Burmester 777, 785 und 808 Mk5 – Siebensiebensieben und die Folgen
Aller guten Dinge sind drei Ziffern. Und der typische Schriftzug von Burmester. Seit 40 Jahren.
Die Ikonen 777 + 785 + 808
Fotografie: Ingo Schulz, Stefan Schulwitz, Cai Brockmann, Hersteller
Drei Ziffern, drei Geräte: 777, 785, 808. Dieses Trio reicht uns schon, um tief in die Geschichte der Burmester Audiosysteme einzutauchen. Wir spüren aber nicht nur der nunmehr 40-jährigen Firmenhistorie nach, sondern skizzieren auch einen Ausblick auf die nächsten vier Dekaden. Selbstverständlich wagen wir solche Zeitsprünge nicht mit irgendwelchen Geräten: 777, 785 und 808 gelten sogar im an Legenden gewiss nicht armen Portfolio von Burmester als herausragende Produkte. Sie haben die Geschichte und die Geschicke der Firma ganz entscheidend geprägt. Burmester wiederum – Mann und Firma in Personalunion – hat die damals gerade aufblühende High-End-Szene erst richtig belebt, und zwar, selten genug für HiFi aus Deutschland, schnell auch auf internationalem Parkett.
Erstaunlicherweise handelt es sich bei allen drei Geräten um die üblicherweise unauffälligste Gerätegattung innerhalb eines ambitionierten Audiosystems: Es sind allesamt Vorverstärker.
Aber fangen wir doch einfach mal mit den drei Ziffern an. „777“ war vor 40 Jahren die allererste Variante eines schnell etablierten Codes: Die ersten beiden Ziffern benennen das Jahr, die letzte den Monat, in dem die Entwicklung der jeweiligen Komponente als abgeschlossen betrachtet werden konnte. Okay, mit nur einer Ziffer können die Monate Oktober bis Dezember nicht dargestellt werden – eine verschmerzbare Einschränkung, denn im Gegensatz zu Elektronik-Megakonzernen schmeißt eine kleine Manufaktur seine Neuheiten nicht im Wochenrhythmus auf den Markt. Ganz im Gegenteil. Vielleicht aber hat man bei Burmester in den zweistelligen Monaten einfach nichts entwickelt? Eine abwegige Vorstellung, wenn man Dieter Burmester und sein Team jemals kennengelernt hat.
Die (mehr oder weniger korrekte) Zahlenfolge wurde natürlich vom Chef selbst festgelegt, von wem sonst. Dieter Burmester hatte ohnehin ein ausgeprägtes Gespür für griffige Formen, Sprüche und Statements. Also war ihm auch klar, dass jedes High-End-Hirn einen „Dreier“ besser merken kann als eine Zahlenkolonne – merke: Ab vier Ziffern wird’s immer etwas umständlich. Und „777“ klingt nun mal viel cooler als ein eigentlich korrektes „197707“ oder so, was kleinkarierten Schreibtischhelden sicher besser gefallen hätte. Doch die hätten seine teuren Geräte ohnehin nicht gekauft. Aus Vernunft- und Kostengründen.
Vorverstärker also. Das sind die Geräte, die noch immer gerne unter dem Radar des normalen HiFi-Fans hindurchflutschen. Die grauen Mäuse im Audio-System, nix zum Angeben oder auch nur zum stolzen Herzeigen, zum Staunen zu klein, aber zum Verstecken zu wichtig …
Bis der 777 die damals noch sehr überschaubare Szene betritt. Ein großer, in Gold gewandeter Alleskönner, der viel besser klingen sollte als die Konkurrenz. Doch welche Konkurrenz ist eigentlich gemeint? Vorverstärker waren bis weit in die 1970er hinein alles andere als populär, in Deutschlands Wohnstuben praktisch nicht existent. Den ambitionierten HiFi-Markt oberhalb der legendären DIN 45500 dominierten dicke, fette Receiver oder deren radiolose Brüder, die Vollverstärker. Bei diesen Schlachtschiffen war der Vorverstärker integrierter Bestandteil einer massiven Musikmaschine, die jede Menge Knöpfe und ansonsten ordentlich Abwärme bereitstellte. Im Musikschrank mit dem dicken Verstärker/Receiver gruppierten sich Plattenspieler, Tonbandgerät und zwei mehr oder weniger große Stereo-Boxen, die möglichst gut zur (oder noch besser: in die) Schrankwand passten mussten. Übliche Upgrades der 1970er? Dekodeckchen und Blumenvase. Das war schon immer schlimm.
Okay, die Gattung „control amplifier“ (oder auch „pre amplifier“) als separate Schaltzentrale eines HiFi-Systems war Ende der Siebziger in Großbritannien und in Nordamerika – und damit auch in Japan – längst bekannt. Deutschland lag weitestgehend noch im Vorverstärker-Dornröschenschlaf. Dann kam der Siebensiebensieben. Aus Westberlin. Das hatte Folgen.
Portrait Dieter BurmesterMacher, Ikone, Musikmensch
„Eine HiFi-Anlage, die meinen Namen trägt“, so Dieter Burmester, müsse neben allen anderen Qualitäten immer auch „ready to rock“ sein. Für den Gründer, Inhaber und Chef von Burmester Audiosysteme war High-End-Audio „ein Transportmittel für musikalische Emotionen – nicht mehr, aber auch nicht weniger“. Und das sollte für jedes Musikgenre gelten.
1977 fertigte der gelernte Rundfunk- und Fernsehtechniker, studierte Elektrotechnik-Ingenieur und banderprobte Rockmusiker aus schlichter Enttäuschung über unzuverlässige Röhrenverstärker sein allererstes HiFi-Gerät – schon damals mit dem markanten, handschriftlich anmutenden Burmester-Schriftzug. Damit begann Dieter Burmester die gerade aufblühende High-End-Szene zu prägen wie kein Zweiter hierzulande. Mit enormer Zielstrebigkeit und Präzision, die er aus seinem ursprünglichen Spezialgebiet Medizintechnik in die Audiowelt hineintrug, strickte der Mann, so scheint es im Rückblick, nicht nur an seinen Kreationen, sondern auch an der eigenen Legende.
Dieter Burmester war 1981 einer der Gründungsmitglied der „High End Interessengemeinschaft für hochwertige Musikwiedergabe e.V.“ und einer von drei Vereinsvorständen. Dass er auch die theoretischen Grundlagen seines Metiers souverän beherrschte und vermitteln konnte, lassen seine Artikel zur Technik von High-End-Anlagen erkennen, die Burmester in den 1980er Jahren in einigen Fachzeitschriften publizierte, etwa 1987 über „Kabelprobleme“ in HiFi Exklusiv Nr. III.
Dieter Burmester fühlte sich auf dem Parkett der internationalen HiFi-Szene wohl, trat selbstbewusst und sympathisch in Erscheinung. Er hat dem Begriff „High End aus Deutschland“ ein markantes Gesicht gegeben, war die Symbolfigur der Szene und genoss auch international höchste Reputation.
Da er privat nicht nur Musik in jeglicher Form liebte (seine Gitarrensammlung ist legendär), sondern auch die stilvolle Fortbewegung zu Lande und zu Wasser pflegte, freute es ihn ganz besonders, seinen „Sound“ schließlich auch in einigen der weltbesten Automobile offerieren zu können.
Geboren am 9. Februar 1946 in Österreich, aufgewachsen im niedersächsischen Lüchow und den größten Teil seines Lebens fest in Berlin verwurzelt, verstarb Dieter Burmester nach kurzer, schwerer Krankheit am 15. August 2015. Sein großes Vermächtnis, seine Ideen und Pläne werden seither von seiner Ehefrau Marianne mit äußerstem Geschick fortgeführt.
Der Burmester 777
Juli 1977. Gründer und Mastermind Dieter Burmester, mit seinem Ingenieurbüro eigentlich in der Medizintechnik zu Hause und dort bestmögliche Qualität gewohnt, war von der mangelnden Zuverlässigkeit seines HiFi-Röhrenverstärkers genervt. Also hat sich der gelernte Rundfunk- und Fernsehtechniker und Elektrotechnik-Ingenieur eine Schaltzentrale nach eigenen Wunschvorstellungen gebaut. Sein Vorverstärker 777 besitzt eine Klangregelung US-amerikanischer Prägung, kanalgetrennt und mit umschaltbaren Eckfrequenzen für die Höhenregelung, aber auch konsequent abschaltbar. Letzteres sollte sich rasch als klanglich empfehlenswert herausstellen, wenn nur die Zuspieler, die Endstufen und die Lautsprecher entsprechend hohe Wiedergabequalitäten aufweisen. Höchste Aufmerksamkeit erregt die ungewöhnliche Lautstärkeregelung: Ein Pegelschalter steuert ein 23-stufiges Widerstandsnetzwerk, welches das sonst übliche – vergleichsweise unpräzise und störanfällige – Kohleschichtpotentiometer ersetzt.
Die Grundschaltung des 777 ist keineswegs bahnbrechend oder gar geheimnisvoll. Aber sie ist blitzsauber, mit viel feineren Teilen und mit viel weniger Kabelsalat als sonst üblich aufgebaut, basierend auf einem frei zugänglichen Schaltungsvorschlag für die damals allmählich auch für audiophile Zwecke nützlichen ICs. Dieter Burmester erkennt jedenfalls als einer der Ersten das Potenzial dieser Op-Amps für Audioanwendungen und verbaut sie – Zuverlässigkeit und hochwertige Anwendung immer im Fokus – in ein ausgesprochen edles, auffälliges Gehäuse.
Der Burmester 777 wird in einer Kleinserie von 20 Stück gebaut – samt und sonders vom Chef selbst auf seinem Werktisch mit Lötstation und Messgerätschaften – und kostet fast so viel wie ein Kleinwagen. Nachdem Burmester mit dem 777 zunächst den engeren Freundeskreis begeistern kann, findet sein Goldjunge über einen ambitionierten HiFi-Händler den Weg in ein damals populäres Fachmagazin. Die Signalwirkung ist enorm. Burmester ebnet mit dem 777 einen bisher unentdeckten Weg in der deutschen High-End-Szene. Die im Übrigen noch gar nicht so genannt wird, sondern 1977 noch schlicht (und im Wortsinn korrekt) „High Fidelity“ heißt – und ab sofort von einem Goldjungen aus Berlin angeführt wird.
Der König muss bleiben!Interview mit Andreas Henke, CEO Burmester Audiosysteme
Andreas Henke, Jahrgang 1972, wechselte zum Jahresbeginn 2017 zu Burmester Audiosysteme in die Geschäftsführung, die er seither gemeinsam mit Marianne Burmester, der Ehefrau des verstorbenen Firmengründers, innehat.
Zuvor war Andreas Henke bei Porsche für Produktstrategie, Marketing und Topkunden-Betreuung verantwortlich. Der sportliche und eloquente Manager nennt – außer Musik & HiFi natürlich – Fotografie, Automobile und die feine Küche als Hobbys, zudem setzt er sich gelegentlich auch auf der (eher privaten) Bühne als Sänger in Szene.
FIDELITY:
Herr Henke, haben Sie heute schon besonders gut Musik gehört? Im Mercedes-Taxi vielleicht?
Andreas Henke:
Na, das wär’ ja mal was. Aber nein, leider. Der Musikgenuss muss heute wohl noch bis zum Abend warten, wenn ich wieder zu Hause bin.
Als der erste Burmester-Vorverstärker erschien, waren Sie fünf Jahre alt. Wann haben Sie Dieter Burmester denn das erste Mal persönlich getroffen?
Als junger HiFi-Fachzeitschriftenleser war mir der Name Dieter Burmester schon zu Teenagerzeiten bekannt. Persönlich kennengelernt habe ich ihn erst etliche Jahre später, anlässlich der Entwicklung und Präsentation des Burmester-Soundsystems im Porsche Panamera. Da war ich bereits begeisterter Kunde des Hauses, das ich mittlerweile die Ehre habe, führen zu dürfen.
Sie haben angekündigt, das Portfolio von Burmester merklich zu erweitern. Was haben wir kurz- und mittelfristig von der Berliner Manufaktur zu erwarten?
Wir werden selbstverständlich niemals die klangliche DNA von Burmester Audiosysteme verändern, auch keinen flüchtigen Trends folgen. Aber eine Steuerung der klassischen Komponenten per iPad beispielsweise, das sollte in absehbarer Zeit möglich sein, ebenso wie eine deutlich verbesserte Konnektivität und Kompatibilität. Für solche Dinge werden wir alle Home-Audio-Komponenten in den nächsten Jahren gründlich überarbeiten. Und am oberen Ende des Portfolios wird die große Endstufe 159 entsprechende Spielpartner bekommen …
Aber Sie feiern doch auch mit dem „kleinen“ Phase-3-System ungeahnte Erfolge …
Ja, wir können damit ganz neue Interessenten begeistern, die mit einer klassischen „Altar-Architektur“ eher weniger anfangen können, die statt Komplexität lieber mehr integriertes Design wünschen – und auch zu schätzen wissen. Übrigens wollen wir all das, was Burmester ausmacht, noch ein bisschen weiter in die Welt hinaustragen. Die Automotive-Systeme sind da schon recht hilfreich, doch wir können uns noch ganz andere Produktkategorien, etwa sehr hochwertige mobile Produkte, vorstellen.
Wird es dann nicht allmählich Zeit, den 808 in Rente zu schicken?
Aber nein! Der 808 ist ein chronografisches Produkt, der muss und wird „König“ bleiben. Wir werden die aktuelle Version allerdings mit substanziellen Upgrade-Möglichkeiten ausstatten.
Wo sehen Sie Burmester Audiosysteme in vier Jahren, wo in 14 Jahren? Und wo gar in 40 Jahren?
In vier Jahren sollten alle angesprochenen Upgrades und Ergänzungen verfügbar sein. In 14 Jahren wird Burmester einen noch viel höheren Bekanntheitsgrad haben als heute. Was in 40 Jahren sein wird, davon können wir alle nur träumen; ich gehe aber fest davon aus, dass Burmester Audiosysteme ein unabhängiges Unternehmen bleiben wird.
Was halten Sie von Frank Zappas „We’re Only In It For The Money“?
Ich halte mit Henry Ford dagegen: „Ein Geschäft, das nur Geld einbringt, ist ein schlechtes Geschäft.“ Deswegen arbeiten wir zum Beispiel an der Gründung einer Stiftung mit dem Arbeitstitel „Akademie des feinen Klanges“. Dort sollen alle Menschen zusammenfinden und sich austauschen können, die sich intensiv mit Musik beschäftigen: Musiker, Komponisten, Neurowissenschaftler – etwa vom Fraunhofer Institut –, Produzenten und selbstverständlich auch Hersteller hochwertiger Audiokomponenten. Das Ganze ist „pro Handwerk“ aufgestellt, wenn Sie so wollen.
Das klingt außerordentlich spannend, wir bleiben am Ball. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Henke.
Gerne.
Der Burmester 785
Mai 1978. Die 20 gebauten 777 sind bereits verkauft, ein Bankkredit zur (offiziellen) Firmengründung dadurch obsolet geworden. Und mit einem zweiten, deutlich verschlankten Vorverstärker setzt Dieter Burmester erneut Maßstäbe und Glanzpunkte. Die puristische Ausstattung des 785 hätte man vielleicht von britischen Hardcore-Hifiisten wie etwa Naim Audio erwartet, seine Optik höchstens vom Juwelier: Innerhalb nur eines Jahres sind am Burmester-Vorverstärker (noch gibt es keine Geschwister) das Klangregelnetzwerk, ein halbes Dutzend Kippschalter und auch die Griffe verschwunden. Das auffällige Gold ist einem ebenso auffälligen Chrom gewichen, das sich schon bald als weiteres typisches Burmester-Merkmal – neben den drei Ziffern und dem handschriftlich anmutenden Schriftzug – etablieren wird. Im Inneren steckt im Wesentlichen die schon bekannte und mittlerweile bewährte Grundschaltung des 777, natürlich in Details noch optimiert und verfeinert.
Es ist einerseits dieser Verzicht auf geschmäcklerischen Schnickschnack wie die Klangregelung, andererseits die wirklich „neue“ Optik sowie eine superbe technische Umsetzung, die den heute eher unscheinbaren 785 im Rückblick als echten Burmester-Meilenstein erstrahlen lassen. Auch der 785 kostet bei seiner Premiere ein kleines Vermögen, doch die HiFi-Gemeinde scheint auf ihn nur gewartet zu haben. Der „Chromprinz“ festigt die Reputation der aufstrebenden High-End-Manufaktur – bis er ein gutes Jahr später den Übervater aller Vorverstärker zur Seite gestellt bekommt …
Burmester Audiosyteme GmbH, BerlinEinblicke in die 1977 von Dieter Burmester gegründete Manufaktur
Das heutige Unternehmen Burmester Audiosysteme wurde 1977 von Dieter Burmester als typische „One-Man-Show“ in Berlin-Schöneberg gegründet. Ursprünglich als Ingenieurbüro tätig, das sich mit Computerinterfaces und Schaltungstechnik für medizinische Messgeräte beschäftigte, gelang der aufstrebenden Firma zunächst mit den Vorverstärkern 777 und 785 erste Achtungserfolge. 1980, nur drei Jahre später, verankerte Burmester sich mit dem sensationellen Modell 808 schon fix in der international aufstrebenden High-End-Szene. Herausragende Audiotechnologien leitete Burmester oft direkt aus der professionellen Tonstudiotechnik ab, zudem kamen neueste Bausteine, zum Beispiel die ersten „audiophilen“ Operationsverstärkerchips, zum Einsatz. Die besonders langzeitstabilen Entwicklungen sorgten von Anfang an für Aufsehen, etwa fertigungstechnisch aufwendige Widerstandsnetzwerke als Pegelsteller statt klassischer (störanfälliger) Potentiometer. Bereits 1983 etablierte Burmester den komplett symmetrischen Schaltungsaufbau für HiFi-Komponenten. Zu jedem einzelnen Gerät, das die Firma jemals gebaut hat, existieren die kompletten Messprotokolle – sichtbare Beweise von rigoroser Qualitätskontrolle und höchster Sorgfalt innerhalb der Fertigung, die den Anspruch einer echten Manufaktur von jeher erfüllt.
Innerhalb der ersten anderthalb Jahrzehnte meisterte Burmester Audiosysteme den Ausbau vom Verstärkerspezialisten zum High-End-Vollsortimenter; lediglich auf einen eigenen Plattenspieler mussten die Fans noch bis 2017 warten. Regelmäßig machte das Unternehmen mit bahnbrechenden und maßstabsetzenden Neuentwicklungen von sich reden, etwa mit dem ersten riemengetriebenen CD-Spieler 916, dem Power Conditioner 948, Phonoentzerrer 100 oder Music-Center und Luxus-Streamer 111. Eine eigene Kabellinie sowie speziell produzierte Tonträger vervollständigen das Portfolio.
Mitte des ersten Jahrzehnts des neuen Millenniums gelang es der inhabergeführten Manufaktur, auch im hart umkämpften, aber völlig anders funktionierenden Automotive-Geschäft Fuß zu fassen. Burmester Audiosysteme gewann zunächst für den Supersportwagen Bugatti EB 16.4 Veyron, etwas später für den Porsche Panamera das Rennen um den bestmöglichen Klang im Automobil – gegen mächtige, sehr viel größere Konkurrenten. Die für den Einstieg ins Automotive-Geschäft nötigen, nicht ganz unbeträchtlichen Investitionen sollten sich erst Jahre später auszahlen, dann aber um so deutlicher. Inzwischen definieren Soundsysteme von Burmester nicht nur in allen Porsche-Baureihen, sondern auch bei Mercedes-Modellen den State of the Art und tragen den Namen des Unternehmens weiter in die Welt hinaus – hinein in das Bewusstsein von klangbegeisterten Musikliebhabern. Gleichwohl ist „klassisches“ High-End-HiFi bei Burmester stets das Kerngeschäft geblieben und wird auch weiter ausgebaut, zuletzt mit der Vorstellung des gigantischen Endverstärkers 159, dem lang ersehnten Plattenspieler 175 sowie riesigen Schallwandlern mit umschaltbarem „Live“-Modus.
1982 gehörte die Firma Burmester zu den zwölf Gründungsmitgliedern der „High End Interessengemeinschaft für hochwertige Musikwiedergabe e.V.“ (aus der später die “High End Society e.V.“ hervorging). Seit 2010 ist das Unternehmen Mitglied in der „Initiative Deutscher Manufakturen – Handmade in Germany“ (IDM). Darüber hinaus unterstützt Burmester das soziale Engagement des Projekts Vamos Adalante in Guatemala mit Stipendien.
Seit Januar 2017 wird Burmester Audiosysteme gemeinsam von Andreas Henke und Marianne Burmester, der Ehefrau des 2015 verstorbenen Gründers, geführt. Mittel- und langfristig darf mit einer Erweiterung des Portfolios in Richtung „Personal High-End-Audio“ und dem weiteren Ausbau der Nonplusultra-Kategorie gerechnet werden. Zudem ist eine interdisziplinäre „Akademie der feinen Klänge“ in Planung.
Der Burmester 808
August 1980. Es ist Zeit für eine Maschine, wie sie die HiFi-Welt zuvor noch nicht gesehen hat. Dieter Burmester, inspiriert durch seine Leidenschaft für Livemusik und Tonstudio, präsentiert das Modell 808. Der erste Vorverstärker überhaupt, der sich weitgehend nach den Wünschen und dem Gerätepark seines Besitzers sowie ambitionierten technischen Bedürfnissen konfigurieren lässt. Ähnlich wie die besten Mischpulte im Tonstudio basiert der 808 (serienmäßig nun mit Chromfront, wir haben verstanden) auf einem variablen Grundgerüst, das mit den gewünschten Eingangs- und Ausgangsmodulen bestückt werden kann. Wer einen 808 in Vollausstattung vor sich hat, wähnt sich im Knöpfchenparadies, denn ein 808 besitzt nicht nur auf der Front, sondern auch auf der Oberseite etliche Regler und Schalter. Warum das trotzdem puristisch ist? Weil maximale Flexibilität ein gewisses Maß an Einstellmöglichkeiten braucht und jeder Knopf – typisch Burmester – technisch Sinn ergibt.
Serienmäßig ist der 808 für zwei völlig unabhängig voneinander regelbare Ausgänge vorbereitet; wer das braucht, bestellt ein zweites Ausgangsmodul gleich mit. Oder er ordert später nach, überhaupt kein Problem. Zwei große „gestackte“ Doppel-Drehknöpfe regeln den Ausgangspegel – genauer: den Master-Ausgangspegel – des 808 selbstredend über aufwendige Widerstandsnetzwerke. Das satte Schaltgefühl wird der überragenden Bauteilqualität und dem beeindruckenden Auftritt auch haptisch gerecht. Lieferbar sind ausschließlich analog beschaltete Einschübe – sogenannte Module – für alle nur denkbaren Musikquellen, von fein justierbaren MC- oder MM-Modulen über das Hochpegelmodul namens „Linear“ bis hin zum geradezu neuzeitlichen „Thru-Put“-Modul zur problemlosen Einbindung des 808 in eine ambitionierte High-End-Heimkino-Anlage.
Apropos „neuzeitlich“ und „ambitioniert“: Ein 808 war, ist und bleibt eine Maschine, die sich nicht unbedingt bis ins Detail von selbst erklärt (wie sonst bei Burmester üblich), sondern ihren Benutzer herausfordert. Der sollte genau wissen, was er mit seiner Anlage macht und wie er das am besten erreicht. Was beim Supersportwagen oder Rennmotorrad das Fahrtraining, das ist beim 808 der Fachhändler und das genaue (mehrfache) Studium der Bedienungsanleitung. Klar, man kann mit dem 808 im übertragenen Sinne auch einfach mal zum Brötchenholen oder zur Eisdiele um die Ecke tuckern, doch das eigentliche Terrain des Boliden ist die fidele Rennstrecke, wenigstens aber eine völlig freie Autobahn oder ein bildschöner Sonnentag in den Bergen, um die Maschine ein wenig herauszufordern. Wer nicht weiß, was er tut, kann schnell mit dem 808 hadern. Wer hingegen genau weiß, wie er seinen Musikmaschinenpark zur Höchstleistung bringen will, findet im 808 das ideale Werkzeug. Und das seit mittlerweile siebenunddreißig Jahren!
Wir haben einen aktuellen 808 zur Verfügung, der den Zusatz „Mk5“ nicht ohne Grund im Namen führt. Denn der visionäre 808 wurde von vornherein derart konsequent auf Langzeitanwendung konzipiert, dass er auch umfangreiche Weiterentwicklungen ohne eigentliche Namensänderung überstanden hat. Es gibt insgesamt vier Versionen des 808, erkennbar an den Zusätzen Mk2, Mk3 und Mk5 – einen „Mark Vier“ hat es nie gegeben, weil diese Zahl in Asien, einem der Hauptmärkte für Burmester, äußerst negativ konnotiert ist. Außerdem, so auch Burmester-Entwicklungschef Stefan Größler, war die Weiterentwicklung des Mk3 – zum Beispiel die Aufrüstung zur vollen Fernbedienbarkeit – derart umfangreich, dass der direkte Sprung von 3 auf 5 auch technisch begründet werden kann.
Im Inneren des 808 kommt ein konsequent symmetrisches Schaltungslayout zum Einsatz. Das bedeutet einerseits doppelten Bauteilaufwand, bringt andererseits eine viel höhere Störgeräuscharmut mit sich, was gerade in der Schaltzentrale einer HiFi-Anlage gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Dynamik und Sauberkeit des möglichst unverfälscht durchgereichten Signals erreichen exemplarische Werte. Der Burmester 808 Mk5 kostet übrigens – um im Bild zu bleiben – schon in der vergleichsweise schlichten Basisversion deutlich mehr als ein aktueller Kleinwagen, lässt sich aber dank Modulbauweise (und mit 24-Karat-Gold-Gehäuse) mühelos bis in Sportwagensphären schrauben.
177 + 178
Juli und August 2017. Die FIDELITY-Redaktion befindet sich im Ausnahmezustand: Die drei Legenden sind eingetroffen, selbst harte Rock’n’Roller ziehen freiwillig weiße Stoffhandschuhe über, wir vergeben an die beiden „Burmester-Monate“ eigene Kürzel mit drei Ziffern. Mittendrin im Hochgefühl: die 40-Jahr-Feier von Burmester Audiosysteme in Berlin. Perfekt.
Und genauso ist auch das Klangerlebnis des 808 Mk5. Es ist nichts weniger als perfekt. Völlig frei von Artefakten, in keiner einzigen Disziplin limitierend, sämtliche ihm zur Seite gestellten Endstufen oder Aktivlautsprecher zur Höchstleistung treibend. Jede Quelle quasi umarmend – oder besser: mit größter Hochachtung willkommen heißend. Eine dieser Maschinen, die schon in der ersten Minute den großen, freien Blick auf das Wesentliche beim Musikhören zulassen, um sich nach dem Warmlaufen – etwa eine Stunde sollte man dem 808 schon gönnen – gänzlich aus der Wahrnehmung zu verabschieden. Ab jetzt läuft nur noch Musik!
Wer ernsthaft noch ein bisschen tiefer in Musik eintauchen will, hat genau drei Möglichkeiten: 1.) einen „schöner klingenden“ Vorverstärker kaufen, der einen eigenen Sound produziert und es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, 2.) das komplette Umfeld des 808 Mk5 optimieren, vom Power Conditioner und der Raumakustik über die Zuspieler bis hin zu den Schallwandlern, oder 3.) den nächsten Konzertbesuch organisieren.
Wie klingt eigentlich ein historischer 777 oder 785 gegen den King of Preamps? Nun, erstaunlich gut. Während der Goldjunge leider nicht mehr ganz so beieinander ist (danke, dass du trotzdem bei uns weilst), versetzt uns der 785 – gleiche Schaltung, gleiches Konzept – in anerkennendes Staunen. Klar, fast 40 Jahre auf dem Buckel sind kein Klacks, und wir haben womöglich auch schon noch etwas freiere und geschmeidigere Vorverstärker erlebt (808!), aber dennoch erweist sich der überaus rüstige Oldie als fröhlicher Spielpartner, den man gern um sich hat. Tolle Performance, Chromprinz!
Dann wieder zurück zum 808 Mk5, hinein in die sonnenbeschienenen Berge. Visionär, wie Burmester es geschafft hat, diesen Vorverstärker zu einer der am längsten produzierten HiFi-Komponenten überhaupt zu machen. Meine Gedanken kreisen neuerdings um eine einzige Frage, die Sie sich übrigens auch stellen sollten: Würde ich ihn in Chrom bestellen?
Vorverstärker
Burmester 808 Mk5
Funktionsprinzip: modularer Vorverstärker mit externem Netzteil
Eingänge: 1 bis max. 6 Eingänge, symmetrisch (XLR) und/oder unsymmetrisch (Cinch), variabel bestückbar
Ausgänge: 1 bis max. 2 Ausgänge, unsymmetrisch (Cinch) oder symmetrisch (XLR, Module SYM OUT notwendig), separat schalt- und regelbar
Eingangsmodule: Phono MC (2130 €), Phono MM (1680 €), Hochpegel (1120 €)
Ausgangsmodule optional: Out 2 symm. (2640 €)
Besonderheiten: massive Aluminium-Gerätebasis, Systemfernbedienung, hochwertige Netz- und Versorgungskabel im Lieferumfang
Ausführung: Chrom (Standard), optional Schwarz oder vergoldet (24 kt) sowie weitere Oberflächen gegen Aufpreis
Maße Vorverstärker (B/H/T): 48,3/17,0/38,5 cm
Maße Netzteil (B/H/T): 48,3/9,5/28,5 cm
Gewicht Vorverstärker inkl. Grundplatte: 23 kg
Gewicht Netzteil: 9 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis Basisversion inkl. 3 Module: 27 020 €