Classidelity: Gustavo Dudamel, Simon Bolivar Symphony Orchestra of Venezuela – Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 7
Wie einst der junge Simon Rattle mischt Gustavo Dudamel die aktuelle Klassikszene auf. Jung an Jahren und dabei ein unbekanntes Orchester zu Weltruhm geführt – wie sich doch die Erfolgsgeschichten der beiden Dirigenten gleichen! Kein Wunder, dass Dudamel als einer der ganz heißen Favoriten auf die Nachfolge Rattles bei den Berliner Philharmonikern gilt. Und nun also Mahlers Siebte Sinfonie mit seinem Hausorchester aus Venezuela; die schwierigste und merkwürdigste Mahlersinfonie, mit ihrer ungewöhnlichen serenadenhaften Satzfolge und dem brachialen, meist unverstandenen C-Dur-Finale.
Ob die Wahl des Orchesters in diesem Fall glücklich war, lässt sich an einigen Stellen mitunter anzweifeln, offenbart doch gerade das Blech die ein oder andere technische Schwäche und auch der Tuttiklang ist nicht immer vollkommen homogen. Dennoch zeigt sich ein ganz eigener Ansatz Dudamels bei dieser Musik. Da gibt es nur wenige Atempausen, um die Doppelbödigkeit des Mahler‘schen Tons herauszuarbeiten – Dudamel agiert mit treibendem Zugriff, der die Musik sich selbst entlarven lässt. Selten hat man das umstrittene Finale so vehement gehört, so ganz im Sound von Rummelplatz- und Karnevalsmusik, gepaart mit dem hohlen Pathos des Wiener Ringstraßen-Historismus. Das ist die Bums-Musik der implodierenden K.u.K.-Monarchie, die sich hier in Dudamels radikal positivistischem Zugriff selbst entblößt. Grandios.