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Cambridge Audio Vorstufe Edge NQ und Endstufe Edge W im Test

Ohne Ecken und Kanten

Anlässlich des 50. Firmenjubiläums gönnte sich Cambridge Audio eine neue verführerische Geräteserie.

Cambridge Audio Edge NQ Detail
Der Pegelsteller der Streaming Vorstufe Edge NQ ist der heimliche Star der neuen Baureihe.

Eigentlich zählt es zu meinen Vorsätzen, Stereotype zu meiden und möglichst wenig in Schubladen einzuordnen. Leider spurtet mein Gehirn den guten Absichten immer wieder davon. Wie die meisten Hersteller habe ich Cambridge Audio in einem Séparée meines Denkknochens verstaut, dessen Türchen mit einer Reihe stereotyper Attribute versehen ist: HiFi im klassischen Gardemaß, silbern oder schwarz lieferbar, britischer Traditionshersteller und so weiter. Obendrauf klebt ein kleines Schild, das mich ans superbe Preis-Leistungs-Verhältnis der Marke gemahnt. Mir ist einfach noch keine Cambridge-Komponente untergekommen, die ihren Obolus nicht mindestens wert gewesen wäre. Vor allem kleinere Maschinen wie der regelbare DacMagic Plus oder die schwungvollen CX-Geräte bieten einen sensationellen Klang fürs Budget.

Cambridge Audio Edge NQ Frontansicht
Das hochauflösenden Farbdisplay der Streaming Vorstufe Edge NQ zeigt während der Wiedergabe gestochen scharfe Coverbilder und Titelinfos an.

Mit der Edge-Baureihe wurde diese Ordnung allerdings gehörig durchgerüttelt. Die Briten wagen sich mit ihrer Jubiläums-Kombi – 2018 wurde das Unternehmen 50 – unübersehbar in HighEnd-Gefilde. Na klasse, war mein erster Gedanke bei der Ankündigung der neuen Luxus-Maschinen, den Vermerk mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis kann ich jetzt streichen. Damals kannte ich den Kostenpunkt der drei Edge-Geschwister noch nicht.

Cambridge Audio Edge NQ Rückansicht
Reichlich analoge und digitale Eingänge an der Streaming Vorstufe Edge NQ. Für WLAN ist eine zusätzliche USB-Antenne erforderlich. Fehlt die, arbeitet das Gerät funkfrei.

Die Optik der Serie ist neuartig. Nicht nur für Cambridges Verhältnisse. Die massiven Aluminiumgehäuse werden ausschließlich in eloxiertem Dunkelgrau geliefert und sie werden von einer Reihe massiver, sachgemäß entgrateter Kühlrippen flankiert. Eine äußerst gelungene Symbiose aus sachlicher Schlichtheit und modernem Design. Der Eindruck in natura toppt die Fotos sogar noch: Die Verarbeitung der Komponenten ist herausragend. Ihre Oberflächen sind makellos glatt und verströmen den wohligen Hauch von Hochwertigkeit. Die Suche nach passenden Materialien beanspruchte viele Monate, wie uns die Briten damals berichteten. Und die Konstruktion ist intelligent: Um das Gehäuse zu öffnen, muss man zwei winzige Inbus-Schräubchen lösen. Schon kann man den Deckel im Ganzen aus seiner Halterung schieben und abheben.

Vor allem bei der Endstufe lohnt sich ein Blick ins Innere – bei aller gebotenen Vorsicht und gezogenem Netzstecker, versteht sich. Sie offenbart einen vorbildlich symmetrischen Doppel-Mono-Aufbau. Der riesige Ringerntrafo ist so im Zentrum angeordnet, dass sein Strom sternförmig und auf kürzestem Weg in die Baugruppen gelangt. Bei genauer Betrachtung handelt es sich sogar um einen Doppel-Trafo, dessen elektromagnetische Interferenzen durch die gegenphasige Anordnung ausgelöscht werden. Warum ist das eigentlich nicht der Regelfall? Die Masseführung wurde über massive, offen verlegte Kupferschienen realisiert. Mehr Aufwand kann man kaum treiben.

Cambridge Audio Edge W Frontansicht
Das Kraftwerk Edge W ist technisch baugleich mit dem Vollverstärker Edge A, lässt sich mit dem Amp also zum perfekten Bi-Amping kombinieren.

Der Clou steckt tief in den Schaltkreisen der Edge W, wie uns Support-Spezialist Reiner Kockot im Verlauf des Tests verriet. Bereits für die 851er-Serie führte Cambridge eine Verstärkertechnik namens „Class XD“ ein. Das führte zu fehlerhaften Assoziationen mit dem Class-D-Verstärkungskonzept, weshalb die Schaltung für die Edge-Serie in „Class XA“ umbenannt wurde. Zu tiefe Details verrät der Hersteller nicht, es handelt sich aber um einen Kniff, der die Übernahmeverzerrungen der nach Push-Pull-Prinzip arbeitenden Transistoren minimiert. Die Endstufe spielt dadurch so direkt und verzerrungsarm wie ein Class-A-Kraftwerk, besitzt jedoch die Kraft und Leistungseffizienz eines Class-AB-Amps. Ihr Aufbau ist übrigens identisch mit den Kraftzellen des Vollverstärkers Edge A − die beiden Geschwister lassen sich zur perfekten Bi-Amping-Einheit kombinieren.

Cambridge Audio Edge W Rückansicht
Man beachte den winzigen Schalter in der Gehäusemitte: Der schaltet die symmetrischen XLR- und unsymmetrischem Cinch-Eingänge der Edge W um.

Von der ersten (damals noch streng vertraulichen) Ankündigung im November 2017 bis heute ist reichlich Zeit vergangen und obwohl die Modellreihe bereits im März 2018 öffentlich gemacht wurde, ist unsere Kette das erste in Deutschland verfügbare Testgespann. Grund dafür ist die Vorstufe, in der ein hochkarätiger D/A-Wandler nebst Netzwerkspieler steckt. Wie heute üblich, unterstützt dieser Streamer eine gehörige Bandbreite an Standards, darunter Chromecast, Airplay sowie Bluetooth. Und deren Lizenzfreigabe kann halt etwas dauern …

Cambridge Audio Edge W Detail
Die kräftige Endstufe Edge W verfeinert Cambridge Audios mit der 851-Serie eingeführte Class XA Technologie.

Der Streamer selbst ist kein Hexenwerk. Er basiert auf jener Soft- und Hardware, die Cambridge schon im Frühjahr 2018 dem CXN V2 spendierte, die analogen Ausgangsstufen des NQ repräsentieren allerdings eine neue Evolutionsstufe. Gesteuert wird der Streamer über die frisch programmierte App „Edge“, die für Android und iOS angeboten wird. Neben üblichen Gimmicks wie UPnP- und DLNA-Streaming sind die flinken Prozessoren fähig, via USB eingestöpselte Festplatten zu indexieren: Man klemme eine Laufwerk an den NQ, warte einige Minuten und schon ist der separate Massenspeicher (NAS) überflüssig. Der Streamer stellt die Sammlung auch anderen Playern im Netzwerk zur Verfügung. Verarbeitet werden sämtliche Formate bis 24 Bit und 192 Kilohertz, über den USB-Anschluss für Computer dürfen sogar Signale bis 32 Bit und 384 kHz sowie DSD eingespeist werden. Freunde von Streaming-Abos dürfte zudem freuen, dass Spotify und Tidal direkt implementiert wurden. Aber auch alle anderen Dienste lassen sich einbinden. Die hochauflösende Variante von Qobuz zum Beispiel konnte ich vom iPhone aus problemlos via Chromecast in den Edge NQ lotsen.

Cambridge Audio Edge NQ Detail
Ein griffiger Metallring am Schaft des riesigen Pegelstellers der Streaming Vorstufe dient als Eingangswahlschalter der Edge NQ.

Das Display der Vorstufe zeigt sogar beim Funkverkehr mit dem Portable das Cover des laufenden Albums an und kredenzt rudimentäre Details wie Songtitel und Interpret. Neben dem Bildschirm und einem Power-Taster gibt es keine Bedienelemente – abgesehen natürlich vom unübersehbaren Pegelsteller. Der zählt zu den aufwändigsten Regelwerken, die uns bislang untergekommen sind. Über 50 Teile stecken in der Baugruppe, die in penibler Handarbeit montiert werden. Das Herz bildet ein hochwertiges Alps-Poti, dessen Regelspannung über einen A/D-Wandler namens „MDAC“ digitalisiert wird. Das geschieht mit 16 Bit, der NQ verarbeitet also knapp über 65000 Pegelstufen. Um Bit-Verluste bei sehr leisen Lautstärken zu vermeiden, ist die Regelung selbst analog umgesetzt: Die 16-Bit-Signale des MDAC steuern ein Widerstandsnetzwerk, das an der Gehäuserückseite, direkt in der symmetrischen Doppel-Mono-Vorstufe untergebracht ist. Der geriffelte Ring am Schaft des Reglers dient übrigens zur Wahl der insgesamt 14 Signalzugänge.

Ob der sensationelle Klang der Edge-Kombi nun im aufwändigen Pegelsteller, der Stromaufbereitung oder der Signalaufbereitung begründet ist, können wir nicht sagen. Es ist auch unwesentlich. Wer einmal erleben konnte, wie schmelzig, fein und plastisch die Edges Beethovens Violin Concerto (Menuhin, Karajan) in den Hörraum zeichnen, der ist augenblicklich im Bann des britischen Gespanns. Die Kette besitzt eine geradezu unerhörte Musikalität, die nicht nur bei zackig-dynamischem Material zur Geltung kommt. Sie verleiht auch leisen Aufnahmen Charakter, Schwung und Seele. Unter anderem hörten wir Beethovens 7. Sinfonie (Wiener Philharmoniker, Karlos Kleiber) mit ihrem herausragenden, dramatisch anschwellenden zweiten Satz. Das „Allegretto“ baut sich über Minuten hinweg auf und vor allem in den ruhigeren ersten 40 Sekunden offenbaren die Edges zahllose Details der Aufnahme. Randnotizen gewissermaßen, die der Darbietung enormes Leben einhauchen: Ein leises Rascheln der Notenblätter, kaum hörbares Räuspern im Publikum, das „Atmen“ des Konzertsaals. Mit geschlossenen Augen wird man körperlich ins Jahr 1976 zurückversetzt, direkt hinein in den Moment der Aufnahme.

Cambridge Audio Edge W Detail
Die massiven Kühlrippen des Endverstärkers Edge W werden penibel entgratet.

Dass Cambridge Audio dem Anspruch der High-End-Klasse gerecht werden kann, daran haben wir keinen Augenblick gezweifelt. Schon die Komponenten der 851er-Serie zeigen, wie viel Gespür für Musikalität und ausgewogene tonale Balance sich die Briten erarbeitet haben. Doch die Edge-Kombi bietet viel mehr als das. Technisch ist da vor allem der Streamer herauszuheben, der eine enorme Flexibilität besitzt und mit seinen offenen Übertragungsstandards ungewöhnlich zukunftssicher daherkommt – zumal Cambridge mit der regen Softwarepflege seiner übrigen Netzwerkspieler viel Vertrauen aufgebaut hat. Und um Kratzer im Image eines Herstellers mit exzellentem Preis-Leistungs-Verhältnis sorge ich mich mittlerweile auch nicht mehr: Mit 3000 (Edge W) respektive 4000 Euro (Edge NQ) ist die Kette gemessen an ihrer Leistung geradezu schmeichelhaft budgetiert. Kurz gesagt: Ein durch und durch stimmiges Konzept!

Infos:

Streaming-Vorstufe Cambridge Audio Edge NQ

Funktionsprinzip: Vorverstärker mit integriertem Netzwerkspieler und D/A-Wandler
Eingänge digital: 3 x S/PDIF (2 x optisch, max. 24/96; koaxial, max. 24/192), HDMI (max. 24/192), USB Typ B (max. 32/384, DSD256)
Eingänge analog: symmetrisch (XLR), 2 x unsymmetrisch (Cinch)
Sonstige Quellen: Streamer, 1 x USB Typ-A (Sticks und Festplatten), Chromecast (max. 24/192), Airplay (max. 24/44), Bluetooth (AptX HD) sowie Tidal und Spotify
Ausgänge analog: 2 x Pre-Out (symmetrisch (XLR), unsymmetrisch (Cinch))
Besonderheiten: Fernbedienung, Remote-App „Edge“ (Android, iOS), Farb-Display, WLAN via Dongle, Pegelbegrenzung programmierbar, USB-Medien werden via UPnP im Netzwerk freigegeben
Maße (B/H/T): 46/12/41 cm
Gewicht: 10,2 Kg
Garantiezeit: 2 Jahre (5 Jahre nach Registrierung)
Preis:
4000 €

Endstufe Cambridge Audio Edge W

Funktionsprinzip: Transistor-Stereoendverstärker
Ausgangsleistung (8/4 Ohm): 100/200 Watt
Eingänge analog: 2 x Line (symmetrisch, XLR; unsymmetrisch, Cinch)
Maße (B/H/T): 46/15/41 cm
Gewicht: 23,6 Kg
Garantiezeit: 2 Jahre (5 Jahre nach Registrierung)
Preis: 3000 €

www.cambridgeaudio.com

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