Der kürzeste Weg ist eine Kurve
Warum fette Zielkurven bei Musikliebhabern höher im Kurs stehen als nüchterne Zielgeraden.
Vermutlich hatten Sie schon vermutet, dass es hier nicht um die letzte Kurve einer Rennstrecke vor dem Ziel geht. Wir sprechen über die Wunschvorstellung vieler Audiophiler, wie laut welche Frequenz des Hörspektrums am Hörplatz wahrnehmbar sein soll, wie es also letztendlich klingt. Was für eine Frage – absolut linear, alle Frequenzen gleich laut, das haben wir doch jahrzehntelang so gelernt! Die ideale Zielkurve ist eine Gerade. Doch alle Theorie ist auch in diesem Fall grau, wie wir aus vielen Feldversuchen lernen durften. Das angestrebte Ideal wird in der Praxis von der Mehrheit der Hörer als körperlos und höhenlastig empfunden. Die meisten Menschen bevorzugen hingegen eine Anhebung der Bässe, kombiniert mit einer zu höheren Frequenzen hin abnehmenden Lautstärke. Fett ist in, zumindest wenn es um die Musikwiedergabe geht. Erfahrene Hörer mögen es übrigens meistens etwas weniger beleibt.
Jahrzehntelang funktionierte HiFi so: Man kaufte sich ein Paar Lautsprecherboxen und schubste diese im heimischen Wohnzimmer so lange hin und her, bis das Ergebnis gefiel oder die zwischenmenschlichen Probleme die Oberhand gewannen. Wollte sich auf Dauer keine Zufriedenheit einstellen, experimentierte man sinnloserweise eine Zeit lang mit diversen Kabeln und kaufte sich am Ende verzweifelt das nächste vermeintlich bessere Paar Lautsprecherboxen, um diese im heimischen Wohnzimmer hin und her zu schubsen. Dass auf diese Weise teilweise hervorragende Klangresultate erzielt wurden, ist dem eisernen Durchhaltewillen und der gesteigerten Frustrationstoleranz der Audiophilen zu verdanken. Diejenigen, die das Ergebnis auf die Spitze treiben wollten, gingen noch einen Schritt weiter und optimierten die Akustik des Wohnraums, was allerdings bei Mitbewohnern in Zeiten kostbarer Wohnfläche immer seltener auf Verständnis stößt.
Heutzutage bieten sich einfachere, wenn auch vielleicht nicht ganz so perfekte Möglichkeiten. Man misst den Frequenzgang am Hörplatz und lässt sich am Computer die passende Korrekturkurve berechnen. Per digitaler Raumkorrektur wird der Klang dann so verbogen, dass es am Hörplatz perfekt passt. Fortschritt durch Technik …
Denkste, denn leider funktionieren nicht alle Algorithmen gleich gut. Manche schütten das Kind mit dem Bade aus, andere dagegen räumen den Frequenzgang tatsächlich hörbar auf. Man nimmt plötzlich Feinheiten wahr, die bisher von lauteren Tönen, meist dominanten Bassfrequenzen, verdeckt wurden. Das wirkt im ersten Moment total faszinierend, ist auf Dauer aber oft anstrengend. Und sollte kein Problem sein, denn man hat ja alle Möglichkeiten, den Frequenzgang nach eigenem Gusto anzupassen. Doch wie beginnen? Jeder, der schon einmal versucht hat, einen Equalizer per Gehör perfekt einzustellen, kennt das: Die gefundene Einstellung klingt in dem einen Musikstück super, um dann im nächsten elend zu versagen. Vor lauter Regelung kommt man dann in der Folge nicht mehr zum Musikhören. Warum also nicht auf die Mehrheit der Hörer vertrauen und deren Frequenzkurve als Ausgangspunkt eigener Einstellungen verwenden? Diese findet man, wenn man im Internet nach „Zielkurven“ sucht.