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Dr. Feickert Analogue Volare Plattenspieler

Dr. Feickert Analogue Volare im Test

Dr. Feickert Analogue Volare – Einsteigen und abheben

„Volare“ heißt „fliegen“. Der Plattenspieler Dr. Feickert Analogue Volare ist tatsächlich eine Art Fluggerät, wenn auch nur ein virtuelles. Und der Traum vom Fliegen gelingt mit ihm so preiswert wie nur selten.

Fotografie: Ingo Schulz

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So ein Einsteigergerät lobe ich mir. Um einen Vergleich aus dem Motorjournalismus zu bemühen: Was da vor mir steht, stellt nach High-End-Maßstäben eine obere Mittelklasse zum Preis eines gut ausgestatteten Kleinwagens dar. Welches der beiden Gefährte das größere Spaßpotenzial bietet, ist nicht zuletzt Geschmackssache. Dass der „Kleinwagen“ aus einer dezidierten Edelschmiede stammt, macht die Sache besonders reizvoll.

Bleiben wir noch kurz beim Thema Auto: Wenn die großen Konzerne jüngere Käuferschichten ansprechen wollen, bei denen die Brieftasche noch nicht ganz so gut gefüllt ist, setzen sie gerne auf zielgerichtetes „Downsizing“ – ein paar PS weniger, die Zierleisten am Armaturenbrett aus Kunststoff statt aus Holz, kurz: etwas weniger Blingbling bei gleichbleibender technischer Substanz.

Dr. Feickert Analogue Volare Plattenspieler

Was den Firmen mit dem weißblauen Propeller oder dem silbernen Stern im Kühlergrill recht ist, war Laufwerk-Entwickler Dr. Christian Feickert nicht billig, sondern eine Herzensangelegenheit. Im Laufe der Jahre hatte er immer wieder Anfragen bekommen, ob es möglich sei, ein bezahlbares Laufwerk unterhalb von Firebird, Blackbird und Woodpecker zu entwerfen, das trotzdem die Dr.-Feickert-Gene in sich trägt – Auftritt Volare. Auch der ist ein Masselaufwerk, von dem man in March-Buchheim im Breisgau ganz genau weiß, wie man es zum Klingen bringt. Der Rotstift wurde, wenn überhaupt, nur ganz behutsam angesetzt. Und es wurden Dinge eingespart, die selbst beinharte „Analogos“ wie der Schreiber dieser Zeilen nicht unbedingt vermissen. Der Volare ist alles andere als ein Sparbrötchen.

Am typischen Dr.-Feickert-Design mit dem mehrlagigen Gehäuse und den handschmeichlerisch abgerundeten Kanten wurde nichts geändert, obwohl der Volare eigenständig und auf Anhieb unverwechselbar daherkommt. Weil ein Masselaufwerk nur dann vernünftig tönen kann, wenn es auch wirklich Masse mitbringt, wiegt der Volare dank einer Trägergrundplatte aus Stahl schon ohne Tonarm 17,5 Kilo. Das FIDELITY-Testexemplar war naturgemäß noch ein wenig schwerer, weil hier der klanglich und qualitativ durchaus ins Gesamtpaket passende Jelco-Tonarm Jelco TS-350 S samt passender Basis montiert wurde. Der Neunzöller ist sehr einfach zu justieren, und dank eines serienmäßigen SME-Anschlusses für die Headshell ist auch der Tonabnehmer-Einbau beziehungsweise -Wechsel ein Kinderspiel.

Dr. Feickert Analogue Volare Plattenspieler

Ein überdeutlicher Hinweis, dass das Dr.-Feickert-Einsteigerangebot – ohne Tonarm kostet der Volare knapp unter 2500 Euro, mit dem Jelco nicht ganz 3000 Euro – sich auch und gerade an Menschen wendet, die vor dem Musikhören kein Analog-Durchblickerseminar belegen wollen und auch nicht unbedingt zu den Freaks gehören, die im Drei-Tages-Rhythmus Tonarme und/oder Tonabnehmersysteme wechseln. Deshalb sucht man hier die „Gadgets“ der großen Dr.-Feickert-Modelle vergebens. Es gibt zum Beispiel keinen Verschiebeschlitten, der die variable Einstellung maßgeschneiderter Tonarmbasen erlaubt. Allerdings kann man die Volare-Tonarmbasis nach Lösen einer Verschraubung per Inbusschlüssel leicht aus der Zarge entfernen und den passenden Unterbau für den persönlichen Wunschtonarm einsetzen. Zu haben sind Basen unter anderem für Linn/Jelco/Kuzma, für SME und für Origin Live. Die Umbauarbeit werden sich Volare-Besitzer gleichwohl nicht allzu oft machen, zumal dieses feine Laufwerk schon in Werkskonfiguration zu den besonders musikalischen Vertretern seiner Gattung zählt.

Dr. Feickert Analogue Volare Plattenspieler

Dass ich im FIDELITY-Hörraum die Gelegenheit nutzte, das frisch eingetroffene Clearaudio Jubilee MC auch in den Dr. Feickert Analogue Volare zu verpflanzen, ist purer Audiotester-Luxus, sorgte aber für ein paar überaus erhellende Momente. Selbst wenn die Frage nach der Sinnhaftigkeit zunächst berechtigt erscheint, einen 3900 Euro teuren Tonabnehmer in einen 3000 Euro teuren Plattenspieler einzubauen – das Ergebnis ist verblüffend und ermutigend. Kann das Erlanger Jubiläums-MC doch seine Stärken im Dr. Feickert Analogue Volare voll ausspielen und wirkt es doch mit dieser Laufwerk-Tonarm-Konfiguration in keiner Weise limitiert. Das Clearaudio Jubilee MC ist ein tendenziell sehr transparent und angenehm luftig aufspielender Tonabnehmer, der eine Fülle an Details bietet, ohne sich deshalb gleich in eine inhomogene „Akustik-Lupe“ zu verwandeln, die eine inhomogene Vielzahl von unverbundenen Einzelheiten präsentiert. Alle Vorzüge der Jubiläumspreziose werden mit dem Dr. Feickert Analogue Volare mühelos hör- und nachvollziehbar, Laufwerk und Pickup harmonieren bestens. Der Volare gibt dem Jubilee MC zudem einen Schuss Grundtonwärme und eine Extraportion Bassgewalt mit, wie sie beim puren Genusshören sehr willkommen sind.

Dass der vergleichsweise kompakte Riementriebler so stoisch und mit beeindruckenden Gleichlaufwerten seine Runden zieht, verdankt er nicht nur seinem zuverlässigen und vor allem auffallend rumpelarmen Ölbadlager, sondern auch einer Zugabe, die bei dem eingangs zum Vergleich herangezogenen Kleinwagen todsicher auf der Aufpreisliste gelandet wäre, beim Dr. Feickert Analogue Volare aber serienmäßig ist: eine elektronische Motorsteuerung per Präzisionsoszillator, die auf den von einem externen Linearnetzteil gespeisten Dreiphasen-Motor wirkt und Korrekturen in Echtzeit vornimmt. Fast völlige Verzerrungsfreiheit ist der Lohn für diesen Aufwand, nach dem man in abgespeckten Einsteigermodellen meist vergeblich suchen kann.

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Wenn man überhaupt irgendwo Spuren des Rotstiftes der Sparkommissare erkennen kann, dann im Plattenteller, der in der Serienausführung aus einer für Dr. Feickert Analogue produzierten Aluminiumlegierung besteht. Dieses Material ist zwar zu 98 Prozent unverdächtig, den Klang zu verschlechtern, kann aber in den restlichen zwei Prozent des Spektrums zum Klingeln neigen. Um auch diese eher marginale Fehlerquelle zu eliminieren, kann man optional für 100 Euro Aufpreis einen Plattenteller aus POM ordern, in dem sich unerwünschte Vibrationen erfahrungsgemäß in Windeseile totlaufen.

Der Test-Volare bezauberte freilich auch mit dem Serienteller und erwies sich schon nach wenigen Minuten als eines jener Ausnahmelaufwerke mit riesengroßem Fun-Faktor, wie ihn nicht einmal manche Top-End-Maschinen haben. Als ich in den FIDELITY-Hörraum kam, lag auf dem mit einer hochwertigen Plattenmatte gedämpften Teller eine meiner Lieblingsscheiben: Madeleine Peyroux’ Careless Love in der fulminanten MFSL-Ausgabe. Während die CD-Version dieser auch nach Jahren noch musikalisch wie tontechnisch berückenden Aufnahme arg vordergründig auf „Gettoblaster-Tauglichkeit“ abgemischt wurde, ist die LP aus dem Mobile Fidelity Sound Laboratory ein echtes Meisterstück hinsichtlich der tonalen Balance, der Stimmpräsenz und der Dynamik. So völlig unterschiedlich kann ein und dasselbe Masterband klingen … Der Dr. Feickert Analogue Volare macht auch Vinyl-Neulingen schnell klar, wo die Ursachen der Schallplattenrenaissance zu suchen sind: Soll eine CD so in sich stimmig, so fein aufgelöst und mit so viel natürlichem Groove über die Rampe kommen, muss man in die Wiedergabemaschinerie deutlich mehr Geld investieren als in einen voll ausgebauten Volare. Der spielt CD-Player der 4000- bis 5000-Euro-Klasse mit fast provokanter Lässigkeit an die Wand. Spielfluss und Timing erscheinen wie aus einer anderen Welt. Selbst mein Mark Levinson 390s hat zu tun, sich gegen den Dr.-Feickert-„Nachwuchs“ zu behaupten.

Dr. Feickert Analogue Volare Plattenspieler

Zu den Schokoladenseiten, zu den mühelos mit dem unterschiedlichsten Musikmaterial reproduzierbaren Talenten des Dr. Feickert Analogue Volare zählt seine frappierende Räumlichkeit. Ich ziehe das Album March 28 des Berliner Damentrios Elaiza aus dem Regal. Die polnisch-ukrainische Frontfrau Elżbieta „Ela“ Steinmetz und ihre Sidekicks durften vor ein paar Jahren in Schönheit den Eurovision Song Contest verlieren, dafür haben ihre querständigen Songs zwischen folkloristischer Weltmusik, Jazz und Pop deutlich mehr geistigen Nährwert als der Schrott aus den Charts. Beim auf analoge Direktschnitte spezialisierten Label „Berliner Meister Schallplatten“ zeigten die drei am 28. März 2013, dass sie genug Präzision und Disziplin besitzen, um jeweils eine Plattenseite direkt in den Matrizen-Schneidstichel zu spielen. Die positive Anspannung, die immense Konzentration, die seinerzeit im Studio geherrscht haben muss, reproduziert der Dr. Feickert Analogue Volare ohne Abstriche und geriert sich als einer jener Plattenspieler, die auch „zwischen den Zeilen“ zu lesen verstehen. Zudem behalten die ausschließlich „akustischen“ Instrumente der perfekt aufeinander eingespielten Elaiza-Musikerinnen ihre natürlichen Farbspektren und sorgen beim Hörer für natürliche Tiefenentspannung, weil das Hörzentrum im Gehirn nicht durch synthetisch erzeugte Klänge oder Overdubs irritiert wird.

Das funktioniert übrigens auch mit E-Musik ganz vorzüglich: Als die heutzutage legendäre Sopranistin Régine Crespin 1963 mit dem Orchestre de la Suisse Romande unter Ernest Ansermet Maurice Ravels Shéhérazade und Hector Berlioz’ Nuits d‘été einsang, hätte wohl keiner der Beteiligten geglaubt, dass hier etwas entstünde, das viele Jahrzehnte später noch den Ruf einer audiophilen Ikone genießen würde. Originalpressungen von Deccas SXL 6081 gehen bisweilen für viel Geld über den Tisch; im FIDELITY-Hörraum findet sich eine liebevoll gemachte Wiederveröffentlichung von Speakers Corner Records auf sauber gepresstem 180-Gramm-Vinyl. Damit läuft der Volare zu ganz großer Form auf. Régine Crespins so unverwechselbare Stimme steht in ihrer ganzen dunkel getönten Pracht messerscharf konturiert zwischen den Schallwandlern. Sogar die eher zweifelhafte Intonationsqualität des in jenen Jahren nicht unbedingt zu den Spitzenensembles gehörenden Klangkörpers aus der französischen Schweiz wird nachvollziehbar. Versöhnt wird man mit den Schwächen durch die liebliche Saalakustik, die der Volare plastisch und griffig nachvollzieht.

Dr. Feickert Analogue Volare Plattenspieler

Am Ende eines Hörabends, der deutlich länger als geplant ausfällt, lasse ich es noch einmal krachen, drehe den Lautstärkeregler weit nach rechts und gebe mir die vokale Urgewalt von Adele Laurie Blue Adkins auf ihrem immer noch singulären Album 21. Der Dr. Feickert Analogue Volare liefert mir genau den Druck, nach dem diese Ausnahmesängerin mit ihren bombastischen Pop-Arrangements verlangt. Die Bässe sind von jenem fetten Sattschwarz, das nur große Laufwerke so leuchtend hinbekommen. Der Volare schafft das auch. Eigentlich unfassbar.

Dr. Feickert Analogue Volare Plattenspieler Navigator

 

Plattenspieler/Laufwerk Dr. Feickert Analogue Volare

Funktionsprinzip: Masselaufwerk
Gewicht: 17,5 kg ohne Tonarm
Maße (B/H/T): 42/12,5/36 cm
Besonderheiten: austauschbare Tonarmbasis, elektronisch geregelter Riemenantrieb, Linear-Netzteil, Ölbad-Tellerlager, Plattenteller wahlweise aus Aluminiumlegierung oder POM (100 €), 33, 45 und 78 U/min, per Tipptaster einstellbar und feinjustierbar
Lieferbare Ausführungen: schwarz/silber oder schwarz, Holzfurnier in Vorbereitung
Garantiezeit: 2 Jahre Chassis und Elektronik, 5 Jahre Tellerlager
Preis: 2490 € (nur Laufwerk, mit 9″-Tonarm Jelco TS-350 S: 2990 €)

 

www.feickert.com

 

Mitspieler:

CD-Player: Audio Note Zero, Mark Levinson 390s
SACD-Player: Marantz SA14 V1, Sony SCD 333 ES
Plattenspieler: Clearaudio Innovation Compact, SoReal Audio Seismograph
Tonabnehmer: Clearaudio DaVinci und Concerto V2, Denon DL-103R
Phonovorverstärker: Musical Fidelity M-VNYL, Clearaudio Basic
Vorverstärker: Mark Levinson No. 38S, Trigon Snowwhite, Marantz SC-22
Endverstärker: Mark Levinson No. 27, Marantz MA-22, John Curl JC3, Trigon Dwarf II
Lautsprecher: KEF R900, Infinity Kappa 7.2 Series II

 

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