Clearaudio Concept MC – Ein kommender Klassiker aus bestem Hause
Man lasse sich bloß nicht vom ersten unspektakulären Eindruck täuschen!
Clearaudio genießt auch bei Tonabnehmern den Ruf konzeptioneller Kernkompetenz. Warum das so ist‚ zeigt schon das kleinste MC-System des Hauses – und das keineswegs nur auf dem Papier!
Oft werde ich gefragt, welchen Tonabnehmer ich denn für diesen oder jenen Plattenspieler empfehlen könne. Eher selten bin ich dabei um eine Empfehlung verlegen. Doch nur sehr selten – und aus absolut nicht nachvollziehbaren Gründen – sind mir bisher die Produkte von Clearaudio spontan eingefallen. Vielleicht hatte ich bisher einfach zu wenig mit den Tonabnehmern aus Erlangen zu tun? Einzig das Clearaudio Maestro Wood, von dem mittlerweile eine V2-Inkarnation erhältlich ist, war bei mir vor ein paar Jahren zu Gast. Und es ist mir in sehr guter Erinnerung geblieben. Höchste Zeit, dass ich mich wieder einmal intensiv einem Tonabnehmer des fränkischen Traditionsherstellers widme.
Kronprinz ohne Krone
Beim Stöbern im Produktportfolio von Clearaudio springt mir das Concept MC sofort ins Auge. Das liegt einerseits an seinem mit 690 Euro relativ günstigen Preis, vor allem aber daran, dass sich sein Gehäuse deutlich vom aktuellen Clearaudio- Design mit dem ebenso typischen wie auffälligen „Zahnkranz“ auf der Oberseite der großen MC-Modelle absetzt. Es erinnert von der äußeren Form her eher an japanische MCs aus Edelmanufakturen wie etwa Supex, Koetsu oder Shelter. Die fast schon strenge, quaderförmige „Old- School“-Gestalt des aus einer schwarz eloxierten Aluminium-Magnesium-Legierung gefertigten Systems wird einzig durch die angeschrägten Kanten und durch die beiden obenliegenden Ösen, in denen sich Gewinde für die Montage im Tonarm befinden, durchbrochen. Diese Gewinde und die rechtwinkligen Abmessungen sorgen dafür, dass die Justage des Clearaudios so einfach wie nur möglich vonstatten geht. Das geschlossene Gehäuse verhindert, dass allzu viel Staub in den Generator hineingelangt, über dessen technische Details übrigens nur sehr wenig in Erfahrung zu bringen war. Besonderes Augenmerk wird beim Concept MC laut Clearaudio auf eine möglichst hohe Kanalgleichheit gelegt. Der Generator weist mit 11 Ohm einen mittleren Wert für den Innenwiderstand auf und sollte dementsprechend – als Faustregel gilt hier Faktor 10 – mit etwa 100 Ohm oder mehr abgeschlossen werden. Weiterhin sollen Neodym-Eisen-Magnete zum Einsatz kommen. Insbesondere die Verwendung des Seltenerdmetalls Neodym bewirkt offenbar, dass die Ausgangsspannung mit 0,4 mV bei einer Schnelle von 5 cm/s erfreulich hoch ausfällt. Damit dürften auch einfache Phono-Vorverstärker locker zurechtkommen. Unter dem Mikroskop fällt auf, dass der zugelieferte Nadelträger – das System wird ansonsten komplett in Erlangen gefertigt – einen für diese Preisklasse unüblichen, konisch geformten Nadelträger aus Bor spendiert bekam. Die meisten Tonabnehmer unterhalb von 1000 Euro besitzen bis auf wenige Ausnahmen – spontan fällt mir nur das Nagaoka MP-500 ein – typischerweise Nadelträger aus Aluminium. Damit lassen sich selbstverständlich auch gute Resultate erzielen. Doch Bor (engl.: „boron“) hat von allen als Werkstoffe in Frage kommenden chemischen Elementen die geringste Dichte und nur eine geringfügig geringere Härte als Diamant, weswegen Bor(on) sich als Nadelträger in den oberen Klassen etabliert hat. Der Schliff des selbstverständlich nackten Diamanten ist eine Line-Contact-Variante, die hier unter dem Namen „Micro Line“ firmiert. Dabei soll es sich um einen etwas vereinfachten Schliff des von Clearaudio bei den teureren Modellen verwendeten HD-Diamanten handeln.
Es mag auch leichte Kost
Die Bedienungsanleitung gibt als Nadelnachgiebigkeit einen Wert von 9 ?m/mN (Mikrometer pro Millinewton) an. Im Zusammenhang mit dem Systemgewicht von 8 Gramm, das von jedem mir bekannten Tonarm problemlos ausbalanciert werden kann, deutet das auf eine besondere Eignung für schwere Tonarme hin. Deshalb baue ich das Concept MC auch zuerst in den SME M2-9R ein. Der operiert mit seiner originalen leichten SME-Headshell eigentlich schon an der Obergrenze von mittelschwer, doch da ich über ein beinahe schon antiquarisches Vorserienmodell der bekannten Clearaudio Stability Headshell mit über 17 Gramm Masse verfüge (die aktuelle Version ist mit 12 g deutlich leichter!), liegt diese Kombination gewissermaßen auf der Hand. Doch zu meiner Überraschung befindet sich die fundamentale Tonarm-System-Resonanz dieser Kombination bei unter 6 Hz – und damit in einem Bereich, in dem zum Beispiel die Wellen nicht ganz planer Schallplatten und die Eigenresonanz von Subchassislaufwerken liegen. Das hätte im ärgsten Fall zur Folge, dass die Arm-System-Resonanz angeregt wird, der Diamant den Kontakt zu den Rillenflanken verliert und sie beschädigt. Verwendet man hingegen die nur etwa 7 Gramm schwere Headshell von SME, dann liegt diese Resonanzfrequenz bei 8 Hertz und somit im allgemein anerkannten „gesunden“ Bereich. Dort landet man übrigens auch bei Verwendung eines SME Series V – was darauf hindeutet, dass das Clearaudio Concept MC idealerweise mit leichten bis maximal mittelschweren Tonarmen (mit einer effektiven Masse von ungefähr 5 bis 15 g) kombiniert werden sollte. Im Gegensatz zu vielen aktuell erhältlichen MCs bietet es sich damit auch als idealer Spielpartner für die immer noch überraschend oft verwendeten „leichten“ Klassiker à la Audio Technica AT1100, Hadcock GH-228, Mission 774 oder SME Series III an. Doch damit stellt sich nun die Frage, warum Clearaudio, ein Hersteller, der ja nun nicht erst seit gestern im Geschäft ist, einen Wert von 9 ?m/ mN angibt? – Des Rätsels Lösung: Die Nadelnachgiebigkeit ist grundsätzlich frequenzabhängig. Je höher die Frequenz, desto härter verhält sich die Nadelaufhängung. Wie bei vielen japanischen Herstellern auch (insbesondere bei Audio Technica und Denon) bezieht sich der angegebene Wert der Nadelnachgiebigkeit (Compliance) auf eine Frequenz von 100 Hz. Als Faustregel kann man diesen Wert verdoppeln, um den entsprechenden Wert bei 10 Hz abzuschätzen, und daraus ableiten, ob der in Frage kommende Tonabnehmer zu dem eigenen Tonarm passt. Aber – und darauf sei ganz ausdrücklich hingewiesen – das ist eine sehr grobe Faustregel und keineswegs ein exaktes physikalisches Gesetz.
Entspannt musikalisch
Während die Nadelnachgiebigkeit keinen Rückschluss auf die Klangqualität zulässt, tut es die Abtastfähigkeit sehr wohl – zumindest in gewissen Grenzen. Bei der von Clearaudio angegebenen maximalen Auflagekraft von 22 mN tastet das Concept MC bei entsprechend eingestelltem Antiskating hervorragende 80 ?m ab! Im Klartext: 99,9999 % aller Schallplatten werden absolut problemlos von diesem in technischer Hinsicht vorzüglich gefertigten Tonabnehmer abgetastet. Hohe Pegel, wie sie vor allem bei hoch ausgesteuerten Sopranstimmen vorkommen, können den Besitzer dieses Tonabnehmers nicht schrecken. Die traumwandlerische Abtastfähigkeit dieses MCs wirkt sich meines Erachtens auch bei ganz normalen Schallplatten aus, bei denen in aller Regel selten größere Auslenkungen als 40 ?m vorkommen. Das Concept MC hat einfach so viel „Luft nach oben“, dass es die alltäglichen Aufgaben mit Leichtigkeit bewältigt. Und das erklärt wohl auch den ersten Klangeindruck: Das kleine Clearaudio-MC verhält sich im besten Sinne völlig entspannt. Das fällt insbesondere bei der sehr sauberen und detailreichen, vor allem aber niemals nervigen Hochtonwiedergabe auf. Die bei Moving-Coil-Systemen immer noch allzu oft zu beobachtende Tendenz, mit einem Pegelanstieg oberhalb von zehn Kilohertz mehr Details vorzugaukeln, als tatsächlich in der Schallplattenrille zu finden sind, ist dem Clearaudio völlig fremd. Sehr sauber und neutral gibt es die so wichtigen Mitteltonlagen wieder, was zum Beispiel Stimmen zu einem wahren Genuss werden lässt – gut zu hören etwa bei dem rein a cappella vorgetragenen Traditional „Lead Me, Guide Me“ auf Eric Bibbs Rainbow People (Opus3 LP7723). Wenn man dem Concept MC überhaupt eine Unsauberkeit nachweisen will, dann ist sie in einer leichten Überhöhung im Bass zu finden – hier kann die Wiedergabe mitunter ein wenig zu forciert wirken. Aber genau diese vermeintliche Schwäche dürfte sich in der Praxis oft genug als Stärke herausstellen, verhilft sie doch auch „dünn“ aufgenommenen Schallplatten zu einem gewissen Fundament, wo eine superneutrale Abstimmung sicherlich schon die gute Laune beeinträchtigt hätte. Denn genau das geschieht mit dem Clearaudio Concept MC eben nicht. Es ist im angenehmen Sinne „musikalisch“ und sorgt gerade wegen seiner geschickten Abstimmung dafür, dass man stundenlang in seiner Schallplattensammlung wühlt, darüber die Zeit komplett vergisst und die gute Laune behält. Da es außerdem überragend gut gefertigt ist, kann ich jedem Interessenten nur raten, sich das Clearaudio Concept MC bei einem Händler in Ruhe anzuhören.