor Classic 3/5, Vimberg Tonda, Wilson Audio Sasha DAW, Sky-Audio 2.2 System
Kabel/Zubehör: Vovox, AudioQuest, Audio Note, Creaktiv