Codona 2
Jazz ist unübersichtliches Gelände – leicht kann man da Bedeutendes übersehen. Hans-Jürgen Schaal präsentiert unbesungene Höhepunkte der Jazzgeschichte.
Dieses Trio war die „All-Star Band“ des frühen World Jazz. Schon der Bandname klang global multikulturell, ist aber einfach aus den Vornamen der drei Musiker abgeleitet: Collin, Don, Nana. Der Amerikaner Collin Walcott war es, der Codona ins Leben rief. Und mit seinem viel zu frühen Tod wurde diese Band zur Legende.
Collin Walcott (1945–1984) war ein Gründungsmitglied der ebenfalls weltoffenen Formation Oregon. Er hatte früh seine Liebe zur indischen Musik entdeckt, bei Ravi Shankar die Sitar studiert und bei Alla Rakha die Tabla. Don Cherry (1936–1995) war der erste Trompeter des Free Jazz gewesen, die rechte Hand von Ornette Coleman. Schon in den 1960er Jahren hatte er den befreiten Jazz aber für globale Tonskalen und Rhythmen geöffnet und ein Faible für ethnische Instrumente entwickelt. Nana Vasconcelos (1944–2016) brachte die Percussion-Farben Brasiliens in den zeitgenössischen Jazz und würzte damit die Musik von Egberto Gismonti und Milton Nascimento.
Wenn sich diese drei Musiker im Tonstudio in Ludwigsburg trafen, bildeten ihre vielen Tonerzeuger ein beispielloses Klangarsenal. Neben den drei Hauptinstrumenten Sitar, Trompete und Berimbau hört man auf den Codona-Platten (1978–1982) auch Tabla, Sanza, Pauke, Melodica, Doussn’Gouni, Talking Drum, Dulcimer, Flöten, Cuica, Orgel, Kazoo, weitere Percussion sowie die Stimmen der Musiker. Bei Codona mischten sich die Rhythmen, Klänge und Skalen verschiedener Kontinente und wurden zur Grundlage grandioser Improvisationen. Man schuf auch fantasievolle Klangbilder zwischen Regenwald-Impression und entspanntem Free Jazz. Codonas pankulturelle Worldmusic wirkt dabei immer handfest, menschlich und nahbar, mit einem Wort: natürlich. Es war, als hätten die Instrumente der drei Musiker geradewegs darauf gewartet, über Kultur- und Kontinentalgrenzen hinweg miteinander zu kommunizieren. „Wir sitzen nur da und schauen zu“, meinte Walcott einmal ironisch.
Das Album Codona 2 beginnt mit „Que Faser“ – hier improvisieren Sitar, Trompete und Vasconcelos’ Stimme simultan, und der rhythmisch-klangliche Untergrund pulsiert dazu multikulturell in einem 7er-Metrum.
Danach übersetzt Walcott ein afrikanisches Traditional in den visionären Klang mehrerer Sitars („Godumaduma“). Das vorletzte Stück, ausgewiesen als „Walking On Eggs“ von Collin Walcott, klingt dagegen wie ein früher, unbekannter Ornette Coleman, beschwingt und mutwillig. Sitar und Trompete bilden hier eine exquisite „Horn Section“. Niemand hat das indische Instrument im Jazz so souverän gespielt wie Walcott.
Das längste Stück des Albums ist „Malinye“, eine wunderbar melancholische Melodie von Don Cherry. Zunächst ist er selbst an der Melodica, der Trompete und mit der Stimme zu hören, unterstützt von Sitar, Pauke und Becken. Der Mittelteil ist ein exotisch-psychedelisches Sound-Drama – nur mit den Stimmen und verschiedenen Percussion-Instrumenten. Und danach findet sich der charmanteste „Signature Sound“ des Trios zusammen: eine groovende Kombination aus Sanza (afrikanisches Daumenklavier), Doussn’Gouni (afrikanische Jägerharfe) und Berimbau (brasilianischer Musikbogen). Auf dem Debütalbum wurde die Verbindung dieser drei Klangerzeuger bereits im Stück „Mumakata“ vorgestellt. Die Rückseite des LP-Covers von Codona 2 zeigt die drei Musiker an eben diesen Instrumenten.