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DeWolff im FIDELITY-Interview

DeWolff im FIDELITY-Interview

Die wollen doch nur Spielen

DeWolff im FIDELITY-Interview

In ihrer Heimat Niederlande ist das Trio DeWolff bereits größer als Taylor Swift. Im Interview mit FIDELITY erklären die Brüder Luka und Pablo van de Poel sowie Robin Piso, wie man die Musikwelt selbst im Swift-Zeitalter mit Deep-Purple-Sounds und Rock’n’Roll erobert, warum die Eltern ihren ersten Plattenvertrag unterschrieben – und was man von ABBA lernen kann.

DeWolff im FIDELITY-Interview
Fotografie: Dirk van den Heuvel

Draußen heult ein Wintersturm um die Fabrik, das Hamburger Kulturzentrum, in dem einst Dampfmaschinen gebaut wurden. Jetzt jault drinnen eine Gitarre auf: Pablo van de Poel, 32, testet die Soundanlage. Sein jüngerer Bruder Luka, 29, zelebriert ein filigranes Schlagzeugsolo, während Organist Robin Piso, 33, seine Hammond traktiert wie beim finalen Schlussakkord des späteren Konzerts. Dann ist der Soundcheck absolviert, DeWolff hat Zeit für FIDELITY. Man trifft das Trio backstage auf einer von vielen Künstlern im Verlauf der Jahre durchgesessenen Couchgarnitur: Hier saßen schon Miles Davis, B.B. King, John Cale oder auch das schwergewichtige Rock-Unikum Meatloaf. Jetzt geht es um den Werdegang einer ebenfalls einzigartigen Band: Um DeWolff aus den Niederlanden, die bereits seit Grundschultagen zusammen Musik machen.

FIDELITY: Lasst uns kurz zurückschauen. 2010 bereits habt ihr ein Konzert in der legendären Musiksendung Rockpalast gespielt. Im Interview damals fragte man nach euren Zielen. Luka, mit damals 16 Jahren der Jüngste, schnappte sich das Mikro: „Die Welt erobern!“ Wie weit seid ihr damit heute?

Luka: (lacht laut) Ja, das klingt nach mir! Wir sind auf einem guten Weg. Alles wird größer. Vor kurzem sind wir zum ersten Mal durch Großbritannien getourt, der Hammer. In Skandinavien hat man uns jetzt auch entdeckt. Und in Deutschland kommen bei jeder Tour mehr Menschen.

Pablo: In den Niederlanden geht’s richtig ab. Nur noch ausverkaufte Konzerte. Crazy!

Du, Pablo, warst damals 18 und sagtest: „Wir wollen richtig coole Alben aufnehmen. Keine Hits. Wir sind ja nicht Lady Gaga.“ Euer aktuelles Album Love, Death & Inbetween aber stand jüngst an der Spitze der niederländischen Musikcharts, vor Taylor Swift. Irgendwie seid ihr vom Weg abgekommen …

Pablo: Oh, shit, man hat uns durchschaut … (lacht). Nein, das gilt bis heute. Wir gehen nicht ins Studio, kleben uns dort ein Taylor-Swift-Poster an die Wand und sagen: ‚So, Taylor, zieh dich warm an.‘ Wir machen einfach unser Ding. Ganz ehrlich: Ich hätte nie, nie gedacht, dass Love, Death & Inbetween sich überhaupt in irgendwelchen Charts wiederfinden würde. Wir wollen nur spielen.

Robin: Für mich wird jeden Tag ein Traum wahr. Heute Abend spielen wir in Hamburg in der Fabrik, da passen 1000 Leute rein. Ist vielleicht nicht ganz ausverkauft, aber es wird vermutlich voll. Ich erinnere mich an unser erstes Konzert hier in der Stadt: Das war auch auf dieser ersten Deutschland-Tour 2010. In einem Club namens „Hafenklang“ unten am Fluss. Vor 17 Zuschauern.

Pablo: Und das war ein klasse Konzert! Ich erinnere mich daran.

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Ihr habt viele Jahre als Trio gespielt. Mittlerweile gönnt ihr euch dann und wann einen Bassisten, eine Bläsersektion und zwei Backgroundsängerinnen. Der Erfolg hat schon Einfluss auf den Sound, oder?

Robin: Man entwickelt sich ja weiter. Und wenn wir es uns ab und zu leisten, mit ein paar Freunden zusammen zu spielen, klar, das ist eine andere Art Sound. Ich stelle mir immer vor, wie es vor der Bühne ist. So ist auch der Song „Night Train“ entstanden auf dem aktuellen Album. Damit fangen wir ja derzeit unsere Konzerte an. Wir wollten einfach diese volle Rock’n’Roll-Wucht. Wenn uns da on top ein paar Bläser und ein Bassist pushen, warum nicht?

Ich persönlich finde ja, dass ihr diese Wucht gerade als Trio entfacht.

Pablo: Danke! Und ich stimme zu: Zu dritt klingen wir so voll wie mit zehn Musikern auf der Bühne. Aber der Sound ist doch ein anderer. Ein Unterschied ist zum Beispiel: Ich spiele weniger Gitarrensoli. Daran musste ich mich erstmal gewöhnen. Und natürlich ist es ein anderes Erlebnis, wenn hinter dir Sängerinnen und Bläser stehen. Auch im Studio übrigens. Ein paar Freunde waren bei den Aufnahmen zu Love, Death & Inbetween dabei. Ich finde, das tut dem Album gut.

Bisher habt ihr alle eure Alben im eigenen Studio in Utrecht aufgenommen. Das aktuelle, das neunte, aber nun in Frankreich, in der Bretagne.

Pablo: Wir mussten mal raus. Wir wollten eine Blase schaffen, in der wir zwei Wochen von nichts abgelenkt werden. Wie ein kleiner Urlaub. Das Album davor, Wolfpack, das haben wir bei uns in Utrecht aufgenommen. Das davor auch. Und das davor auch … Wir brauchten einfach mal einen Tapetenwechsel.

Robin: Man hört das auch, finde ich. Wir haben natürlich keine Chansons aufgenommen (lacht). Aber so eine gewisse neue Leichtigkeit … Wir sind uns natürlich treu geblieben: Alles live eingespielt, keine Overdubs.

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Bei eurem Debüt Strange Fruits And Undiscovered Plants wart ihr noch Teenager, Luka war erst 14 Jahre alt.

Luka: Wir sind Frühstarter. Unsere Eltern mussten damals den Plattenvertrag unterschreiben, weil wir noch nicht geschäftsfähig waren.

Robin: Meine Eltern und euer Vater waren die Geschäftsführer unseres Unternehmens, das muss man sich mal vorstellen. Wir haben ja damals schnell ein eigenes Studio und Label begründet. Die Eltern hatten mit unserer Musik eigentlich nichts am Hut, waren auf dem Papier aber Plattenmanager.

Pablo: Als ich volljährig wurde, habe ich erstmal eine coole Unterschrift geübt. Für den nächsten Plattenvertrag.

Ganz offensichtlich hatten euch die Doors, Deep Purple und Pink Floyd beeinflusst. Heute klingt ihr reifer. Wolfpack, das ihr während der Pandemie veröffentlicht habt, ist ja fast ein Soul-Album. Gehört Soul zum Erwachsenwerden?

Luka: Als Teenager habe ich viele britische Bands gehört, Deep Purple, Cream, Led Zeppelin. Das ist bis heute der Kern unserer Musik. Mit den Jahren haben wir unsere Ohren mehr Richtung Westen ausgerichtet, vor allem in den Süden der USA. Blues, Soul, Southern Rock, auch ein wenig Gospel, das spielt alles bei uns hinein.

Robin: Wir sind heute näher dran an den Wurzeln der Musik. Wenn dich Deep Purple beeinflusst, dann ist das ja quasi Secondhand-Musik. Denn die wiederum haben sich in den Sechzigern an den alten Rhythm’n’Blues-Künstlern orientiert.

Bei „Mr. Garbage Man“ vom aktuellen Album dachte ich an „I Put A Spell On You“ von Screamin’ Jay Hawkins.

Pablo: Neunzig Prozent der Musik, die wir privat hören, stammt aus den Fünfzigern, aus den Sechzigern. Wir wollen das alte Zeugs aber nicht wiederholen und bewusst klingen wie Screamin’ Jay Hawkins. Wir lieben diese Musik aber so sehr, dass es kein Wunder ist, wenn wir ins Studio gehen und man dann hinterher irgendwie an „I Put A Spell On You“ denkt. Wenn mir einer sagt: Wollt ihr nicht mal moderner klingen, dann sage ich: Fuck that.

Irgendeiner von euch hat aber kürzlich mal gesagt: Wir lieben ABBA!

Robin: Das ist ja auch Alte Musik. Klassiker des vergangenen Jahrtausends.

Pablo: Ich bin ABBA-Fan. Fantastisches Songwriting. Wenn man einen Song wie „Money, Money, Money“ mit anderen Instrumenten in einem anderen Setting spielen würde, könnte das auch ein Southern-Rock-Stück ergeben. Ein guter Song kann Genre-Grenzen sprengen.

Wie wär’s denn beim Konzert heute Abend mit „Dancing Queen“?

Robin: Ha, ha! So weit geht die Liebe dann doch nicht. „Dancing Queen“ ist vielleicht auch die Ausnahme. Den Song sehe ich irgendwie nicht im Southern-Rock-Outfit. Das ist Pop pur. Aber guter, das muss ich zugeben.

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Wo wir gerade von Pop sprechen: Ich bringe heute Abend meine Tochter mit. Sie ist 14 und hört sonst das, was im Radio läuft.

Cool! Aber mag sie uns denn?

Das werden wir sehen … Wir werden im kommenden Jahr übrigens zu Taylor Swift gehen. Aber vorher eben zu DeWolff.

Luka: Und wieder vor Taylor! (lacht)

Pablo: Wenn ich von der Bühne hinab ins Publikum schaue, dann sehe ich Jugendliche, deren Eltern, und wiederum deren Eltern … Das freut mich! Ich hoffe, deiner Tochter gefällt’s nachher.

Ich spreche das an, weil auch ihr um die 14 Jahre alt wart, als ihr DeWolff gegründet habt, im Keller der Eltern. Wie kommt man in dem Alter zur künstlerischen Entscheidung: Wir spielen Psychedelic Rock?

Robin: Ich habe damals viele Instrumente ausprobiert. Bevor ich an der Hammond gelandet bin, habe ich mich an der Gitarre ausprobiert. Da landete ich bei Jimi Hendrix. Und bei Woodstock. Es gab keinen Weg zurück (lacht).

Pablo: Bei mir war’s der Film School of Rock. Da habe ich das erste Mal die magischen Worte vernommen: Led Zeppelin. Zu Hause liefen ja eher so die Neunziger-Sachen. Pearl Jam, Black Crowes.

Habe ich nicht irgendwo gelesen, dass du, Pablo, auf einem Black-Crowes-Konzert gezeugt wurdest?

Pablo: Dieser Mann ist vorbereitet! Ja, so haben es meine Eltern mir erzählt. Mein Vater hat mir zum zehnten Geburtstag eine Jimi-Hendrix-CD geschenkt. Weil er gehört hatte, das sei der beste Gitarrist aller Zeiten. Er selbst fand ihn gar nicht so interessant. Für mich war’s ein entscheidender Impuls.

Im Internet findet man einen kleinen Videoclip, der dich, Pablo, als Dreijährigen mit Gitarre bei irgendeiner Art Schulwettbewerb zeigt …

Pablo: Im Ernst, Mann, jetzt geht’s hier ja ans Eingemachte. Das war eine Karaoke-Show in der Grundschule. Ich habe zu Metallica gesungen. Zu „Fuel“. Gimme fuel, gimme fire, gimme that which I desire…

Dann muss ich noch eins fragen: Ihr habt euch ja nach Winston Wolf benannt, Mr. Wolf, dem Charakter aus dem Film Pulp Fiction, gespielt von Harvey Keitel …

Luka: Richtig.

Als ihr die Band gegründet habt, da waren Luka und Pablo noch keine 14 Jahre alt. Ihr durftet damals Pulp Fiction gucken?

Luka: Yeah! Ich glaube, ich war zehn, als ich den Film geguckt habe.

Da gibt’s aber schon einige Szenen, die nicht jugendfrei sind. Let’s bring out the gimp…

Luka: Das stimmt. Aber unsere Eltern fanden den Film so gut, die haben, glaube ich, gar nicht gemerkt, dass wir daneben saßen.

Ihr habt den Großteil eurer Jugend auf Bühnen und in Tour-Vans verbracht. Habt Ihr da nicht auch was verpasst?

Pablo: Das ist eine gute Frage. Ja, manchmal denke ich: Seit ich 16 bin stehe ich jedes Wochenende auf einer Bühne, und dazwischen auch. Das ist meine Berufung, kein Zweifel. Aber ich gehe nie in ein Fußballstadion, habe so ungefähr alle Geburtstagspartys verpasst. Ich fühle mich oft nicht wie ein normaler Mensch. Es gibt Wochen, ja Monate, da beschränken sich meine Sozialkontakte außerhalb der Band auf Begegnungen mit Leuten, die mir sagen, wie toll die Show gerade war: ,Hey, great show!‘ ,Great you liked it, thanks for coming.‘ Aber wenn ich auf der Bühne stehe, Luka zählt den ersten Song an, Robin spielt den ersten Akkord und wir legen mit „Night Train“ los, dann weiß ich, that’s it, das ist mein Leben.

DeWolff im FIDELITY-Interview
FIDELITY-Autor Philip Wesselhöft traf das niederländische Trio DeWolff vor dessen Konzert in der Hamburger Fabrik. Fürs gemeinsame Foto wurde er auf die Bühne gebeten – danach aber durfte/musste er ins Publikum.
DeWolff

DeWolff ist ein Trio aus Geleen in der niederländischen Provinz Limburg – übrigens nicht die Heimat des würzigen Limburger Käses, der aus dem Allgäu stammt. Luka und Pablo van de Poel gründeten die Band mit ihrem gemeinsamen Schulfreund Robin Piso 2007, da waren die drei erst 13, 15 und 17 Jahre alt – sie stellten ihre Eltern als Geschäftsführer für das eigene Plattenlabel ein. Heute haben die drei bereits neun Studio- und eine Handvoll Livealben eingespielt. Ihre erstaunliche Improvisierfähigkeit insbesondere bei Konzerten lässt ihre Fan-Schar stetig wachsen – ihr aktuelles Album Love, Death & Inbetween schoss an Taylor Swift vorbei auf Platz eins der niederländischen Musikcharts.

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www.dewolff.nu

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