Clearaudio Absolute Phono – An der Quelle abgeschöpft
Beim Absolute Phono von Clearaudio versteckt sich die Revolution „ganz vorn“! Ein FIDELITY-Exklusivbericht über einen (fast) unsichtbaren Analogtraum
von Cai Brockmann und Roland Kraft
Peter Suchy ist glänzend aufgelegt und scherzt mit Sohn Robert herum. Doch der Junior lässt sich nicht irritieren, bleibt konzentriert. In kurzer Zeit hat er das Clearaudio-Laufwerk Innovation in der FIDELITY-Redaktion aufgebaut und mit zwei unterschiedlichen Tonarmen bestückt. Und dieses Ensemble, ein Hohelied der Feinmechanik, sieht wahrlich imposant aus. Es macht selbst auf dem optisch sonst so dominanten LignoLab TT-100 eine glänzende Figur. Absolute Phono? Ja, genau so sieht dieser Plattenspieler aus. Man könnte kaum falscher liegen. Denn Absolute Phono, der eigentliche Star hier, arbeitet undercover und bleibt unsichtbar, zumindest ein wichtiger Teil davon. Absolute Phono ist weder das sternförmige Laufwerk noch der Tangential- oder der Drehtonarm. Und die beiden identischen Tonabnehmer darin sind es auch nicht. Einen Hinweis auf Absolute Phono liefert erst das kompakte, aber gewichtige Kistchen, das Robert Suchy auf dem Rack gleich daneben aufgestellt hat.
Duett komplett
Dieser hübsche Technik-Block – er passt übrigens hervorragend zum Aluminium-Panzerholz-Sandwich des Laufwerks – ist einer der beiden Teile, aus denen Absolute Phono besteht. Der andere Teil ist eine winzige Verstärkerplatine, so klein, dass sie in ein Tonarmrohr und sogar in eine Headshell hineinpasst. Und genau dort, unmittelbar am Tonabnehmer, an der Quelle der analogen Musikwiedergabe, ist sie auch eingebaut. Wie man am konkreten Beispiel ja nicht sieht. Hier kann Absolute Phono seine segensreiche Wirkung optimal entfalten. (Roland Kraft stellt die technischen Hintergründe im Verlauf dieses Artikels detailliert vor.)
Hör mal, was da rauscht – nichts!
Mit dem Absolute Phono hat sich für Peter Suchy ein uralter Wunschtraum, ja geradezu eine analoge Vision erfüllt. Doch der Clearaudio-Patron ist nicht nur stolz darauf, dass die Technik funktioniert. Er hat auch einen kleinen LP-Koffer dabei und beginnt nun, ein paar ausgewählte Stücke aufzulegen. Von einer seiner mitgebrachten Scheiben habe ich selbst noch zwei andere Versionen in meinem Fundus – die nunmehr deutlich unterschiedlicher klingen, als ich es je zuvor habe heraushören können. Es ist fast unglaublich: Dieses Ensemble – featuring Absolute Phono – spielt derart transparent, dass es einem schon fast den Atem verschlägt, wenigstens aber die Luft in leisen Passagen anhalten lässt. Feindynamik, Detailfreude und räumliche Transparenz sind glatt maßstabsetzend, eine direkte Folge des wirklich verblüffenden Geräuschspannungsabstandes des Phono- Absolutisten. Ist die Pressung nur gut genug, sollte man schon einen genaueren Blick auf den Pegelsteller werfen, bevor es auf der Scheibe dann „richtig losgeht“. Rillengeräusche und Knackser spielen de facto kaum eine Rolle mehr. Selbst bei eigentlich abgelutschten Vinyl-Kamellen wie der hundertfach gespielten, heißgeliebten Jumpin’ Jive von Joe Jackson entdecke ich bisher mir entgangene Details. Die Produktion lässt sich zwar auch über den Absolute Phono als eher medioker entlarven, doch bin ich zugleich so „nah dran“ oder auch so „tief drin“ an/in der Musik, dass ich gebannt sitzen bleibe, bis das Da Vinci in der jeweiligen Auslaufzone angekommen ist. Keine Frage: Dieses analoge Ensemble besitzt wahre, überwältigende Monitorqualitäten, gepaart mit unbestechlichem Drive, was insgesamt eine überragende Souveränität vermittelt. Welche Pressung ist die bessere? Wo hat der Tonmeister geschludert? Was macht eigentlich der Perkussionist von Tom Waits da hinten links, 30 Zentimeter hinter dem Flügel? Und, Moment mal, versucht da nicht gerade jemand, sich heimlich von der Bühne zu schleichen? – Mit Absolute Phono fällt die Antwort mehr als leicht: Die integrative Darstellung aller Informationen ist für dieses ambitionierte Analogprojekt total selbstverständlich. Der Hörer wird ohne jede unnötige Ablenkung ins dreidimensionale Geschehen hineingezogen.
Mein Vinylgarten
Auch die Unterschiede zwischen Tangential- und Drehtonarm sind interessant. Während der TT-II insbesondere zur Plattenmitte hin seinen prinzipbedingten Vorteil in gebirgsbachklare Offenheit und völlig unbestechliche Direktheit umzumünzen weiß, gefällt mir die unkompliziertere Art des Universal-Arms, seine mitunter „rundere“ Darstellung manchmal sogar etwas besser. Doch da zählen wir bereits auf einem derart hohen Niveau Erbsen, dass man sicherheitshalber einen Blick auf den ganzen Garten werfen sollte. Oh ja, es ist wirklich ein wunderschöner Vinylgarten, der hier gepflegt wird … In highfideler Übersetzung: Diese fantastische innere und äußere Ruhe, die das Absolute-Phono-Dreigestirn vermittelt, stellt sich innerhalb der HiFi-Anlage mit einer bisher unerhörten musikalischen Spannkraft dar. Von bisher unentdeckten „schwarzen“ Details bis zur explosionsartigen Darstellung von Dynamik, von den expressiven Farben eines Soloinstruments bis zum komplexen Zappa-Tohuwabohu – Absolute Phono entschlüsselt einfach alles!
Absolute Phono ist die wohl konsequenteste Art und Weise, die Probleme des Phono-MC-Betriebs zu lösen
Drehen wir den Pegelsteller bei nicht abgesenktem Tonarm und Phono-MC-Betrieb einmal auf „ein Uhr“. Was hören wir dann? Rauschen. Oft kommt noch ein wenig Restbrumm hinzu. Genau das ist das Problem. Normale MC-Tonabnehmer liefern bei Vollaussteuerung etwa 1 Millivolt (ein tausendstel Volt) Ausgangsspannung. Im Vergleich zu den anderen Pegeln, mit denen eine HiFi-Anlage arbeitet, ist dies die wohl anspruchsvollste Aufgabe, die ein Verstärker bewältigen muss. Gute Abtaster wären fähig, etwa 80 Dezibel Dynamik (oder mehr) zu liefern. In der Theorie sollte eine fein gemachte Schallplatte eine Systemdynamik von 60 dB schaffen, die Wahrheit liegt wohl um die 40 dB, womit die kleinsten Spannungen, die verarbeitet werden müssen, im Mikrovolt-Bereich anzusetzen sind. Die nutzbare Dynamik liegt zwischen Übersteuerungsgrenze und Störspannungspegel. Vermag man den Störspannungspegel (Verstärkerrauschen, Abtastgeräusche, breitbandige Einstreuung) zu senken, legt automatisch die Dynamik zu.
Bei so winzigen Nutzsignalen ist es fast schon ein Wunder, dass mit einer oder zwei Steckverbindungen am Tonabnehmer, 20 bis 30 Zentimeter Tonarmlänge, zwei weiteren Steckverbindungen am Tonarm und am Verstärker plus einem Meter Kabel überhaupt noch etwas ankommt. Spaß beiseite: Schlechte Steckverbindungen und mangelhaft abgeschirmte Kabel stellen unter diesen Umständen pures Gift dar, ebenso – leider Realität – nicht oder nur mangelhaft abschirmende Tonarme, geschweige denn „seltsame“, nicht eng verdrillte Tonarm-Innenverkabelung. Je nach Standort (ein betonierter Keller schirmt gut ab, ein Dachgeschoss auf dem Land fordert Einstreuungen geradezu heraus), sollen allein durch Einstreuung Störpegel bis hinein in den Millivolt-Bereich festgestellt worden sein. Gemessen an den Anforderungen (erschwerend noch die für solche Zwecke an sich ungeeigneten Cinch-Verbinder) dürften außerdem – zurückhaltend geschätzt – 50 Prozent aller üblichen Phonokabel unzureichend abgeschirmt sein.
Die wirklich konsequente Lösung kann also nur jene sein, den Pegel unmittelbar an der Quelle, also direkt am MC-Tonabnehmer, gleich beträchtlich aufzustocken und damit den Störspannungsabstand grundlegend zu verbessern. Die Problematik der Gewichtsund Platzverhältnisse vorne am Tonarm macht eine superleichte und winzige Verstärkerlösung nötig, die Clearaudio in Form eines extrem kleinen SMDVerstärkers fand, der außerdem komplett DC-gekoppelt ist, also keine voluminösen Koppelkondensatoren benötigt und in einer verdickten Headshell (!)oder vorne im Tonarmrohr Platz hat. Dieser auf (SMD-)OpAmps basierende Verstärker ist linear, das heißt, er verstärkt um 50 Dezibel; die notwendige – und platzraubende – RIAA-Entzerrung findet erst danach statt. Die Verbindungskabel ab Tonarm sind folglich für das nunmehr auf ein weitestgehend unempfindliches Niveau angehobene Signal sowie für die Stromversorgung des kleinen Verstärkers zuständig. Hierfür kommen acht superdünne Solid-Core- Silberdrähte zum Einsatz, die letztlich am externen RIAA-Entzerrer-Verstärker in einer Sub-D-Steckverbindung münden.
Der Generator eines MC-Abtasters stellt eine symmetrische Stromquelle dar und ist deshalb im Teamwork mit einem vollsymmetrischen Stromverstärker-Eingang am besten aufgehoben. Bei einer Stromanpassung ist die Quelle hochohmiger als der Eingang, der sehr niederohmige Stromeingang benötigt auch keinen der bei Spannungseingängen üblichen Tonabnehmer-Abschlusswiderstände. Ein Operationsverstärker ist zumindest theoretisch (es existieren auch beeindruckende diskret aufgebaute Lösungen) ideal für solche Kleinstsignale, bietet zudem den Vorteil der weit besseren thermischen Kopplung seiner Transistorfunktionen. Auch Alterungsprozesse sollen bei OpAmps eine geringere Rolle spielen.
Die im Absolute-Phono-System vorneweg verwendeten OpAmps werden bei Clearaudio mit einem eigenen Messsystem streng selektiert. Um die Vorteile der symmetrischen Signalverarbeitung in Bezug auf Störspannungsarmut wirklich auszureizen, bleibt der Verstärkerzug inklusive einer teils passiven, teils aktiven RIAA-Entzerrung vollständig bei symmetrischer Signalverarbeitung. Logischerweise stellen die beiden XLR-Ausgangsbuchsen des von einem Steckernetzteil versorgten Systems deshalb die optimale Möglichkeit dar, einen Hochpegeleingang anzusprechen. Der in einem massiven, gefrästen Alugehäuse sitzende RIAA-Entzerrer kann übrigens auch mit feinen Bauteilen – etwa eigens für Clearaudio angefertigten Silber-Glimmerkondensatoren – aufwarten.
Unter dem Strich betrachtet dürfte Clearaudios Absolute Phono die wohl konsequenteste und durchdachteste Lösung darstellen, die man sich für diese Aufgabenstellung überhaupt vorstellen kann. Von rein klanglichen Gesichtspunkten – die nicht minder beeindruckend sind – einmal abgesehen, hat der nachvollziehbare und durchweg sinnvolle Aufwand einen für Phono-MC-Betrieb schon unglaublichen, Ehrfurcht gebietenden Geräuschspannungsabstand zur Folge sowie die schlichte Abwesenheit jeglichen (!) Restbrumms. Die resultierende enorme Verbesserung in puncto Dynamik – Clearaudio spricht von zehn Dezibel – ist unmittelbar zu hören und glasklar nachvollziehbar. Damit liegt die Messlatte in Zukunft auf einem Niveau, das praktisch nicht mehr zu übertreffen sein dürfte.