Die heimlichen Meisterwerke des Jazz – Basie, One More Time (1959)
Der Jazz ist unübersichtliches Gelände – leicht kann man da Bedeutendes übersehen. Hans-Jürgen Schaal präsentiert unbesungene Höhepunkte der Jazzgeschichte. Dieses Mal: Basie, One More Time (1959)
Die Count-Basie-Bigband der 1950er und 1960er Jahre hatte viele gute Arrangeure und Komponisten. Außerhalb des Orchesters waren das Neal Hefti oder Ernie Wilkins, innerhalb des Orchesters Thad Jones oder Frank Foster. Auch der legendäre Quincy Jones, der einmal zum „wichtigsten Mann der Musikindustrie“ (Süddeutsche Zeitung) werden sollte, schrieb mehrfach für Basies Band. Für ein Basie-Arrangement („I Can’t Stop Loving You“) erhielt er 1963 sogar seinen ersten Grammy. 26 weitere Grammys folgten bis heute – kein Künstler bekam diesen Preis häufiger als Quincy Jones.
Als er die zehn Stücke für das Album One More Time schrieb, stand Quincy Jones noch am Anfang seiner Karriere. Er hatte erst zwei Platten unter seinem Namen veröffentlicht und war gerade dabei, in Europa erstmals eine eigene Bigband auf die Beine zu stellen. Dieses Projekt wurde finanziell übrigens ein gewaltiger Reinfall und zwang ihn, seine Schulden durch einen Job in der Musikindustrie abzuarbeiten – der Beginn einer großen Produzenten-Laufbahn. Sein Stil als Bigband-Komponist allerdings war damals schon gefestigt. Wie der 25-Jährige die „blue notes“ harmonisiert, wie er die Satzfarben mischt, wie er noch mit jeder Nebenfigur den Hörer zu fesseln weiß – das war bereits klassischer Quincy Jones. In der Basie-Band wiederum fand er vor allem eines: Persönlichkeiten. „Du musst in die Band hineingehen, um herauszufinden, wer welche Fähigkeiten besitzt“, meinte der junge Arrangeur. Die Verbindung seiner modernen Cleverness mit der Individualität der Basie-Solisten macht den genialen Kern dieses Albums aus.
One More Time enthält einige von Quincy Jones’ besten und bekanntesten Kompositionen. Dazu gehören „For Lena And Lennie“, dem Künstlerehepaar Lena Horne und Lennie Hayton gewidmet, „Meet B B“, eine Hommage an den Trompeter Benny Bailey, oder die von Skandinavien inspirierte Ballade „The Midnite Sun Never Sets“, die später unter leicht verändertem Titel eine große Vokalnummer werden sollte.
Am liebsten schlurfen Jones’ wunderbare Melodien im coolen, bluesigen Midtempo-Swing daher – drei der zehn Stücke sind sogar echte Blues. Die Arrangements spielen dabei besonders raffiniert mit den beiden Klangfarben „mute & flute“, also der gestopften Trompete (Joe Newman) und der Querflöte (Frank Wess). Weitere wichtige Solisten auf dem Album sind der Trompeter Thad Jones, die Saxofonisten Frank Foster und Billy Mitchell und der Posaunist Al Grey. Bandleader Basie liefert außerdem einige seiner typisch lakonischen Klavierbeiträge, die man eigentlich kaum Soli nennen kann, die aber eine Atmosphäre lockerer Relaxtheit schaffen.