Jazzproduktion in Dolby Atmos
Jazz und Dolby-Atmos – das passt hervorragend zusammen, wie wir bei einem Vor-Ort-Termin in den Münchener MSM-Studios erfahren konnten.
Eigentlich ist Dolby gar nicht unser Metier. Für eingefleischte „Zweikanaler“ sind einfach zu viele Lautsprecher im Spiel. Der Anlass hatte aber seinen Reiz: Durch die Demonstration des Atmos-Konzepts leitete uns der bekannte Jazztrompeter Nils Wülker, der die 360°-Abmischung seines neuen Albums im Gepäck hatte. Aufgenommen hat er das Album gemeinsam mit dem Rundfunkorchester des BR in München und zu meiner großen Überraschung, musste ich viele Stereotypen, die mir beim Thema „Surround“ durch den Kopf streifen über Bord werfen: Alle Titel, die wir uns anhören durften, darunter das Titelstück „Continuum“ oder Ballade „Nikas Dream“, glänzten mit ihrer plastisch-realistischen Bühnenabbildung. Dass über und um uns herum etwas passiert, bemerkten wir erst, als der Künstler bei laufender Wiedergabe in den Stereo-Mix umschaltete. Schlagartig klappte der Raum auf eine ernüchternd zweidimensionale Ebene zusammen.
Sinn für Realismus
Tatsächlich sei es ihm während der Produktion nie in den Sinn gekommen, die verfügbaren Kanäle „kreativer“ einzusetzen, wie Wülker erklärt. Atmos kann bis zu 128 Spuren im Raum verteilen. Der Reiz habe darin bestanden, die Bühne beziehungsweise den Aufnahmeraum seiner jazzigen Titel, die man aber auch als Ambiance oder Soundtracks einordnen dürfte, vollständiger abbilden zu können. Das Dolby-Konzept biete hier einen entscheidenden Vorteil: Da man viel mehr Fläche zur Verfügung hat – Akustisch wird eine lückenlose Halbkugel um den Hörplatz abgebildet – sei es viel einfacher, die Instrumente des Orchesters im Raum zu verteilen, während seine Trompete klar und differenziert im Zentrum erscheine. Bei einem Stereo-Mix sei es eine größere Anstrengung, den Raum aufzuteilen. Zudem ist das Format „modular“ ausgelegt. Wer daheim nicht wie die MSM-Studios über insgesamt 14 PMC-Lautsprecher (inkl. Woofer) verfügt, der kann die Titel auch auf weniger Kanälen oder in Stereo anhören. Es wird immer alles abgebildet.
Dolby Atmos für Musiker
Sie wundern sich, was Dolby überhaupt in einer reinen Musikproduktion zu suchen hat? Der Atmos-Standard wird seit geraumer Zeit auch als Audio-only vermarktet. Streaming-Dienste wie Apple Music oder Tidal stellen viele Produktionen in dem flexiblen Mehrkanal-Verfahren bereit. Das bekommen selbst Eigentümer von Atmos-Anlagen nicht in jedem Fall mit. Die meisten Produzenten setzen die technischen Möglichkeiten dezent ein, nutzen die „Über-Kopf“-Kanäle, um den Raum nach oben zu öffnen und mehr Atmosphäre zu erzeugen. „Das Gehörte muss zu unseren Gewohnheiten passen“, wie Wülker hier ins Gespräch einwarf. Und das scheint gut anzukommen. Da Atmos in immer mehr Soundbars oder in Car-HiFi-Systemen eingesetzt wird, steige die Nachfrage rapide an, wie uns Mitarbeiter von Dolby erklären. Allein, seit Apple Music das Format streame, habe sich die Zahl der „mischfähigen“ Studios von weltweit 200 auf 400 erhöht.
Continuum erscheint übrigens am 29.04.
Falls Sie mehr über das neue Album von Nils Wülker erfahren wollen: In der kommenden FIDELITY No° 62 bringen wir ein großes Interview, dass unser Kollege Martin Wittler in den vergangenen Tagen in Hamburg führen konnte.