Classidelity: Duo Mélisande – Johann Sebastian Bach: The Goldberg Variations revisited
Puristen reagieren auf „Bearbeitung“ und „Transkription“ häufig mit Schaudern, verbinden sie doch damit die regelrechte Hinrichtung einer Komposition zum Zwecke gefälligen Genusses. Bei der vorliegenden Bearbeitung der Bach‘schen Goldberg-Variationen ist jedoch nichts zu befürchten, aus zwei Gründen. Zum einen sind Kompositionen des Barock ohnehin aus einem historischen Grund zum Abschuss freigegeben, da es bei Bach, Vivaldi et al. gang und gäbe war, fleißig die Werke der Kollegen zu bearbeiten und die eigenen nicht mit einer festgezurrten Instrumentation zu versehen.
Zum anderen kann die Aufnahme der Version für zwei Gitarren doch sehr überzeugen. Mit spitzfindigem Blick könnte man behaupten, dass die Gitarre sich mit ihrer Zupftechnik ohnehin näher an der Tonerzeugung eines Clavichords der Bachzeit befindet als jeder moderne Flügel. Und wenn zwei Virtuosen wie die Franzosen Sébastien Llinares und Nicolas Lestoquoy sich mit geschultem historischen Blick der Komposition annehmen, dann scheint ohnehin kein größeres musikalisches Unglück mehr passieren zu können. Mäkeln ließe sich allenfalls am etwas langsamen Tempo des Ausgangsthemas, bei dem der Gitarrenklang nicht ganz tragfähig und dadurch leicht stockend erscheint, das spielerische und leichtfüßige Zusammenspiel der Variationen aber lassen diese Aufnahme zu einem ganz neuen Bach-Erlebnis werden. Besser als bei so mancher Aufnahme mit einem Tasteninstrument lassen sich hier melodische Linien und Harmonieverläufe verfolgen, die in dieser Transkription ganz ohrenfällig zur Geltung kommen.