Dieter Kühn – Clara Schumann, Klavier
Wenn Dieter Kühn (1935–2015) Historisches erzählt, mischt er sich ein. Er kommentiert und hinterfragt, er recherchiert Hintergründe, erwägt Möglichkeiten, bietet Varianten an. Auf über 530 Seiten entfaltet er das Drama von Clara Schumann (1819–1891) – vielschichtig, widersprüchlich, aufwühlend.
Clara als Kind: musikpädagogisches Projekt ihres Vaters. Die Neunjährige wird zur Erwachsenen, sobald sie am Klavier sitzt. Die 14-Jährige verliebt sich in Robert Schumann, den verschlossenen Nuschler. Mit 18: Claras Klavierrevolution in Wien. Mit 19: ohne den Vater in Paris. Mit 20: die gegen den Willen des Vaters gerichtlich erstrittene Hochzeit. Danach, eher lustlos: Hausfrau und Mutter. Neun Geburten. Sie opfert ihr Leben der Ehe, muss das Konzertieren herunterdrosseln, verlernt das Komponieren.
Aber sie entzieht sich auch ihren Kindern, packt ihre Gefühle in Quarantäne. Als Schumanns Krankheit manifest wird (1854), lässt sie ihn sofort in eine Anstalt bringen und geht auf Konzertreise. Als Schumann stirbt (1856), zerreißt sie die ganze Familie, verteilt ihre Kinder in Internaten und bei Verwandten. Danach nur noch: Konzertreisen, bis zu zehn Monate im Jahr, obsessiv, wie süchtig. Bei ihren Söhnen wiederholt sich das Muster: Ludwig steckt sie in die Anstalt, Ferdinands Familie reißt sie auseinander, als er krank wird. Man feierte Clara Schumann als die Hohepriesterin der Musik. Sie selbst attestierte sich ein „Gemenge von Charakteren“.
Dieter Kühn – Clara Schumann, Klavier bei S. Fischer Verlage