Robbie und die BBC
Willkommen in der Bundesliga der Soundvirtuosen. Warum Gerhard W. und Dieter P. am liebsten mit ganz bestimmten Schallwandlern aus England arbeiten, verraten sie FIDELITY bei überraschenden Einblicken ins Studioleben.
Robbie Williams war der Erste. Er war der erste prominente Musiker, der sich freiwillig mit Lautsprechern von PMC abbilden ließ. Sogar sehr freiwillig, wie zu hören ist, denn PMC-Lautsprecher waren auch schon damals richtig gut.
Damals? So furchtbar lang ist das noch gar nicht her. Robbies PMC-Auftritt fand Mitte der 1990er statt, als PMC noch The Professional Loudspeaker Company hieß und sich – nach der erfolgreichen Etablierung bei der BBC und in der heiß umkämpften Tonstudioszene – nun auch an den HiFi-Markt herantastete, der noch ein bisschen heißer umkämpft war. Und ganz grundsätzlich auch ein bisschen anders tickt …
Emotionen für bessere Ergebnisse
Robbie Williams? „Nö“, sagt Gerhard Wölfle, „der Robbie“ war hier noch nicht zu Besuch. Aber er würde den Robbie natürlich herzlich willkommen heißen. Gerhard Wölfle ist Studioleiter („Senior Audio Engineer“) der Dorian Gray Studios und könnte garantieren, dass sich im 2004 erbauten Studio- und Multimediagebäude am Westrand Münchens auch dieser Superstar wohlfühlt. Denn das tun alle hier, ob Star oder nicht.
Die Atmosphäre ist lässig und konzentriert zugleich, lädt ein zum kreativen Arbeiten. Alles wirkt angenehm proportioniert und professionell gestaltet, wie von Könnern erdacht und installiert. Was daran liegt, dass dieses Studio genau das auch ist: von Könnern erdacht und installiert. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass alle Studios des Hauses mit Lautsprechern von PMC ausgestattet sind. Im großen Aufnahme- und Abmischraum beispielsweise strahlen riesige MB2A-Monitore mit der Basserweiterung XPD über das gigantische Mischpult von SSL hinweg in den Raum. Im fast schon kuscheligen Mastering-Studio weiter hinten im Gebäudekomplex arbeitet Kollege Dieter Pimiskern am allerliebsten mit den PMC IB2.
PMC also. Gerhard Wölfle begründet seine Vorliebe für die englischen Lautsprecherprofis damit, dass für einen Toningenieur der Abhörlautsprecher ein echtes Werkzeug ist. Statt damit „nur“ zu hören, müsse er mit dem Lautsprecher ja arbeiten, teils sehr lange am Stück und immer sehr intensiv. Daher muss ein Arbeitslautsprecher einerseits sehr präzise und klar klingen, darf andererseits aber „nicht anstrengend“ sein – zwei Forderungen, die seine große PMC-Abhöre perfekt erfüllt. Über den Nahfeldmonitor eines bekannten deutschen Studioausrüsters urteilt er hingegen, das sei „kein emotionaler Lautsprecher“, könne also auch nicht seine erste Wahl sein. Achselzuckend bekennt Gerhard W.: „Ab einem gewissen Niveau ist das Hörempfinden einfach subjektiv“, das gelte für Highender wie für Toningenieure. Er beschäftige sich auch gern mit Analogtechnik, die „ist emotional“ und besitze eine gewisse Soundästhetik. „Außerdem habe ich zwei Hände und liebe es, echte Knöpfe anzufassen!“ Spricht’s und lässt das Mastertape einer aktuellen komplexen Popproduktion anlaufen. Es klingt schlicht umwerfend.
David, Goliath, PMC
Bereits zum zweiten Mal erlebe ich in Studio 1 (großes Bild) die große PMC-„Abhöre“: Im Sommer 2012 bewies sie bei einem Workshop im Vergleich zu einer winzigen DB1S+, dass PMC über alle Modelle hinweg tonal exakt gleich klingt. Im Sweet Spot am Mischpult konnte ich mitunter nicht sofort benennen, welche PMC gerade lief: der Minimonitor? Oder die eingebaute, von 5500 Bryston-Watt befeuerte Vollaktiv-Lösung? Beim Herumwandern im Regie- und Mischraum war die Sache dann zwar schnell klar. Nun aber fiel mir auf, wie vollkommen gleichmäßig der Raum akustisch ausgeleuchtet wird. Ob man sitzt oder steht, sich zentral oder seitlich oder nach hinten versetzt im Regieraum befindet – diese grandiose, unglaublich involvierende Performance war überall praktisch gleich gut. Das musste ich einfach noch einmal in Ruhe erleben.
Erstaunlicherweise ist es dem Architekten und Akustikspezialisten Jochen Veith gelungen, diesen fast schon spektakulär ehrlichen, emotional tatsächlich ansprechenden „Großklang“ über die PMC-Monitore ohne jeden Einsatz von DSPs zu realisieren. Mehr noch: Hier war noch nicht einmal eine Raumentzerrung nötig, mit der Aktivsysteme ansonsten üblicherweise auf den Arbeitsplatz eingemessen werden – fantastisch! Vorbei an einer riesigen EMT-Hallplatte, an analogen Band- und jeder Menge Vintage-Soundmaschinen erreichen wir nun Mastering-Meister Dieter Pimiskern an seinem Arbeitsplatz im hinteren Teil des Studiokomplexes. Hier ist alles eine Nummer kleiner, aber genauso professionell auf angenehmes, konzentriertes Arbeiten ausgelegt. Statt eines 400 000-Euro- Mischpults hat der 40-Jährige etliche Soundveredler im 19-Zoll-Rackformat vor sich, die – HiFi-Fundis bitte weghören – schon so mancher „nur“ guten Produktion zu audiophilem Status verholfen haben. Als Kontrollmonitore stehen ihm zumeist drei unterschiedliche Schallwandlerpaare zur Verfügung. Eines davon benutzt Dieter P. auch zu Hause, zum privaten Musikhören. Es trägt ein Kürzel mit drei Buchstaben. Nein, „der Robbie“ war noch nicht hier. Aber es wäre eigentlich mal an der Zeit …