Copenhagen High End Show: Eine verborgene Perle
Am 27. und 28 Oktober fand im Kopenhagener Clarion-Hotel am Flughafen bereits zum 21. Mal die Copenhagen High End Show statt.
Dänemark ist anders: liebenswert, gelassen, freundlich und unaggressiv. Trotzdem hat Dänemark mit der Copenhagen High End Show auch seine eigene HiFi-Messe, die gleichwohl beinahe unbemerkt von der internationalen HiFi-Szene in diesem Jahr zum 21. Mal ihre Pforten öffnete. Laut Veranstalter ist sie die größte Messe ihrer Art in Skandinavien.
„Hygge“, gesprochen „Hügge“, meint auf Dänisch ein übergeordnetes, universelles Lebensgefühl, für das es keine direkte deutsche Entsprechung gibt. Der Duden versucht es mit „Gemütlichkeit“, aber das ist bei Weitem zu kurz gegriffen. Bei Hygge geht es gleichermaßen auch um Vertrautheit, Sicherheit, Behaglichkeit, Geborgenheit und Wärme. Wahrscheinlich ist es eben genau dieses, den Alltag der Dänen prägende Hygge, das Dänemark so anders erscheinen lässt.
Ganz Kopenhagen scheint dieses Lebensgefühlt zu atmen, man fühlt sich auf der Stelle wohl in der Hauptstadt der Dänen. Daneben spielt Tradition eine sehr große Rolle. Ist die Standarte über Schloss Amalienborg gehisst, logiert Königin Margrethe II. in ihrer Stadtresidenz, und man kann wie in England Schlag zwölf Uhr mittags den Wachwechsel bewundern. Kopenhagen pflegt die dänische Monarchie, dem Königshaus zu Ehren wird jeder Tag mit einem Salutschuss begrüßt und bei Sonnenuntergang verabschiedet. Die Kopenhagener sind stolz auf die Historie ihres Landes und ihrer Stadt, deren Vielzahl exzellent erhaltener historischer Gebäude von einer großen Geschichte kündet.
Andererseits zeigt sich Kopenhagen auch sehr modern. Die Metro, das S- und U-Bahn-Netz beispielsweise, funktioniert vollautomatisch ohne Fahrer, die enge Taktung wird dynamisch über das Fahrgastaufkommen gesteuert. Man wartet selten länger als zwei Minuten auf den nächsten Zug, bei dessen Einfahrt die Dänen ihren guten Humor unter Beweis stellen: Im Führerstand befindet sich statt des Fahrers ein Aufkleber mit aufgedrucktem Tachometer und Steuerhebel. Hatte ich schon erwähnt, dass Dänemark anders ist?
Über die Jahre hinweg hat sich die Copenhagen High End Show Schritt für Schritt zu einer Messe für hochwertiges HiFi und High End entwickelt. Ursprünglich als „HiFi & Surround Show“ gestartet, gibt es heute nur noch sehr wenig Mehrkanal-Setups in den Vorführungen. Der Fokus liegt eindeutig auf hochwertigem Zweikanal-Stereo. HiFi und High End genießen in Dänemark großes Interesse, wie man auch an den zahlreichen international bekannten Marken ablesen kann: Gryphon, Lyngdorf, Tact, Dali, Dynaudio, Densen, Vitus, Gato, System Audio und viele mehr. Schweden und Norwegen stehen dem übrigens nicht nach, aus Skandinavien kommt viel aufregendes High-End-Equipment von beispielsweise Alluxity, Buchardt, Jern, Hagto, Lyd By Dissing und Phison Audio.
Die Messe in Kopenhagen zählt mit knapp fünfzig Ausstellungsräumen, die Veranstaltungssäle im Erdgeschoss nicht mitgerechnet, quantitativ nicht unbedingt zu den großen europäischen Fachmessen, aber sie kann als sehr genauer Gradmesser für den skandinavischen Markt dienen. Der Trend geht eindeutig weg vom Gigantismus des Nonplusultra-High-Ends hin zu klanglich hochwertigen, aber bezahlbaren Systemen, die statt Neid und Frustration Besitzerstolz und Vorfreude fördern.
Eine wirklich beeindruckende Performance erlebten wir bei Audio Note. Dort spielte der Cellist Vincent Bélanger live – begleitet von Musik, die er selbst eingespielt hatte und die ihm nun von einem Notebook über die in seinem Rücken platzierte Audio-Note-Kette zugespielt wurde. Bei geschlossenen Augen konnte man de facto nicht mehr auseinanderhalten, was von der Konserve kam und was live vorgetragen wurde. Eine erstaunliche Demonstration, die zeigte, wie nahe man mit einer perfekt abgestimmten Wiedergabekette an das Original herankommen kann.
Eine weitere überzeugende Vorführung konnte man bei PM Audio sehen und hören. Dort spielte ein uns bis dahin unbekannter kleiner Lautsprecher namens Esoterix Altum der noch nie gehörten Marke Krix aus Australien an einem Coda- und Sutherland-Frontend. Es klang sehr ausgewogen, mit genau dem gewissen Maß an Schmelz und Detailreichtum, das einem erlaubt, völlig in die Musik einzutauchen. Die kleinen Krix entwarfen eine wunderbar holografische Bühne, die sicherlich auf den großen Waveguide vor dem Hochtöner zurückzuführen ist.
Natürlich gab es auch großes HiFi zu hören, beispielsweise die mächtigen Lautsprecher Triangle Magellan Grand Concert an einem sehr gut harmonierenden Densen-Frontend, oder eine AudioSolutions Figaro L im Verbund mit Alluxity. Nennenswert ist selbstverständlich auch ein großes Hornsystem von Avantgarde Acoustic (Trio mit vier Basshörnern) an hauseigener Elektronik oder auch die fantastische Demonstration der Quad-Elektrostaten, selbstverständlich an einer passenden Kette des englischen Traditionsherstellers. All diese Vorführungen waren beeindruckend nahe an den Klangfarben und der Dynamik des Originals, dennoch übten in Kopenhagen insbesondere kleine, durchdachte und ästhetisch gestaltete Systeme eine hohe Anziehungskraft aus – vielleicht hängt das mit dem dänischen Hygge zusammen.
Als Beweis dieser These kann vielleicht Phison dienen: ein Minimalsystem, mit dem man sich ganz entspannt in die Musik fallen lassen konnte. Des Weiteren spielten kleine, organisch gestaltete Lautsprecher aus Gusseisen von Jern an Elektronik von PrimaLuna auf einem Niveau, das ich als überaus erstaunlich bezeichnen möchte.
Weiter geht es mit Hartvig Audio, einem kleinen dänischen Hersteller von Plattenspielern. Hartvig hat sich voll und ganz den Sandwichkonstruktionen verschrieben. Niemals wird ein Material nur allein eingesetzt, zum Zweck der Resonanzkontrolle werden immer mindestens zwei Materialien kombiniert. Bei dem vorgeführten Laufwerk war es ein Plattenteller aus Aluminium und Kupfer. Die Kombination beim Chassis ließ sich leider nicht in Erfahrung bringen. Wichtig ist aber das Resultat, das für sich sprach. An einer nachgeschalteten EAR-Yoshino-Kette mit Lautsprechern von Living Voice gelang eine vor einem rabenschwarzen Hintergrund sehr dynamische und lebendige Präsentation, die sich wahrlich nicht verstecken muss.
Harman hat mit seinen Marken JBL und Mark Levinson gleich zwei Räume befeuert. Zum einen mit der großen JBL K2 S9900 und zum anderen mit der neuen L100, jeweils an einem Mark-Levinson-Frontend. Beides war beeindruckend und die gewaltige K2 ohne Frage eine Klasse für sich. Überraschender aber war die Tatsache, wie eindrucksvoll und vorbildlich „highendig“ ein so gewaltiger Lautsprecher im klassisch-altmodischen Schrankformat heutzutage klingen kann. Das war eine ganz und gar überzeugende Vorstellung der neuen L100.
Auf ganz andere Weise zu verzaubern wussten die OrangUtans von John DeVore, die an Elektronik von Sugden spielten. Obwohl der Raum von DeVore Fidelity betont sachlich gestaltet war, wirkte er doch wie eine perfekte Wellness-Oase – im musikalischen Sinn. Lebendigkeit und ungebremste Spielfreude gaben hier den Ton an. Ein Raum, der echten Spaß an der Musik vermittelte.
Dass Downsizing nicht nur in Skandinavien eine Rolle spielt, haben auch andere Hersteller erkannt. Ein Beispiel hierfür ist Lindemann Audio, deren Schwerpunkt sich durch ihre neue Marke Limetree auf ein völlig anderes Preisniveau hinunterbewegt hat. Limetree-Komponenten sind nämlich in der dreistelligen Euro-Region angesiedelt, also für einige hundert Euro zu haben. Derzeit gibt es vier Komponenten: Einen Phonovorverstärker für 600 Euro, einen Kopfhörerverstärker, eine Network Bridge mit rein digitalen Interfaces für 750 Euro und eine Network Bridge mit eingebautem DAC für 900 Euro. Fair bepreist, wie wir meinen. Wer Norbert Lindemann kennt, der weiß, wie akribisch er bei der Entwicklung seiner Komponenten vorgeht, das musikalische Ergebnis steht immer im Vordergrund. In Kopenhagen konnte Limetree jedenfalls auf ganzer Linie überzeugen.
Es ist schon merkwürdig, dass es seit über 20 Jahren eine derart professionelle Messe im Nachbarstaat gibt, die hier gänzlich unbekannt ist. Uns hat es nicht nur gefallen, sondern auch die Augen für bisher unbekannte Produkte geöffnet. Und genau aus diesem Grund werden wir im kommenden Jahr wieder von der Copenhagen High End Show berichten.