Classidelity: András Schiff – Ludwig van Beethoven: Diabelli Variationen Op. 120
Der Streit ist so alt wie langweilig: Soll oder darf man die großen Werke alter Meister nur auf historischen Tasteninstrumenten spielen oder muss es vielmehr zeitgemäß auf einem modernen Steinway-D-Flügel geschehen? Und wieder einmal ist die Antwort überraschend einfach: Es ist fast egal, es kommt hauptsächlich darauf an, was der Musiker daraus macht. Denn an den Intentionen eines Komponisten kann man auf jedem Instrument mühelos vorbeisegeln.
Mittlerweile gibt es überzeugende Beethoven-Interpretationen auf modernen und auf historischen Flügeln, dennoch gelingt András Schiff mit dieser Einspielung eine Bereicherung des Angebots. Er stellt in dieser Doppel-CD zwei Einspielungen auf zwei unterschiedlichen Instrumenten, einem Bechstein von 1921 und einem Wiener Bormann-Flügel aus den 1820er Jahren. Beide Instrumente klingen fragiler als ein Steinway und bieten mehr Farben, Zwischentöne. Gerade der Bormann mit seiner später aus der Mode gekommenen Wiener Mechanik, die je nach Dynamik unterschiedliche Anschlagspunkte an der Saite nutzt, überrascht mit einer Fülle an Klängen. Ganz offensichtlich lässt sich auch Schiff von diesem Instrument mitreißen. Denn die Variationen auf der zweiten CD kommen mit noch mehr Witz und Tiefsinn daher. Beiden Lesarten gemein ist die für Schiff so typische Suche nach versteckten Themen, Querverweisen, verborgenen Fäden. Eine kleine Betonung hier, ein neuer Schwerpunkt da und schon öffnet sich vor uns eine neue Ebene, die uns bisher verborgen blieb.