Classidelity: Joel Hastings: Carter Pann – The Piano’s 12 Sides
Dass der 1972 geborene Komponist Carter Pann aus dem Mittleren Westen der USA kommt, mag seine Neigung zum Ragtime erklären. Scott Joplins Stücke spielte Pann schon als Teenager, später war er sogar Student des früh verstorbenen William Albright, eines ausgesprochenen Ragtime-Enthusiasten. Ihm hat Pann einen romantisch-nachdenklichen „A Concert Rag“ gewidmet, während William Bolcom, auch ein berühmter Rag-Spezialist, mit einem flotteren Two-Step bedacht wird.
Richtig furios zur Sache geht es dann im „The Cheese Grater“, einer kleinen Ragtime-Caprice, bei der die Harmonien so schnell vorbeirollen, dass der Effekt beinahe chromatisch-atonal ist. Kein Wunder, dass auch in Panns einstündiger Klaviersuite The Piano’s 12 Sides immer mal ein jazziger Rag aufscheint, sobald es in einen ternären Takt geht – zum Beispiel im fünften Satz, einer Adaption des Renaissance-Tanzes Branle, oder im achten Satz, einer Art Geister-Walzer. Die ganze zwölfsätzige Suite entstand für den Pianisten Joel Hastings, der dieses und die anderen Werke hier erstmals einspielt. (Nur „Your Touch“ gab es schon auf einer früheren Aufnahme zu hören – als Kadenz von Panns 1. Klavierkonzert.) Vieles ist hier relaxte, modale, populäre Romantik, anderes verlangt schrill-akrobatische Spieltechnik. Vom elften Satz seiner Suite zum Beispiel meint Pann: „Ich weiß, ich selbst werde nie fähig sein, dieses Stück zu spielen.“ Als Komponist hingegen scheint er zu allem fähig – und zeigt, dass das Potenzial des Tonalen noch lange nicht ausgereizt ist.