Classidelity: Aldo Orvieto: Camillo Togni – Complete Piano Music 2
CD / Naxos
Camillo Togni war 18 Jahre alt, als er der Musik Arnold Schönbergs begegnete. Von diesem Schock zeugt seine zwölftönige Serenata No. 1 aus dem Jahr 1940, Tognis Opus 10, ein fast halbstündiges Klavierwerk mit einer abstrakt anmutenden, aber ergreifenden Ruhe und Langsamkeit. Den Rest des Programms bilden dagegen Miniaturen aus späteren Jahren (bis 1991) – Capriccios, Präludien, Bach-Transkriptionen, durchschnittliche Stücklänge: 2 Minuten. Allen Kompositionen Tognis gemeinsam ist die frappierende Art, wie er die Zwölftontechnik meistert: Sie ist für diesen Komponisten tatsächlich nur ein Tonalitäts-Ersatz, ein scheinbar widerstandsloses Fluidum, in dem er die Strukturen, Dynamiken, Rhythmen seiner Musik frei und souverän entfalten kann. Mit anderen Worten: Tognis pianistisch virtuose Stücke sind so fesselnd und mitreißend, ganz ihrer eigenen Logik verpflichtet, dass dem Hörer die Zwölftontechnik gar nicht bewusst werden muss. Stattdessen entdecken wir Reflexe von Bach und Chopin, Skrjabin und Schubert, Beethoven und Bellini, eine große Lust an der Polyphonie, an der rhythmischen Kontur und am pianistischen Detail. In jeder Sekunde seiner Musik, so sagte Togni, stecke 90 Minuten Arbeit. Die Musik des 1993 verstorbenen Komponisten, der einst Schüler Casellas, Freund von Benedetti Michelangeli und Stammgast bei den Darmstädter Ferienkursen war, lohnt auf jeden Fall eine gründliche Entdeckung. Complete Piano Music 2 ist dankenswerterweise schon das dritte Togni-Album bei Naxos.
