Clearaudio Performance DC – Ein Plattenspieler für Komfortbewusste
Was ich hier mache, gehört sich eigentlich nicht. Denn an sich ist die ganze Sache ganz anders gedacht: aufstellen, einschalten, genießen. Aber bei Analogequipment erwacht mein Spieltrieb. Und dafür bitte ich vorab um Verzeihung.
Fotografie: Ingo Schulz
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Der CD-Player hat uns faul gemacht. Und bequem. Und manchmal auch ein wenig dumm. Weil diese Maschinen und ihre auf physische Datenträger gänzlich verzichtenden Nachfolger uns einfach nicht mehr fordern. Einigermaßen waagerecht aufstellen, Strom- und Signalkabel dranstöpseln – fertig. Kein Vergleich mit der Sorgfalt, dem Fachwissen und der Feinmotorik, die man in einen ordentlichen Plattenspieler investieren muss. Im Regelfall zumindest. Denn es gibt auch bei den zur Abtastung von schwarzen (Vinyl-) Scheiben gedachten Feinmechanik-Preziosen ein paar Plug-and-play-Versionen.
Eine besonders ansprechende ist der Performance DC aus der Erlanger Traditionsschmiede Clearaudio. Nicht nur, dass er als vorjustiertes Komplettpaket mit Tonarm und System zum Kunden kommt, er sieht auch aus wie ein ganz normaler Plattenspieler und nicht wie ein verkleinerter Ölbohrturm oder ein zweckentfremdeter Bumerang. Hier gibt es einen schlichten rechteckigen Korpus, dessen Sandwich-Bauweise für eine größere Zahl von Farbvarianten bzw. -kombinationen sorgt. Darauf thront ein Plattenteller, der zugegeben um einiges dicker ist, als es bei Standarddrehern der Fall ist. Ein Kranz von vier blau illuminierten Knöpfen mit den Stellungen 78, 45, 33 und Off ermöglicht die bequeme Geschwindigkeitswahl – bei höherklassigen Clearaudio-Modellen übrigens Standard; das manuelle Umlegen des Antriebsriemens will man dem Premium-Kunden nicht zumuten.
Bei den Tonarmen kann man schon im Rahmen der Bestellung seine Wahl treffen. Standardmäßig kommt der Performance DC mit dem Modell Clarify (samt MM-System Virtuoso V2), unser Testgerät hatte ab Werk den formidablen neuen Tonarm Tracer montiert, dem der Kollege Boris Fust in FIDELITY Nr. 36 herausragende klangliche Souveränität bescheinigte – nicht ganz zu Unrecht, sei an dieser Stelle angemerkt. Nachdem das Performance-Laufwerk im Grunde genommen eine clevere „Downsize“-Variante der großen Innovation-Linie der Erlanger darstellt und ich in der glücklichen Lage bin, auf verschiedene Tonarme aus dem Clearaudio-Portfolio zuzugreifen, fragte ich bei der Redaktionskonferenz mit treuherzigem Augenaufschlag, ob ich mit dem Performance DC mal „ein wenig spielen“ dürfe. „Basteln“ oder „schrauben“ wäre wohl die passendere Wortwahl gewesen. Wobei der Hersteller selber durch verschiedene Paketangebote nahelegt, dass selbst die Kombination Performance DC/Tracer nicht das Ende der Fahnenstange sein muss.
Auch jene, die es vorziehen, den Performance DC als spielfertiges Endprodukt zu ordern, dürfen an dieser Stelle weiterlesen, denn die Ergebnisse meiner Testreihen lassen sich durchaus als Kaufberatung nutzen.
Zum Glück sind Tonarm-Aufnahmen bei Clearaudio eine grundsolide und vor allem genormte Angelegenheit, der Austausch lässt sich mit durchschnittlichen Schrauberkünsten, einem Satz Feinmechaniker-Werkzeug und ruhigen Händen vergleichsweise zügig bewerkstelligen.
Erster Durchgang: Performance DC mit dem „kleinen“ Tangentialtonarm TT5, der bei mir in Verbindung mit dem MC-Tonabnehmer Concerto V2 für die Abtastung beim Innovation Basic zuständig ist und seine Sache ausgezeichnet macht. Nachdem der Performance DC in vielerlei Hinsicht einem sehr moderat abgespeckten Innovation gleicht – von besagtem Plattenteller über den auf besten Gleichlauf maximierten Antrieb bis zum patentierten Magnetlager –, halten sich auch die klanglichen Unterschiede zum großen Laufwerksbruder in erfreulich engen Grenzen.
Wenn es um räumliche Präzision, Sauberkeit des Bassbereichs und schieren Tieftondruck geht, greife ich immer wieder gerne auf die MFSL-Pressungen von Alben der Jazzerin und Fusion-Expertin Madeleine Peyroux zurück – LP-Wiederveröffentlichungen, die erfahrungsgemäß dank akribischen Remasterings besser klingen als die ursprünglichen Ausgaben. Mit dem Performance DC behält die Stimme der über die Jahre spannend gereiften Chanteuse ihre Unmittelbarkeit, ihre zwingende Präsenz und ihre laszive Rauheit. Der „Raum“ wirkt, wenn überhaupt, nur wenige Zentimeter schmaler und etwas flacher als über die Kombination Innovation Basic/TT5.
Eine Tendenz, die sich bei großer Sinfonik fortsetzt. Erst jüngst flatterte mir eine Wiederveröffentlichung auf den Schreibtisch, die mir auch beim wiederholten Hören große Freude bereitet: Die Aufnahme von Violinkonzerten aus der Feder Wolfgang Amadé Mozarts und Max Bruchs mit dem legendären ungarischen Geiger Tibor Varga (1921–2003), die der Virtuose mit dem unverwechselbar großen Geigenton einst mit seinem eigenen Kammerorchester einspielte – und dabei Sternstunden der Schallplattengeschichte inszenierte. Die bei Philharmonia erschienene Neuauflage (PA 451 V2N002) gefällt mit weitgehend einwandfreier Pressung und einem ungemein luftigen, in den Mitten angenehm brillanten, aber niemals schrillen oder auch nur höhenbetonten Klangbild. Vargas Instrument, eine Guarneri del Gésu von 1733, hat Körper und Substanz, das Verhältnis zum Orchester erklingt wohlbalanciert, und auch tonal ist diese in Frankreich verlegte Ausgabe ganz und gar auf der sicheren Seite. Kurz: eine feine Hörtest-LP, mit der sich auch einer Laufwerk-Arm-Kombination bestens auf die Nadel fühlen lässt.
Der Performance DC mit dem TT5 absolviert diese Pflichtaufgabe so gut, dass mir schlichtweg nichts fehlt und ich mich ganz entspannt in die Musik hineinziehen lassen kann – mich bei der Frage ertappe, wo heutzutage eigentlich die Geigen-Charismatiker vom Schlage eines Tibor Varga zu finden sind.
Vor mir liegt eine LP in verdächtig pechschwarzem Cover, die ein Kollege ans Rack gelehnt im Hörraum liegen ließ. Wie spannend! Darf ich das als Aufforderung verstehen, als Hörtipp? Oder wurde sie absichtlich „vergessen“? Die fünfköpfige Rockband Souls Revival hat eine Auswahl ihrer treibenden, kraftvollen, gitarrenlastigen und direkt in Bauch und Beine gehenden Songs „Straight2Tape“ aufgenommen, wie die gleichnamige Reihe des Schweizer Labels 2inchrecords betitelt ist. Wer schon immer ahnte, dass die Eidgenossen Hardrock nicht nur aus dem Gotthardmassiv beziehen, bekommt hier die Bestätigung: Was der Sänger Giovanni Pontillo, die Gitarristen Stefan Schroff und Sandro Pellegrini, Bassmann Tevfik Kuyas und Drummer Marc Friedrich da über ein Trident-80b-Mischpult und eine Studer-Bandmaschine von 1971 aufgenommen haben, lebt von amtlichem Sound, der genauso durchhörbar wie druckvoll ist. Und mit dem der Performance DC nicht den Hauch eines Problems hat. Der noble Clearaudio zieht durch wie ein PS-starker Sportwagen mit großvolumigem V12-Motor.
Jetzt will ich es wissen und verstümmle für ein paar Stunden meinen Innovation Compact, auf dem zu Vergleichstestzwecken gleich zwei Magnify-Tonarme montiert sind. Das Exemplar, in dem ein sorgsam justiertes Clearaudio Da Vinci steckt, wandert hinüber auf den Performance DC – und die Sonne geht auf: Frappierend, wie weit diese Kombi noch einmal in Sachen Auflösung und Homogenität zulegt. Zwar fehlt ein wenig jene Schwärze des Hintergrunds, die bei den großen Innovation-Modellen kausal mit der Tellermasse zusammenhängt. Dafür harmonieren die Detailverliebtheit und die anspringende Dynamik des Da Vinci ausgezeichnet mit der leichtfüßigen Spielweise des Performance DC.
Nachdem Souls Revival meine Gehörgänge einmal auf links gedreht und durchgespült haben, lege ich mir sanfteres Kontrastprogramm auf: Régine Crespin singt, begleitet vom Orchestre de la Suisse Romande, die Nuits d’ Eté von Hector Berlioz. Ein sonnendurchglühter, von großen Gefühlen getragener Liederzyklus, der bei der Ausnahmekünstlerin Crespin zur packenden Selbstbespiegelung und zur vokalen Tour de Force wurde. Ein Sopran, der sich in schier stratosphärische Höhen aufschwingt und dabei immer noch völlig unangestrengt und frei über den Dingen schwebt. Und Crespins Vortrag wirkt deutlich schwereloser als die ebenfalls bei Decca erschienene, erheblich neuere Interpretation der „Sommernächte“ von Hildegard Behrens. Feine Unterschiede, die der Performance DC mit Magnify plus Da Vinci zielsicher abbildet.
Ja, Sie haben recht: Es ist schon ein wenig abwegig, ein Laufwerk der oberen Mittelklasse mit einem Arm und einem Tonabnehmer zu kombinieren, die den Preis der Basis so deutlich übersteigen. Dass das Experiment funktioniert, spricht aber für die Qualität der grundsoliden Konstruktion und belegt den hohen Anspruch, der bei Clearaudio auch an die „kleineren“ Produkte gestellt wird. Ein komplettes Performance-Paket mit voreingestellten Komponenten bekommt man schon für unter 3500 Euro und kann damit das Thema Plattenspieler auch in hochwertigen Anlagen mehr oder weniger abhaken. Nicht von ungefähr passt der Clearaudio Performance DC vor allem in der sehr schicken Roségold-Ausführung genau zu jenen champagnerfarbenen Boliden, die das Prädikat „High End“ allein durch ihre glänzenden Gehäuse überdeutlich vor sich her tragen. Klanglich muss er sich hinter Spitzenklassekomponenten auch nicht verstecken. Und er hat das Potenzial, „mitzuwachsen“, den steigenden Ansprüchen seines Besitzers mit besseren Armen und Systemen entgegenzukommen. Was will man mehr?
Plattenspieler Clearaudio Performance DC
Funktionsprinzip: riemengetriebenes Masselaufwerk
Geschwindigkeiten: 33, 45 und 78 U/min
Besonderheiten: Plug-and-play-Paket in diversen Varianten, elektronisch kontrollierter Gleichlauf, Plattenteller mit Magnetlager
Ausführungen: Top- und Bodenplatte Aluminium schwarz, silber oder roségold, Chassis in Silber, Schwarz oder Holz (Roségold: Dark Red Wood)
Maße Laufwerk ohne Tonarm (B/H/T): 42/33/12,5 cm
Gewicht: 11 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Paketpreis Laufwerk Performance DC mit Tonarm Clarify und MM-System Virtuoso V2: ab 3400 €
Mitspieler:
Vorverstärker: Mark Levinson No. 38s, Musical Fidelity M1 CLIC, Pass XP-12
Endverstärker: Audio Note P2SE, Mark Levinson No. 27, Musical Fidelity M1 PWR, Pass XA25
Vollverstärker: Hegel H360, Marantz PM-10 und HD-AMP1, NAD M32, Vincent SV-238 MK
Lautsprecher: Audio Note „E“ Spe HE, Bowers&Wilkins 800 D3, Burmester B18, Dynaudio Special Forty, Infinity Kappa 7.2 Mk II, KEF LS50, R900 und Reference 3, MartinLogan Expression ESL 13A, Phonar Veritas 10p, Wilson Audio Yvette
Kabel: Audio Note, AudioQuest, HMS, in-akustik, Vovox
Zubehör: Harmonix, Subbase Audio